Präsident Putin hat die russischen Militärausgaben für das kommende Jahr auf 126 Milliarden Dollar (13,5 Billionen Rubel) aufgestockt. Damit betragen die Aufwendungen für das Militär 32,5 Prozent der gesamten Staatsausgaben. Das ist Rekord. Mit der Anhebung des Militärbudgets um 28 Milliarden Dollar ist eine ätzende Botschaft verbunden.
Diese Botschaft richtet sich an Donald Trump und den gesamten Westen. Sie lautet: Russland ist mehr denn je bereit, den Krieg weiterzuführen und zu seinen Gunsten zu entscheiden. Und weiter: Moskau wird diktieren, wie es in der Ukraine weitergeht und lässt sich nicht mit schwammigen Waffenstillstands- oder gar Friedensverhandlungen abspeisen.
Trump ist gewarnt.
Während in diesem grössten Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg der Westen um jede Waffe, die den Ukrainern geliefert werden soll, teils monatelang lamentiert wird, wirft Putin alles in den Krieg. Und während mehrere Nato-Staaten das beschlossene Ziel, «zwei Prozent des BIP für die Rüstung», nicht erfüllen, buttert Putin ein Drittel des gesamten Staatshaushaltes in die Armee.
Land gegen Frieden?
In republikanischen Kreisen hatte man gehofft, dass sich Putin zufriedengeben werde, wenn er einige Gebiete in der Ost- und Südukraine zugesprochen erhielte. Dann wäre er, so glaubte man, zu einem Waffenstillstand oder gar zu einem Frieden bereit. Dies ist ein Trugschluss. Er und seine Armee befinden sich klar in einer Position der Stärke. Und in einer solchen gibt man sich nicht mit halben Erfolgen zufrieden. Mit den jetzt beschlossenen zusätzlichen 28 Milliarden wird die russische Armee noch weiter vorrücken und ihre Verhandlungsposition zusätzlich stärken.
Fast an allen Fronten ist die russische Armee auf dem Vormarsch, wenn auch langsam. Jetzt erwartet die Ukraine eine grosse russische Offensive in der russischen Region Kursk. Teile davon waren von ukrainischen Soldaten im Sommer besetzt worden. Russland hat offenbar 50’000 Mann zusammengezogen. Unter ihnen befinden sich, nach Angaben von Präsident Selenskyj, 11’000 Nordkoreaner. Auch schwere nordkoreanische Waffen sollen eingesetzt werden. Ob auf russischer Seite auch jemenitische Huthi-Soldaten an den Kämpfen teilnehmen werden, ist noch nicht bestätigt.
Wladimir der Grosse
Putin will mehr als die Ostukraine, die Südukraine und die Krim. Was will der denn? Er hat nie gesagt, er wolle nur die Ost- und Südukraine; immer hat er den Anspruch auf das ganze Land erhoben. Mehr noch: Manchmal verklausuliert, manchmal offen, lässt er durchblicken, dass er nach der Eroberung der Ukraine nicht haltmachen werde. In den drei baltischen Staaten, in Polen, in Moldawien, in Georgien verfolgt man die Entwicklung mit Sorge.
Der Zerfall der Sowjetunion war für Putin ein Trauma. Er spricht von «Heimholung russischer Erde». Er hat eine Mission; er will Russland zur alten Grösse zurückführen. Er zitiert «Peter den Grossen» (1672–1725), denkt an «Katharina die Grosse» (1729–1796). Er will als «Wladimir der Grosse» in die Geschichte eingehen.
«Frieden durch Stärke»
Trump sagt, er wolle «Frieden durch Stärke» erreichen. Nur: Der Stärkere ist im Moment Putin. General Keith Kellogg, Trumps 80-jähriger Sondergesandter für die Ukraine, hat letzte Woche einige Hinweise gegeben, wie sich Trump eine Regelung im Ukraine-Krieg vorstellen könnte.
Putin hat dies sicher mit Freude zur Kenntnis genommen, denn was die USA da vorschlagen, wirkt hilflos.
Der Plan, den Kellogg skizziert, sieht vor, dass sich die Ukraine zu Verhandlungen mit Putin bereit erklärt. Nur dann würden die USA Kiew weitere Waffen liefern. Anderseits soll Putin mit verstärkten amerikanischen Waffenlieferungen an den Verhandlungstisch gezwungen werden. Ein Nato-Beitritt der Ukraine soll vorerst ausgeschlossen werden.
Demilitarisierte Zone
Mit einem Waffenstillstand sollen die Fronten «einfrieren». Offenbar denkt man in Washington auch über eine demilitarisierte Zone zwischen dem russischen und dem ukrainischen Einflussgebiet nach. Sollte Putin dazu bereit sein, würden die USA einige der Sanktionen gegen Russland lockern und nach einem Friedensvertrag ganz aufheben.
Die Ukraine würde – laut den Skizzen von Kellogg – nicht aufgefordert, die Rückeroberung der besetzten Gebiete aufzugeben, aber sie würde sich bereit erklären, dies allein auf diplomatischem Wege zu erreichen. Zudem würden die USA die Ukraine so weit bewaffnen, dass sie sich selbst verteidigen und weitere russische Vorstösse abwehren kann.
