Die politische Formation Malekis ("State of Law" genannt) hatte in den Wahlen zwei Sitze weniger erhalten als die seines Hauptrivalen, Iyad Allawis, "al-Iraqiya". Doch Maleki hatte potentielle Bundesgenossen unter den anderen schiitischen Formationen, welche nicht mit ihm in die Wahlen gezogen waren, sondern als eine gesonderte Allianz. Allawi hingegen fand keine Bundesgenossen.
Maleki konnte dies ausnützen, um zuerst sich selbst den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen und dann den zähen Widerstand seiner Verbündeten und seiner Hauptgegner soweit niederzuringen, dass sie es alle schliesslich vorzogen, in seine Regierung einzutreten und dadurch Ministerposten zu erlangen.
Lieber drinnen als draussen
Sie vermieden so, das sie ohne Machtpositionen ausserhalb blieben. Natürlich musste Maleki allen Faktionen das Blaue vom Himmel herab versprechen, um sie zum Eintritt in seine Regierung zu bewegen. Er erzielte einen ersten Durchbruch, als es seinen politischen Freunden (und möglicherweise Mentoren) in Teheran gelang, alle Schiiten-Faktionen unter einen Hut zu bringen, und dieser Hut konnte nur jener Malekis sein.
Ein zweiter Durchbruch kam als die kurdische Allianz beschloss auch einzutreten, um mitregieren zu können. Der dritte Durchbruch erfolgte im November, als der Hauptrivale Iyad Allawi (der die meistem Sitze erlangt hatte), sich entschloss, ebenfalls in die Maleki Regierung einzutreten.
Er tat dies wahrscheinlich unter dem Druck seiner Parteimitglieder. Sie wollten Regierungsposten, sogar wenn ihr Parteichef keine Aussicht hatte, Ministerpräsident zu werden. Allawi erhielt einen Trostpreis, bei dessen Erfindung die Amerikaner eine Rolle gespielt haben dürften. Dies ist ein Sicherheitsrat, der noch gegründet werden muss und "wichtige Kompetenzen im Sicherheitsbereich erhalten soll" (welche ist noch offen). Allawi wird diesem Rat vorsitzen. Das Parlament wird die neue Institution noch legal zu verankern haben.
Als diese Übereinkünfte sich Ende November unter Dach befanden, schritt Maleki, endlich, zur eigentlichen Regierungsbildung. Das Parlament trat zusammen und erhielt einen Vorsitzenden aus der Partei Allawis. Als Staatschef wurde der Kurde Jalal Talabani bestätigt, und er erteilte Maleki den Regierungsauftrag.
Doch daraufhin brach ein neues Gerangel aus. Allen "Parteien" oder "Koalitionen von Parteien", denen Ministerposten zugesichert waren, praktisch alle von Gewicht, mussten sich nun entschliessen, welche Personen sie für diese Positionen vorschlagen wollten. Was zu inneren Auseinandersetzungen führte. Manche, darunter auch die Kurden, mussten die Publikation ihrer Kandidatenlisten verzögern, um zuerst innere Streitereien lösen zu können.
Ausserdem stand offen, welche Formation welche Ministerien erhalten werde. Alle begehrten natürlich die wichtigsten, wie Innenministerium, Verteidigungsministerium, Sicherheitsministerium, Erdölministerium.
Eine Regierung mit 13 provisorischen Ministern
Weil Maleki nur bis zum 26. Dezember Zeit hatte, um seinen Regierungsvorschlag vors Parlament zu bringen, schritt er zu einem Kunstgriff. Er beschloss dem Parlament eine Regierung vorzustellen, in der gewisse Ministerien provisorisch besetzt sein würden. Das Verfassungsgericht gab Maleki Grünes Licht, dies sei zulässig.
Doch am Montag zeigte sich, dass das Parlament nicht bereit war, einer solchen unvollständigen Regierung zuzustimmen: Einige Gruppen erklärten, sie würden dies nicht tun, in erster Linie die Anhänger Muqtada Sadrs, die eine Art schiitische Volkspartei bilden.
Ihr Schwerpunkt liegt in den schiitischen Elendsstädten von Bagdad, mit ihren Millionen von Einwohnern, die heute Sadr City genannt werden. Der Grund ist leicht zu verstehen. Die Anhänger Sadrs fürchteten, bei der endgültigen Zuteilung der Ministerportfolios übergangen oder mit geringeren Ministerien abgefertigt zu werden. Am Montag musste die Parlamentssitzung vertagt werden. Eine neue wurde auf Dienstag anberaumt. Überraschend gelang es Maleki und seinen Freunden in der Zwischenzeit, die Bedenken der widerspenstigen Gruppen zu zerstreuen.
