Dans ce bassin où jouent des enfants aux yeux noirs,
il y a trois continents et des siècles d’histoire,
des prophètes, des dieux, le Messie en personne.
Il ya a un bel été qui ne craint pas l’automne,
en Méditerranée.
Dans ce bassin je jouais lorsque j‘étais enfant.
J’avais les pieds dans l’eau, je respirais le vent.
Mes compagnons de jeux sont devenus des hommes,
les frères de ceux-là que le monde abandonne,
en Méditerranée
Das Mittelmeer: Ein sonniges Becken, wo sich drei Kontinente begegnen. Wo Propheten, Götter und der Messias wohnten. Das Mittelmeer, ein Sommer, der keine Furcht hat vor dem Herbst.
Idol und Kulturheiliger
„En méditerranée“ ist eines der bekanntesten Lieder des vorgestern verstorbenen Georges Moustaki. Ein Stück weit sicher ein autobiographisches Lied. Moustaki kam in Alexandria auf die Welt, erlebte seine Kindheit in der uralten Hafenstadt an der ägyptischen Mittelmeerküste, einer Stadt, die wie kaum eine andere Schmelztiegel der Kulturen war. Und dieses Mestizentum verkörperte er in seiner Person: ein ägyptischer Grieche mit jüdischen Wurzeln, der nach Frankreich ging, um dort einen Job zu suchen und zu bleiben.
Moustaki war der Sänger des einfachen Lebens. Eines Lebens in Friedfertigkeit und bacchantischer Heiterkeit. Vielleicht gibt es kein besseres Wort als das französische „sérénité“, um den Stil dieses bärtigen, mediterranen Dichters und Sängers zu beschreiben. Ich kenne keinen Chansonnnier, der den Lebensstil der Hippies so perfekt verkörperte wie Moustaki. Seine rauchige, dunkle Stimme tönte in den siebziger Jahren aus jedem Zimmer der Studentenwohnheime in Frankreich, aber auch ennet der Grenze in Deutschland. Kein französischer Liedermacher war so oft auf Tournée in Deutschland wie Moustaki. Er war ein Idol und ein Kulturheiliger im Land des einstigen Erbfeindes. Im luftigen Deux Chevaux krächzte der kleine Kassetten-Rekorder, und wir sangen die Lieder mit, die unser Glaubensbekenntnis waren:
„Nous prendrons le temps de vivre, d’être libre, mon amour.
Sans projets et sans habitudes, nous pourront rêver notre vie….
Viens, écoute ces mots qui vibrent sur les murs du mois de mai.
Ils nous disent la certitude que tout peut changer un jour.“
Lebenserfahrung und Weisheit
Moustaki hatte eine sehr männliche Stimme, aber sie war sanft, sie war nie aggressiv. Der sehr früh ergraute Mann mit der wilden Mähne war kein Revoluzzer, er war nicht der 68er Typ, der auf die Barrikaden ging. In dieser Perspektive war er das Kontrastbild der Megaphon-bewaffneten Studentenführer, die ihre Parolen über das Campus brüllten. Moustaki sang statt dessen von der Liebe und von der Trauer über ihre Begrenzheit: „Les amours finissent un jour, les amants ne s’aiment qu’un temps….“ Texte, aus denen eine philosophische Melancholie spricht, da ist einer der die Fatalität der Zeitlichkeit akzeptiert hat.
Aus seinen Liedern sprach eine Art von Lebenserfahrung und Weisheit, die selbst diejenigen beeindrucken musste, die unter starkem Einfluss von Beaujolais allabendlich die Weltrevolution mit der Maschinenpistole machen wollten und tränenden Auges das „Diario Boliviano“ des Che Guevara lasen.
Hart arbeitender Liedermacher
Moustaki war ein Chansonnier von hohem Niveau, seine Texte sind von verblüffender Klarheit und Einfachheit und dennoch von poetischer Dichte. Er war kein Popstar, und jedes Glamour-Getue war ihm zuwider. Das hat natürlich seine eigene Dialektik, denn als hart arbeitender professioneller Liedermacher wusste er sehr wohl, was in den sechziger und siebziger Jahren angesagt und gefragt war. Sein Territorium war die Rive gauche, er arbeitete mit Edith Piaf, mit Yves Montand, Juliette Gréco, Serge Reggiani, Barbara und anderen.
Aber Moustaki war kein Jacques Brel, er war kein Georges Brassens. Moustaki war im Grunde kein Intellektueller oder wenn ja, dann war er von einer anderen Art Intellektualität als jene beiden Monumental-Figuren. Moustaki hat sich nie durch die Bibliotheken mehrerer Jahrhunderte gelesen und diesen intellektuellen Background fruchtbar gemacht, wie Brassens es tat Und Moustaki hat als Künstler auf der Bühne nie jene existentielle Passion und Brutalität ausleben können, wie es Jacques Brel tat.
„Mon plat pays“
Jacques Brel – meines Erachtens der grösste Chansonnier des 20. Jahrhunderts – war ein Sänger der unangenehmen Wahrheiten. Er hat sich mit der mächtigen politischen Elite in Belgien angelegt, als er sich in „Les flamandes“ über die dumpfe Borniertheit und Plumpheit mancher Flamen mokierte. Er war – herkommend von christlichsozialem Engagement – ein in seiner beissenden Sozialkritik politischer Sänger. Moustaki sang dagegen ein Lied der Gewaltlosigkeit, wie es der Überzeugung der Hippie-Generation entsprach.
Brel sang „Mon plat pays“, das Lied für sein Land Belgien, und ich kenne kein anderes Lied in französischer Sprache, das mit derart gewaltiger poetischer Kraft in wenigen Worten ein Land, eine Landschaft und seine Menschen skizziert.
Eine düstere Prophezeiung
Aber auch Moustaki besang „sein Land“, und dieses Land ist eben kein Land, sondern ein Territorium der Sehnsucht: la Méditerranée. Es ist der Ort der Kindheit, der Ort der Sonne, der Wärme der Träume. Ist es nur das? Pas du tout. Moustaki ist nicht unpolitisch. Er ist kein Lügner einer heilen Welt. Denn die letzten Strophen des Liedes „En mediterranée“ zeigen alles andere als ein Arkadia der Träumer und Romantiker:
Il ya des oliviers qui meurent sous les bombes,
là où est apparue la première colombe.
Des peuples oubliés que la guerre moissonne
Il y a un bel été qui ni craint pas l’automne,
en Méditerranée.
Olivenhaine unter den Bomben, Völker, die der Krieg hinwegrafft. Es klingt wie eine düstere Prophezeiung. Als Moustaki dieses Lied textete, bezog er sich vielleicht auf den Militärputsch in Griechenland, den Sechstagekrieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarn, auf das Spanien unter Franco und andere Konfliktherde rund um das Mittelmeer. Dass eines Tages auch in Syrien Olivenbäume unter dem Artilleriefeuer bersten würden, hatte er damals noch nicht wissen können.