Amerika gilt als Paradies der freien Marktwirtschaft. Von diesem Standortvorteil profitieren auch Radio und Fernsehen. Dies erst recht, seit Ronald Reagan 1987 die Fairness Doctrine strich, die elektronische Medien verpflichtet hatte, „ehrlich und ausgewogen“ über Politik zu berichten. Der freie Markt offeriert heute alles, für jede Herkunft, jede Überzeugung und jeden Geschmack. Trotzdem gibt es in den USA noch einen Staatssender, nicht de iure zwar, aber de facto: Fox News, der TV-Nachrichtenkanal im Besitz des konservativen Medienmoguls Rupert Murdoch.
Fox News ist das Gegenteil dessen, was es zu sein vorgibt: „fair and balanced“. Der Sender ist parteiisch und unausgewogen, mit Moderatoren und Kommentatoren, die mit wenigen Ausnahmen Donald Trump höfisch ergeben sind und ungefragt fast allem zustimmen, was das Weisse Haus und seine Parteigänger im Kongress beschliessen. Die Zuneigung ist gegenseitig: Unter allen Anbietern ist Fox News der Lieblingssender des Präsidenten und dem Vernehmen nach der erste Kanal, den er einschaltet, wenn er erwacht.
Ideologische Flexibilität
Donald Trumps Lieblingssendung ist das Morgenmagazin „Fox & Friends“. Die Bewunderung der drei Moderierenden für den Präsidenten kennt weder Grenzen noch Scham. Sie verraten dem „New Yorker“ zufolge eine ideologische Flexibilität, die selbst dem Balletttänzer Michail Barischnikow gut anstehen würde: „‘Fox & Friends‘ zu moderieren ist wie einem Spieler zuzujubeln, der das leere Tor verfehlt hat, umkehrt, um ein Eigentor zu schiessen, und dann in einem Anfall von Trotz vom Platz stürmt und klagt, der Schiedsrichter sei ein Verlierer.“
Von Donald Trump profitiert allerdings nicht nur der Sender Fox News, der 2017 für Rupert Murdoch mehr als 1,5 Milliarden Dollar Gewinn generierte. Auch andere Nachrichtenkanäle wie das zentristische CNN oder die liberale MSNBC haben Einschaltquoten und Einnahmen in die Höhe sausen sehen. Sendet Fox News von rechts, tut MSNBC dies vornehmlich von links und mit ausdrücklicher Sympathie für die demokratische Partei. Eine Moderatorin des Senders, Mika Brzezinski, ist die Tochter des früheren Sicherheitsberaters von Präsident Jimmy Carter.
MSNBC, monieren rechte Kritiker, sei ein Treibhaus progressiver Kritik. Wohl nicht zu Unrecht bemerkte Donald Trump Ende 2017 in einem Interview, dass „Zeitungen, Fernsehen und alle Formen von Medien nach unten sinken werden, wenn ich nicht mehr im Amt bin, denn ohne mich fallen ihre Bewertungen in den Keller“. Unvergessen diesbezüglich die zynische Bemerkung von CBS-CEO Les Moonves, der über die Einschaltquoten, die dank Trump spürbar stiegen, Folgendes sagte: „Es ist vielleicht nicht gut für Amerika, aber es ist verdammt gut für CBS.“
TV als wichtigste Informationsquelle
Laut einer Studie der beiden Professoren Hunt Allcott (Universität New York) und Matthew Gentzkow (Universität Stanford) geben in Amerika 57 Prozent aller Erwachsenen an, bei den Wahlen 2016 sei das Fernsehen ihre wichtigste Informationsquelle gewesen. Lediglich 14 Prozent der Befragten sagten das von den Sozialen Medien. Gemäss einer Untersuchung der National Academy of Sciences war Donald Trump unter jenen Schichten der Bevölkerung am beliebtesten, die am wenigsten wahrscheinlich in sozialen Netzwerken unterwegs sind.