Und wenn Putin Nein sagt …
Und was geschieht, wenn Putin einfach Nein zu den Vorschlägen sagt und weiter Krieg führt? Kurz bevor man die Ziellinie erreicht hat, lässt man sich nicht in auf mühsame Verhandlungen ein. Kelloggs Plan hat mehrere Haken. Um Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen, wollen die USA die Ukraine weiter aufrüsten, mehr schlagkräftige Waffen liefern – mehr als bisher vielleicht. Soll also der Krieg weitergeführt werden, obwohl Trump versprach, ihn in kurzer Zeit zu beenden? Seit längerem haben sich die Republikaner gegen Waffenlieferungen an die Ukraine gewehrt. Ist nun Trump plötzlich zu einer völlig anderen Politik bereit? Wäre dies nicht ein tiefgreifender Paradigmenwechsel?
Ausserdem: Eine entmilitarisierte Zone müsste überwacht werden, wobei möglicherweise Nato-Truppen oder Soldaten aus bündnisfreien Staaten zum Einsatz kämen. Doch Putin will sicher keine Nato-Soldaten auf ukrainischem Gebiet. Ausserdem wäre die Grenze zwischen den beiden Einflussgebieten hunderte Kilometer lang und kaum zu überwachen.
200’000 tote russische Soldaten?
Die USA hoffen auf ein russisches Entgegenkommen, weil auch Russland mehr und mehr unter dem Krieg leidet. Zwar verfügen die Russen über mehr Waffen, mehr Munition und mehr Personal –, aber die Belastung für die Wirtschaft und Bevölkerung wächst. Die Wirtschaft zeigt Anzeichen einer Überhitzung: Die Inflation ist hoch, und die Unternehmen haben mit Arbeitskräftemangel zu kämpfen. In dem Versuch, die Situation unter Kontrolle zu bringen, hat die russische Zentralbank im Oktober die Zinssätze auf 21 % erhöht, den höchsten Stand seit Jahrzehnten.
Ausserdem erleidet Russland erhebliche Verluste auf dem Schlachtfeld. Nach Angaben russischer Blogger hat die russische Armee in der Ukraine etwa 200’000 Soldaten verloren. Überprüfen lässt sich das nicht. Andere Quellen sprechen von 150’000 bis 500’000 Toten und fast einer Million Verwundeten. Das scheint übertrieben. Vor allem die letzten Tage sollen extrem verlustreich gewesen sein. Die Rekrutierung neuer Truppen ist für Putin ein Problem. Als das russische Militär das letzte Mal eine Teilmobilisierung durchführte, flohen Hunderttausende Männer ins Ausland.
«Eine wirklich schreckliche Leistung»
Zwar macht die russische Armee auf dem Schlachtfeld langsame, stetige Fortschritte, doch längst nicht alles verläuft nach Plan. George Barros vom renommierten Washingtoner «Institute for the Study of War» (ISW) sagt, die Russen hätten längst nicht alle Ziele erreicht, die sie erreichen wollten. Seit der Einnahme von Avdiivka Anfang 2024 sei es Russland «nur gelungen, etwa 30 bis 40 Kilometer tiefer in das ukrainische Gebiet vorzudringen». «Angesichts der enormen Kosten für das russische Militär ist das ein sehr geringer Fortschritt», so Barros.
Moskau habe in der Region Pokrowsk (bei Donezk) allein im letzten Jahr etwa fünf Divisionen an mechanisiertem Gerät verloren, d. h. viele hundert Panzer und bewaffnete Mannschaftstransporter. «Ein solcher Verlust an Panzern und anderen Mannschaftstransportern im Wert von fünf Divisionen im Laufe eines Jahres bei einem Vormarsch von nur etwa 40 Kilometern ist im Vergleich zu allen anderen grossen mechanisierten Angriffen des 21. Jahrhunderts und sogar im Vergleich zu den grossen Schlachten des Zweiten Weltkriegs … eine wirklich schreckliche Leistung», sagt Barros.
Mit Putin kein Frieden
Kleinste Fortschritte müsse Russland mit enormen Verlusten an Menschen und Material bezahlen, erklärt das ISW. Doch Putin scheint das wenig zu kümmern. Seine Strategie scheint nach wie vor darin zu bestehen, alles in den Kampf zu werfen und die Ukraine langsam zu zermürben. Internationale Verträge kümmern ihn nicht, die Genfer Konventionen schon gar nicht. Menschenleben zählen für ihn nicht, weder ukrainische, noch russische.
Trump könnte sich an der Ukraine schon bald die Zähne ausbeissen. Wie war das schon mit seiner Ankündigung, er werde den Krieg «innerhalb von 24 Stunden» beenden?
In einem scheint General Kelloggs Plan realistisch zu sein. Er räumt ein, dass ein diplomatischer Durchbruch in der Ukraine «wahrscheinlich nicht vor Putins Ausscheiden aus dem Amt eintreten wird». Also: Solange Putin da ist – kein wirklicher Frieden.