Bis Montagvormittag war gerätselt worden, wer von den beiden ins Rennen um die Kanzlerkandidatur gehen soll. Nichts, aber auch gar nichts war an die Öffentlichkeit gedrungen. Baerbock und Habeck hatten den Entscheid im Alleingang getroffen, ohne die übrigen Parteimitglieder miteinzubeziehen.
Die Spannung war deshalb umso grösser, als die beiden am Montagvormittag um 11.00 Uhr in Berlin vor die Medien traten.
Nach kurzen Einführungsworten gab Habeck den Entscheid bekannt. Annalena sei „eine kämpferische, fokussierte, willensstarke Frau“, sagte er. Er betonte, dass der Entscheid im Einvernehmen gefallen sei. „Am Ende kann es nur eine machen“, sagte er. Er selbst werde seine Regierungserfahrung nutzen, um die Partei auf die Regierungsverantwortung vorzubereiten.
„Für den Status Quo stehen andere“
In Schleswig-Holstein hatte Habeck Exekutiverfahrung gesammelt. Er war Agrar- und Umweltminister und stellvertretender Ministerpräsident. Im Gegensatz zu ihm hat Baerbock keine Exekutiverfahrung. Dies war ihr von Kritikern vorgeworfen worden. Sie konterte den Vorwurf so: „Ja ich war noch nie Kanzlerin, ich war noch nie Ministerin. Ich trete an für Erneuerung. Für den Status quo stehen andere. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieses Land einen Neuanfang braucht.“
Mit der Kanzlerkandidatur beginne nun ein neues Kapitel für die Grünen. Sie habe eine klare Vorstellung davon, wie sie eine Kanzlerschaft gestalten wolle.
Den endgültigen Entscheid, wer für die Grünen ins Rennen um die Kanzlerkandidatur geht, fällt der Parteitag, der vom 11. bis 13. Juni stattfindet. Die Zustimmung gilt als Formsache.
Politikwissenschaft, Völkerrecht
Baerbock wurde am 15. Dezember 1980 in Hannover geboren. Sie ist mit einem PR-Fachmann verheiratet und hat zwei Töchter. Sie ist evangelisch-lutherischer Konfession.
Von 2012 bis 2015 war sie Mitglied des Parteirats von Bündnis 90/Die Grünen und von 2009 bis 2013 Vorsitzende des Landesverbandes Brandenburg.
Von 2000 bis 2004 studierte sie Politikwissenschaft und öffentliches Recht an der Universität Hamburg, später von 2004 bis 2005 Völkerrecht an der London School of Economocs and Political Science. Ihr Studium schloss sie mit einem „Master in Public International Law“ (LL.M.) ab.
Grüner Höhenflug
Die deutschen Grünen konnten in jüngster Zeit etliche Wahlerfolge verbuchen. In den Meinungsumfragen sind sie inzwischen zur zweitstärksten Partei in Deutschland geworden. Sie hoffen nach der Bundestagswahl im September eine Koalitionsregierung anführen zu können.
Laut einer am Sonntag veröffentlichten Emnid-Umfrage kommen die Grünen auf 22 Prozent der Stimmen, die CDU auf 29 Prozent, die SPD auf 15 Prozent, die FDP auf 9 Prozent und die Linke auf 8 Prozent.
Die Partei hofft, dass sie vom Machtkampf innerhalb der CDU/CSU weiter profitieren kann. Wer auch immer Kanzlerkandidat der Union werden wird: er geht arg beschädigt in den Wahlkampf.
Die Bundestagswahlen finden am 26. September statt.
(J21)