Derweil ist der Nachrichtenkanal CNN das bevorzugte Objekt präsidialen Zorns. Vor allem ärgert Donald Trump, dass Fox News im Ausland nicht so verbreitet ist wie CNN: „Fox News ist VIEL wichtiger in den Vereinigten Staaten als CNN, aber ausserhalb der USA ist CNN International nach wie vor eine wichtige Quelle von (Fake) News und sie verkörpern unsere Nation vor der WELT sehr schlecht“, twitterte der Präsident am 25. November 2017 nachts um 11.37 Uhr – ein Tweet, der CNN zur Antwort veranlasste: „Es ist nicht Aufgabe von CNN, die USA weltweit zu repräsentieren. Das ist Ihr Job. Unser Job ist es, News zu berichten.“
Zwar gibt es in Amerika eine staatliche Institution, die sich um öffentliches Radio und Fernsehen kümmert. Doch die Mittel der 1967 gegründeten Corporation für Public Broadcasting (CPB) sind im Vergleich zu jenen der Privaten minim und sie sollen, wenn es nach dem Willen von Donald Trump geht, bis in zwei Jahren zu fliessen aufhören. Zumindest sieht das der neue Budgetentwurf des Weissen Hauses vor.
Kein Leistungsauftrag für Private
Die CPB, die sich selbst als „eines von Amerikas besten Investments“ sieht, verfügt jährlich über 445 Mio. Dollar, die annähernd hälftig dem öffentlichen Radio NPR (National Public Radio) sowie dem öffentlichen Fernsehen PBS (Public Broadcasting System) zukommen. Der Auftrag der beiden Institutionen ist es, hochwertige Programme in den Bereichen Information, Erziehung und Kultur zu machen. Private Sender dagegen kennen keinen Leistungsauftrag – es sei denn jenen, einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen, indem sie den kleinsten gemeinsamen Geschmacksnenner des Publikums treffen.
Ein TV-Werbespot von 30 Sekunden Dauer kostete während der jüngsten Super Bowl in Minneapolis zwischen den New England Patriots und den Philadelphia Eagles 5 Mio. Dollar. Das 60-minütige Football-Spiel, dank einer gigantischen Halbzeit-Show auf über zwei Stunden ausgewalzt, bescherte dem übertragenden Fernsehsender Fox Einnahmen in der Höhe von 419 Mio. Dollar – mehr als das Bruttosozialeinkommen von Mini-Staaten wie Anguilla oder Kiribati.
Von den 445 Mio. Dollar, welche die CPB an NPR und PBS verteilt, kann keiner der lokalen Partner überleben, die sich den beiden nationalen Institutionen angeschlossen haben. Um die nötigen Finanzen zu generieren, sind die öffentlichen Radio- und Fernsehsender auf Mitgliederbeiträge und Spenden angewiesen. Diese müssen jeweils mittels aufwändiger Aktionen (man denke etwa an den Spendenaufruf „Jeder Rappen zählt“) zusammengebettelt werden.
Radio WAMU, der lokale Partner von NPR in Washington D. C., verfügt gemäss Angaben der NZZ über jährliche Gesamteinnahmen von 25 Millionen Dollar. Dabei stammen über 50 Prozent oder knapp 13 Mio. Dollar der Erträge aus Mitgliederbeiträgen und Spenden, während Zuwendungen von Sponsoren mit knapp 10 Mio. Dollar zu Buch schlagen. Die staatliche CPB steuert lediglich 1,2 Mio. Dollar oder 5 Prozent der Einnahmen zu. Eine knappe Million bringt Programm- oder Technologiekooperation mit NPR ein.
„Ein unendlich langweiliges Angebot“
Dafür liefert WAMU hochwertige Informationsprogramme wie frühmorgens die Sendung „Morning Edition“ oder am späten Nachmittag „All Things Considered“. Es sind Sendungen, auf deren Input kaum ein Washingtoner Korrespondent verzichtet und deren Konsum rasch Teil des täglichen Arbeitsrituals wird, ähnlich wie die abendliche „News Hour“ oder die Dokumentarsendung „Frontline“ von PBS. Ein herber Verlust für NPR und seine lokale Partner war Ende November der Abgang des äusserst populären Mitarbeiters Garrison Keillor. Minnesota Public Radio (MPR) entliess den 75-Jährigen wegen Vorwürfen wiederholter sexueller Belästigung. Keillor hatte die beliebte wöchentliche Radioshow „A Prarie Home Companion“ kreiert und zwischen 1974 und 2016 live moderiert.