Der Ayatollahsohn Muqtada Sadr, das hochverehrte Idol seiner Partei, studiert gegenwärtig in Qom, Iran. Es liegt nahe zu vermuten, dass Teheran sein Gewicht einmal mehr zur Geltung gebracht hatte. Jedenfalls hat darauf am Dienstag das Parlament einer Regierungsliste zugestimmt, die 13 provisorische Minister enthält. Die ganze Regierung wird nicht weniger als 42 umfassen. Unter den 13 praktisch noch offenen, weil nur provisorisch besetzen Ministerien, befinden sich die am meisten begehrten, nämlich diejenigen, welche direkt mit Machtausübung zu tun haben, weil sie die Bewaffneten des Staates zu kontrollieren hätten, Verteidigungs-, Sicherheits- und Innenministerium. Diese drei übernimmt Maleki selbst - provisorisch.
Shahristani befördert
Die Sache mit dem Erdölministerium ist gelöst: der bisherige Erdölminister, Hussain Shahristani, wird nun Vizepräsident mit besonderem Auftrag für Erdölfragen, und sein bisheriger Hauptunterhändler, Abdul Kareem Luaibi, der bisher die Gespräche mit den sich um Ölkonzessionen bewerbenden internationalen Gesellschaften, geführt hat, wird Erdölminister. Diese Lösung zeigt, dass Maleki mit seinen Plänen, die Erdölförderung des Iraks rapide zu steigern, so sehr, dass sie jene von Saudi Arabien übertreffe, ernst machen will.
Shahrestani und sein Hauptunterhändler haben in der vorangehenden Maleki-Regierung die ersten Verträge mit internationalen Firmen unter Dach gebracht. Sharistani und seine Fachleute sind aber auch bittere Gegner der kurdischen Ölpolitik. Die Kurden haben nämlich ihrerseits internationale Verträge über kurdische Erdölfelder sowie über Suchkonzessionen in Kurdistan abgeschlossen, und Sharistani hat sie gewarnt, dies sei illegal. Die Kurden bestreiten dies. Klare Normen gibt es nicht, weil die kurdische Autonomie im Prinzip besteht, aber ihre Grenzen und Modalitäten bis heute nicht festgelegt sind.
Die bisherigen Parlamente haben den ganzen umstrittenen Komplex der Autonomiefragen, für Kurden?, für Schiiten im Süden? Bisher nicht angepackt. Die provisorische Verfassung fordert dies. Doch die dort gesetzten Zeitgrenzen wurden bisher immer hinausgeschoben. Man weiss, dass Maleki eher für Zentralisation als für d-Zentralisation der irakischen Regierungskompetenzen eintritt. Schliesslich sitzt er in Bagdad und möchte er schon daher alle Macht dort konzentrieren. Dies ist nur eine der grundlegenden Fragen, welche die neue Regierung zu lösen hätte.
Nun wird innerhalb der Regierung gerungen
Die nächsten Tage oder Wochen müssen nun zur endgültigen Besetzung der offnen Ministerien führen, es sei denn Maleki beschliesst, die provisorischen Inhaber (die er ernannt hat und von denen er selbst der weitaus wichtigste ist) solange wie irgend möglich im Amt zu belassen und die Rivalitäten seiner Koalitionsgruppierungen dazu auszunützen, die provisorischen Minister womöglich in endgültige zu verwandeln. Fest steht, dass das Gerangel, das nun schon neun Monate ausserhalb der Regierung andauert, mit der nun gebildeten "Grossen Koalition" aller Parteien ins Innere der Regierung verschoben wird .Ob die Minister gleichzeitig mit den bevorstehenden fortdauernden Machtintrigen auch werden regieren können, oder ob sie keine Zeit dazu finden, wird die Zukunft erweisen. Zur Zeit kann man schon ereknnen, dass Maleki, der nun Ministerpräsident ist, aber auch gleich alle drei Ministerien mit Waffenträgern "provisorisch" besetzt, Verteidigung, Sicherheit und Innenministerium (d.h.Polizei), in der weitaus stärksten Position vor allen anderen dasteht.