Federico Fellini las hier die Zeitung. Sophia Loren trank Kaffee. Auch Madonna, Penelope Cruz und Julia Robert. Und selbst Papst Johannes Paul II. soll im Caffè della Pace gefrühstückt haben, sagt die Besitzerin.
Woody Allen drehte hier eine Szene im Film „To Rome with Love“. Zu den Gästen gehörten auch Al Pacino, Monica Bellucci, Mel Gibson und Spike Lee.
Das „Antica Caffè della Pace“ im Herzen von Rom war fast 125 Jahre lang ein Begegnungsort von Politikern und Künstlern, von Schauspielern, Schriftstellern und Modemachern. Jetzt soll es verschwinden.
Der mit Efeu bewachsene Palazzo, direkt hinter der Piazza Navona, gehört der Kirche. Besitzerin ist das „Teutonische Institut Santa Maria dell‘Anima – die deutschsprachige katholische Pfarrgemeinde von Rom.
Santa Maria dell’Anima liegt wenige Schritte vom Café entfernt. Das Institut besitzt mehrere Liegenschaften. Es will nach eigenen Angaben „allen deutschsprachigen Pilgern und Besuchern Rom in der Ewigen Stadt eine Heimat bieten“. Rektor des Instituts ist Franz Xaver Brandmayr. Er muss sich dieser Tage viel Böses anhören.
Aus heiterem Himmel hat das päpstliche Institut dem Caffè della Pace die Kündigung geschickt. Jetzt soll hier ein Hotel gebaut werden. „Wir erwarten täglich, dass wir rausgeschmissen werden“, sagt die junge Frau hinter der Theke. Ein unbekannter Investor hat dem Institut einen sehr lukrativen Mietvertrag über 30 Jahre angeboten.
„Ausgerechnet die Kirche, die mit Millionen und Milliarden aus allen Nähen platzt, zerstört uns dieses Kulturgut“, faucht Federica, die mit ihrer Freundin einen Prosecco schlürft.
Bereits sind fast 30‘000 Unterschriften gegen die Schliessung des Friedenscafés gesammelt worden. Zu den Unterzeichnern gehören Senatoren und Abgeordnete. Doch die Kirche zeigt sich unerbittlich. Herrn Franz Xaver Brandmayr "scheint jedes Fingerspitzengefühl abhanden gekommen zu sein. Er lebt im kirchlichen Elfenbeinturm", schimpft ein alter Römer am Nebentisch und fügt einige wenig jugendfreie Tiraden gegen die katholische Kirche bei.
Atmosphäre des dolce vita
Juristische Schritte gegen die Schliessung blieben erfolglos. Der Römer Bürgermeister Ignazio Marino lud zu einem Gipfeltreffen ein. Einziges Traktandum: Das drohende Ende des „Pace“. Marino betont, „es ist absolut notwendig, die Schliessung des Caffè della Pace zu verhindern“. Der Römer Gemeinderat protestierte gegen die Absicht der Kirche. Ein Sit-in vor dem Café zog Hunderte an, Politiker aller Parteien. Rom verliere mit der Schliessung einen Teil seiner Identität, heisst es.
Das Café mit seiner Strassenterrasse sei nicht nur ein kommerzieller Ort, sondern ein Kulturdenkmal, sagt Giulio Anticoli, der Präsdent der Vereinigung historischer Geschäfte. Es trage zur „grande bellezza“ von Rom bei. Er lade alle ein, im Pace einen Kaffee zu trinken, um „die Atmosphäre des dolce vita zu atmen, die noch immer magisch zwischen den Tischen schwirrt“.
Das historische Café wurde erstmals 1891 erwähnt. Seit 40 Jahren betreibt es die Familie Serafini. Im Lokal wimmelt es von Stilrichtungen: Barock, Rokoko, Liberty. In der Mitte steht eine Art römische Säule. Am Eingang eine uralte Holztheke mit einer alten silbernen Kasse Marke „National“. Überall Figuren und Figürchen aus Zinn, Marmor und Terracotta, vergoldete Bierzapfhähnen, eine riesige Vase mit riesigen Blumen, rosarote und weisse Marmortischchen. Und an der Wand ein Diplom „Locale storico d’Italia“.
Daniela Serafini ist wütend. „Man stelle sich vor, in Paris würde das Café Flore oder das Deux Magots abgerissen. Das gäbe einen Volksaufstand“. Und die junge Frau hinter der Theke fügt lachend bei: „Der Staatspräsident würde wohl gelyncht“.
Inzwischen hat die Nationale KMU-Vereinigung Staatspräsident Giorgio Napolitano um eine Intervention gebeten. Auch der italienische Kulturminister wurde eingeschaltet.
Überhebliche Kirche
Doch das katholische Institut benimmt sich überheblich. Gesprächsangebote lehnt es schnöde ab. Zwar wurde der Mietvertrag schon vor zwei Jahren nicht verlängert. Doch alle im Caffè rechneten damit, dass eine Weiterführung des Betriebs nie in Frage stehe. „Man stellte uns einen neuen Vertrag in Aussicht“, sagt ein Kellner.
„Ich habe die Miete immer pünktlich bezahlt“, erklärt Daniela Serafini. „Mein Mann und ich haben in diesem Institut geheiratet, unsere Kinder sind im Institut getauft worden“. Das bereut sie jetzt. „Ich erwartete nicht, dass ich so schlecht behandelt würde, ich fühle mich gedemütigt“.
Immer vor Weihnachten wird hier ein schöner Brauch zelebriert. Freunde treffen sich und tauschen auf den Tischchen Geschenke aus. Geschiedene Familien finden für einen Moment wieder zusammen. Kinder sehen ihre Väter oder Mütter, die sie nur selten sehen.
Teil der römischen Seele
Das Caffè sei Teil der römischen Seele, sagen die Protestierenden. Doch die Seele hat Rom längst verloren, vor allem rund um die Piazza Navona. Die malerischen Gassen und kleinen Plätze sind zum Tummelplatz für den Billigtourismus verkommen, für Fastfood und schreckliche Souverinshops. Dazwischen einige teure Herbergen. Jetzt kommt eine neue dazu.
Die meisten Römer sind längst diesem Touristenrummel entflohen. Das romantische, nostalgische Rom, das Woody Allen in seinem Film zeigt, gibt es längst nicht mehr.