Was die Qualität des kommerziellen Rundfunks in Amerika betrifft, so ist an den Auftritt zu erinnern, den Newton N. Minow, Chef der Federal Communications Commission (FCC), am 9. Mai 1961 vor der National Association of Broadcasters in Washington D. C. hatte. Minow liess das Publikum wissen, dass er das „ehrenhafte Metier“ von Fernsehleuten respektiere und bewundere. Trotzdem frage er sich, ob das Medium noch dem öffentlichen Interesse diene. „Wenn das Fernsehen gut ist, ist nichts besser – weder Theater noch Magazine oder Zeitungen“, sagte der FCC-Chef: „Wenn das Fernsehen aber schlecht ist, gibt es nichts Schlechteres.“
Anspruchsvollere Spartensender
Wer einen Tag lang ununterbrochen fernsehe, werde, argumentierte Minow, ein „weites Ödland“ wahrnehmen: „Sie werden eine Reihe von Spielshows, gleich gestrickte Komödien über total unglaubwürdige Familien, Blut und Donner, Chaos, Gewalt, Sadismus, Morde, gute Cowboys, schlechte Cowboys, Privatdetektive, Gangster, noch mehr Gewalt, und Trickfilme sehen.“ Und Werbespots ohne Ende (TV-Sport war Anfang der 60er-Jahre noch nicht so populär wie heute). Schliesslich sei das ganze Programmangebot, mit wenigen Ausnahmen, unendlich langweilig: „Falls Sie glauben, ich übertreibe, versuchen Sie es.“
Newton Minows Einschätzung des amerikanischen Fernsehens als „vast wasteland“, die er 2011 des breiteren Angebots wegen etwas relativierte, ist zum geflügelten Wort geworden. Es dürfte, von Spartensendern wie „National Geographic“ oder „Discovery Channel“ abgesehen, noch heute zutreffen. Obwohl auch Kommerzielle mitunter anspruchsvolle Programme produzieren, wie zum Beispiel CBS das Nachrichtenmagazins „60 Minutes“.
In den Nachrichten lokaler Sender aber dominieren Meldungen über Brände, Unglücksfälle, Verbrechen, Sport und Wetter. Das nationale politische Umfeld, geschweige denn das globale Geschehen, wird nur selten wahrgenommen. „If it bleeds, it leads“, diktiert die Nachrichtenhierarchie: „Was blutet, kommt zuerst.“
Talk Radio als politisches Sprachrohr
Eine Besonderheit des kommerziellen Radios in Amerika ist „Talk Radio“, das erstmals in den 1920er-Jahren als politisches Diskussionsforum auftauchte. Dank Talk Radio erreichte Radiopriester Father James Coughlin, ein Faschist und Antisemit, schon in den 30er-Jahren Millionen von Zuhörerinnern und Zuhörern. Der begnadete Demagoge gilt als Vorläufer von konservativen Radiokommentatoren wie Rush Limbaugh, Glenn Beck oder Sean Hannity, die unbehindert von der Fairness Doctrine ihre teils extremen politischen Überzeugungen propagieren und politische Gegner verteufeln. Bevorzugte Ziele ihrer Häme sind in jüngerer Zeit Hillary Clinton, Ex-Präsident Barack Obama und selbst George W. Bush gewesen.
Ähnlich scharf, wenn auch weniger einflussreich, polemisieren auf der andern Seite des politischen Spektrums liberale Kommentatoren wie Bill Press, Alan Colmes oder Mike Malloy. Laut einer Umfrage von Pew Research schalteten 2004 rund 17 Prozent der amerikanischen Bevölkerung regelmässig Talk Radio ein. Dessen Zuhörerschaft ist überwiegend männlich, mittleren Alters und konservativ. 41 Prozent der regelmässigen Zuhörer sind Republikaner, 28 Prozent Demokraten.
Noch allerdings regt sich Widerstand auch in den Reihen kommerzieller Anbieter gegen die Instrumentalisierung durch die Politik – selbst bei Fox News, das Donald Trump ursprünglich kritisch gegenüberstand, heute aber als Propaganda-Arm des Weissen Hauses gilt. „Es ist unheimlich, ihn (Trump) per Twitter auf ‚Fox & Friends‘ reagieren zu sehen“, zitiert „Vanity Fair“ einen frustrierten Mitarbeiter des Senders: „Wir sind doch kein Staatsfernsehen.“ Der Präsident selbst behauptet, nicht viel Zeit zum Fernsehen zu haben, weil er Unterlagen studieren müsse: „Ich lese häufig Dokumente.“ Das Gegenteil zu behaupten, sagt Donald Trump, sei Fake News.