Nachdem es längere Zeit still war um den Ausbau des Campus Novartis in Basel, wurde das Areal nun mit einem auffälligen Bau ergänzt. Er steht ausserhalb des Firmengeländes und ist frei zugänglich. Im Innern stellt sich der Konzern mit einer technisch aufwändigen Inszenierung vor.
Vittorio Magnago Lampugnani ist der Schöpfer des nach der Jahrtausendwende der Öffentlichkeit vorgestellten Masterplans für den Novartis Campus Basel. Bis zum Weggang des Verwaltungsratspräsidenten Daniel Vasella im Jahre 2013 wurden von weltberühmten Architekturbüros in schneller Abfolge und in Übereinstimmung mit den Vorgaben verschiedene Produktions- und Forschungsstätten errichtet. Im Merian Verlag erschien bis 2015 zu jedem einzelnen Neubau eine eigene Monografie (insgesamt 17), doch danach kam Sand ins Getriebe, und ob die restlichen Parzellen aufgrund des Konzeptes von Lampugnani bespielt werden, ist derzeit unklar, abgesehen davon, dass inzwischen einige Korrekturen vorgenommen wurden.
So hielten sich Herzog & de Meuron bei ihrem bis anhin letzten Campusbau nicht an die maximal erlaubte Höhe von 23 Metern, sondern schufen eine doppelt so hohe Dominante, die nun das linke Rheinufer prägt. Immerhin konnte das Gelände zwischen der Voltastrasse und dem eigentlichen Firmenareal bereinigt werden. Schon 2008 vollendete der Gartenarchitekt Günther Vogt einen abwechslungsreichen Garten mit Wegen, die teilweise in die Gesteinsschicht eingeschnitten sind. Am Rheinufer wurde eine mit Natursteinmauern gesäumte Promenade angelegt. Nun dient das neue Rundgebäude im Garten als eine Art Eingangspforte mit dem Zweck, das Unternehmen und dessen Arbeit vorzustellen. Begleitend dazu veröffentlichte der Christoph Merian Verlag den 18. Band in derselben Aufmachung wie die vorangegangenen Monografien.
Den Pavillon über einem Kreisgrundriss mit einem Durchmesser von 41 Metern projektierte das italienische Büro AMDL Circle & Michele De Lucchi. De Lucchi ist bekannt als virtuoser Gestalter, der die Grenzen zwischen Design und Architektur stets von neuem aufweicht. Berühmt – und hier vor kurzem vorgestellt – ist die Friedensbrücke in Tiflis, die nicht nur ein simpler Übergang ist, sondern mit einer eleganten Überdachung die Blicke auf sich ziehen möchte.
In Basel wird der Kern mit einer sogenannten Medienfassade eingekleidet, welche in der Nacht zum buchstäblichen Leuchtpunkt wird. Die Hülle setzt sich aus Photovoltaikzellen in Rhombenform zusammen, die zusätzlich zum Screen werden. Drei Künstler lieferten Programme, welche die Hülle in bewegte Bilder auflöst. Die Muster knüpfen an das Forschungsumfeld von Novartis an, doch dürfte dies ohne Anleitung kaum unmittelbar lesbar sein. Es geht um den Bezug von Mikro- und Makrokosmos, um Selbstorganisation in biologischen Systemen, um abstrakte Animationen von Klimadaten. Fenster sind einzig im Sockelbereich zu sehen.
Das Gebilde, das über einem Hohlweg gesetzt ist, sodass man unter dem Gebäude hindurchspazieren kann, gleicht einem Gugelhupf. Geometrisch kommt es einem Torus nahe, der horizontal geschnitten ist. Ganz anders präsentiert sich einem das Innere. Erst hier wird deutlich, dass es sich um eine Holzkonstruktion handelt, über welche ein Metallgitter gestülpt wurde. Im Erdgeschoss befinden sich Cafeteria, Sitzungsräume und Nasszellen, im Obergeschoss die permanente Ausstellung, die jedoch nur mit einem Audioguide erkundet werden kann.
Mit unglaublich technischer Raffinesse geben die einzelnen Stationen ihre Inhalte erst beim Durchschreiten preis. Dabei wird die Geschichte des Unternehmens aufgerollt, es wird die derzeitige Arbeit mit Statements von Mitarbeitenden erklärt und es werden in zylinderartigen Nischen Fragen diskutiert, die im Zusammenhang mit der Pharmabranche immer wieder auftauchen. Wie steht es mit den Kosten? Wer hat Zugang zu den Produkten? Welche Versuche sind ethisch verantwortbar? Dies alles wird unter der vollständig mit Holz verkleideten hohen Wölbung inszeniert.
Man darf selbstverständlich nicht erwarten, dass Novartis die in der Öffentlichkeit besonders kontrovers diskutierten Themen selbstkritisch darlegt, dazu ist sie auch nicht verpflichtet. Auf der anderen Seite ist die Grenze zwischen einer Ausstellung, die aufklären soll, und einer aufdringlichen Werbeplattform fliessend. Ein typisches Beispiel ist der Kommentar zum Insektenvernichtungsmittel DDT, das zur Geschichte des Konzerns gehört. Nüchtern werden die Stationen vom flächenmässigen Einsatz des Mittels über erste Bedenken bis zum Verbot erwähnt, doch man vermisst so etwas wie ein Bedauern über die enormen Schäden, die DDT verursacht hat. Insgesamt überwiegt die Botschaft, dass Novartis alles daransetzt, die Welt zu verbessern. Es wird somit die Aufgabe der Begleitpersonen der speziell angesprochenen Schulklassen sein, eine differenzierte Sicht auf die Pharmaindustrie zu ermöglichen.
Andreas Kofler (Hrsg.): Novartis Campus – Pavillon. AMDL Circle & Michele De Lucchi. Christoph Merian Verlag Basel 2022
Fotos © Fabrizio Brentini