Sieben Lastwagen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) ist es gelungen, Lebensmittel und andere unentbehrliche Hilfsgüter in die südjemenitische Stadt Aden zu transportieren. Das IKRK betont, dass es die Hilfsgüter an beide Konfliktparteien verteilt.
Die Huthis halten praktisch alle Zufahrtstrassen zu Aden besetzt. Schiffe, die Hilfe auf dem Seeweg in die umkämpfte Stadt bringen sollten, wurden immer wieder beschossen, und zwar offenbar von Huthis. Ein Öltanker war am 27. Juni in Flammen aufgegangen.
Tropfen auf den heissen Stein
Das IKRK hofft nun, dass es auch in Zukunft gelingen wird, „in Zusammenarbeit mit beiden Seiten“ Hilfe nach Aden zu bringen. Die jetzt erfolgte erste Lieferung sei nur ein Tropfen auf den heissen Stein und würde nur die dringenden Bedürfnisse von etwa 17‘500 Menschen befriedigen. Aden hatte vor Ausbruch der Kämpfe fast eine Million Bewohner.
Laut Angaben des Roten Kreuzes sind die Lebensmittel in der Stadt rar und unerschwinglich geworden. Ein Gewährsmann aus Aden sagt: Ein Sack Weizen, der früher 23 Dollar gekostet habe (5000 Jemeni Rials) koste nun 70 Dollar oder 15 000 Rials. Die Wasserversorgung ist auf wenige Stellen reduziert, wo die Bewohner unter Gefahren ihre Wasserbehälter füllen. Es fehlt an Elektrizität und Treibstoff.
Kämpfe auch in Taez
Etwa die Hälfte der Bewohner ist aus Aden geflüchtet. Dabei handelt es sich eher um wohlhabende Bürger, solche nämlich, die ein Auto besitzen oder sich ein Taxi leisten können. Der Preis einer Taxifahrt aus der Stadt bis nach Taez hat sich wegen der Risiken, die die Chauffeure eingehen müssen, vervielfacht. Eine solche Fahrt kostete früher 90 Dollar, jetzt sind es 465.
Die ärmere Hälfte der Bewohner bleibt in der Stadt. Doch in
Taez, der nächstgelegenen und drittgrössten Stadt des Landes, finden ebenfalls Kämpfe statt während deren etwa 2000 Gefangene aus einem Gefängnis ausgebrochen sind, unter ihnen offenbar Leute von al-Qaeda.
Für ein unabhängiges Südjemen
In Aden zieht sich die Front zwischen Huthis und Anhängern der in Saudi-Arabien exilierten Hadi-Regierung mitten durch die Stadt. Unterstützt werden die Hadi-Kämpfer von saudi-arabischen Kampfflugzeugen. Soldaten der regulären Armee kämpfen auf beiden Seiten und daher auch gegeneinander.
Zivilisten im Süden haben auf Seiten des Exilpräsidenten zu den Waffen gegriffen, nicht weil sie den geflüchteten Präsidenten unterstützen, sondern weil sie die Huthis loswerden wollen. Ihr Ziel ist es, sich vom nördlichen Teil des Landes zu lösen und wieder einen eigenen südjemenitischen Staat zu errichten.
Doch die Huthis und die mit ihnen verbündeten Teile
der jemenitischen Armee beherrschen weiterhin die Umgebung von Aden und die Zufahrtswege. Mit Raketen beschiessen sie Wohnquartiere. Zum Teil ist es ihnen schon gelungen, in die Stadt selbst vorzudringen. Wenn sie von Kampfflugzeugen der von Saudi-Arabien geführten Koalition angegriffen werden, ist es fast unvermeidlich, dass dann auch zivile Ziele getroffen werden.
Dengue - gefährlich wie Raketen
Doch die Huthis sind nicht der einzige Feind. Geflohene Zivilisten erklären, sie fürchteten das Dengue-Fieber fast noch mehr als die Bomben und Raketen.
Dengue ist - ähnlich wie Malaria - eine von Insekten verbreitete Infektion. Die Mücken brüten mit Vorliebe in offenen Wasserbehältern und Pfützen in der Nähe von Menschen. Pfützen entstehen durch zerstörte Wasserleitungen. Die verbleibenden Gesundheitsbehörden in Aden sagen, sie rechneten damit, dass etwa 8‘000 Menschen erkrankt sind. Täglich kämen 150 dazu und jeden Tag gebe es ein Dutzend Dengue-Tote. Vor allem Kinder sind gefährdet. Die Spitäler sind überfüllt und teilweise nicht mehr funktionsfähig, weil ihnen Strom und Wasser fehlen.
Saada fast völlig zerstört
Noch schwerer als in Aden sind offenbar die Zerstörungen in Saada, der nordjemenitischen Heimatstadt der Huthis. Dort gibt es offenbar nur wenige Häuser, die nicht zerstört sind. Dennoch gelingt es den Huthis nach wie vor, einige grenznahe Siedlungen auf der saudischen Seite mit Raketen zu beschiessen. Dabei sind Grenzwächter und Wachsoldanten getötet worden.
Vor allem die jemenitische Zivilbevölkerung ist es, die unter den nächtlichen Bombardierungen der saudischen Kampfflugzeuge leidet. Die Zivilisten sind mehr betroffen als die Huthis und ihre Verbündeten.
Die Bombardierungen, die nun seit über drei Monaten andauern, haben die Huthis bisher nicht in die Knie gezwungen. Ihre Kampfstärke scheint ungebrochen.
Verhandelt Saudi-Arabien mit Israel
Hilfsorganisationen und die USA befürworten eine 14-tägige "humanirätre Feuerpause". Doch die Amerikaner haben in der saudischen Hauptstadt Riad an Einfluss verloren.
Angesichts der - noch nicht abgeschlossenen, aber offenbar fortschreitenden - Verhandlungen der USA mit Iran, fühlen sich die
Saudis von ihrem amerikanischen Verbündeten in Stich gelassen. Dies hat offenbar sogar dazu geführt, dass es zur Zeit eine diskrete Zusammenarbeit zwischen Saudi-Arabien und Israel gibt, weil beide Regierungen Iran als Hauptfeind einstufen. Ob bereits über atomare Fragen gesprochen wird, ist ungewiss. Die Saudis hätten natürlich auch die Möglichkeit, mit Pakistan über eine atomare Bewaffnung zu verhandeln.