In unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs entstand der neue Hauptsitz der Basler Versicherungen. Ein im Christoph-Merian-Verlag erschienenes Buch dokumentiert die Entstehung des aus drei Einheiten bestehenden Komplexes, der nach der Absicht der Auftraggeber explizit als Tor zur Innenstadt zu verstehen ist.
Thema Denkmalschutz
Frei war das zu überbauende Grundstück mitnichten. Besetzt war es vom neunstöckigen Verwaltungsgebäude der Basler Versicherungen aus dem Jahre 1953, entworfen von Hermann Baur, und vom zwanzig Jahre später realisierten Hilton-Hotel, das vom wenig bekannten Fritz Rickenbacher geplant wurde. Selbstverständlich wurde intensiv debattiert, wie man diese beiden Blöcke umnutzen und den neuen Bedürfnissen anpassen könnte. Es waren schliesslich die Kosten, die abschreckten und zum Entscheid führten, beide Gebäude abzureissen und einen Neubeginn ohne Hürden zu wagen.
Das ist als mutig zu werten, denn insbesondere die Werke von Hermann Baur gelten als beachtenswerte Beispiele der vielgelobten Schweizer Nachkriegsmoderne. Auf der anderen Seite sah man nach reiflicher Überlegung ein, dass man mit einem Flickwerk – und etwas anderes wäre nicht möglich gewesen – die sensible Situation vor dem Bahnhof nur verschlimmbessert hätte.
Die oft geübte Praxis, historische Fassaden zu erhalten oder zu rekonstruieren, im Innern aber eine komplette Neugestaltung zu gestatten, führt zu problematischen Lösungen. So etwa beim kürzlich wieder aufgebauten Berliner Schloss. Dessen Fassaden zeigen zwar den Originalzustand, kaschieren im Grunde aber einen bis auf wenige Räume modernen Neubau.
Eine ähnliche Lösung strebt man offensichtlich an beim geplanten Umbau des UBS-Hauptsitzes in Zürich, dessen Fassade denkmalgeschützt ist und im Gegensatz zu den übrigen Teilen nicht verändert werden darf. Da drängt sich die Frage auf, was dies noch mit einem glaubwürdigen Denkmalschutz zu tun hat.
Thema urbanistischer Eingriff
Das für den Hauptsitz der Basler Versicherungen vorgesehene Grundstück befindet sich städtebaulich betrachtet an einem neuralgischen Ort. Die Hauptfront des Bahnhofs rahmt einen grossen Platz ein mit vielen in den Asphalt eingelassenen Schienen für den Tramverkehr. Auf beiden Seiten wird der Raum durch Häuserzeilen begrenzt, wobei hinter der östlichen der 1977 vollendete, knapp 70 Meter hohe BIZ-Turm (Architekt: Martin Burckhardt) mit seinen an einen Kühlturm gemahnenden Konturen herausragt. Es folgt als brutale Zäsur die breite, verkehrsreiche Nauenstrasse, von wo aus die Elisabethenstrasse und der Aeschengraben als bedeutendste Achsen die ehemalige Stadtgrenze mit dem historischen Kern verbinden.
Der Bauplatz auf der östlichen Seite des Aeschengrabens liegt genau an dieser schwierigen Scharnierstelle. Vor zehn Jahren lud die Bauherrschaft die drei Basler Architektenteams Miller&Maranta, Diener&Diener sowie Burckhardt+Partner ein, einen generellen Bebauungsplan vorzuschlagen. Mit der Weiterbearbeitung wurden schliesslich Miller&Maranta beauftragt, die das Grundstück gleichmässig in vier Quadrate aufteilten. Von diesen wurde eines für einen öffentlich zugänglichen Platz frei gelassen, der zugleich den wesentlich grösseren De-Wette-Park zwischen Aeschengraben und Elisabethenstrasse optisch erweiterten sollte.
Auf die übrigen drei Quadrate setzten Miller&Maranta je ein Punkthaus, wovon eines mit einer vorgesehenen Höhe von 90 Metern einen visuellen Bezug zum BIZ-Turm schaffen sollte. Bei der Weiterbearbeitung erhielten Miller&Maranta den Zuschlag für die Planung und Realisierung des höchsten Gebäudes, während für die beiden anderen, nur halb so hohen Blöcke aufgrund eines weiteren Wettbewerbes Diener&Diener sowie Valerio Olgiati mit der Ausführung betraut wurden.
Thema Tor
Die begleitende Baumonografie versteht die Überbauung explizit als neues Tor zur Innenstadt. Es ist allerdings nicht ganz ersichtlich, wie dieses angestrebte Tor genau zu lesen ist. Betrachtet man das 89 Meter hohe Hauptgebäude im Zusammenhang mit dem benachbarten BIZ-Turm, dann stellt sich das Bild eines Tores lediglich auf der West-Ost-Achse ein. Doch in den Kommentaren der beteiligten Architekten und Auftraggeber soll die neue Vertikale das Einfallstor zur Vor- und Innenstadt sein.
Der Laubengang am Aeschengraben soll zudem den Durchgang betonen zwischen dem Bahnhof, der die Besucher und Besucherinnen vor der Stadt sammelt, und dem Zentrum. Basel verlor die mittelalterliche Befestigungsanlage – bis auf wenige Reste – im 19. Jahrhundert. Die neue imaginäre Stadtgrenze erfährt man in der Tat nach dem Verlassen des Bahnhofgebäudes. Ob dabei das Hochhaus von Miller&Maranta als Tor wahrgenommen wird, ist fraglich. Wenn sich eine Assoziation aufdrängt, dann die an einen wehrhaften Turm.
Thema Turm
Die Schweiz ist bis anhin kein fruchtbarer Boden für Hochhäuser, mit Ausnahme von Basel, wo in den letzten Jahren ein regelrechter Wettkampf um das höchste Gebäude der Schweiz entbrannte. Die beeindruckenden Luftaufnahmen in der Monografie zeigen, dass gerade entlang des Schienenstrangs sich die Hochhäuser wie Perlen an einer Kette aneinanderreihen. Die Gruppe beginnt mit dem 2017 vollendeten 78 Meter hohen Grosspeter-Tower von Burckhardt+Partner, setzt sich im 1962 errichteten 68 Meter hohen Lonza-Hochhaus von Suter&Suter fort, findet eine Verdichtung mit dem erwähnten BIZ-Turm und dem neuen Bâloise-Turm und endet mit dem 2012 eröffneten 50 Meter hohen Markthallen-Hochhaus von Diener&Diener.
Der Vollständigkeit halber kann noch das 81 Meter hohe Meret-Oppenheim-Hochhaus auf der anderen Seite des Schienenstranges erwähnt werden. Es wird durchaus zugegeben, dass nicht nur die durch Hochhäuser ermöglichte Verdichtung wichtig war, sondern dass die grossen Konzerne damit Macht und Einfluss ausdrücken wollen, ähnlich wie dies die Adligen mit den Geschlechtertürmen in italienischen Städten wie San Gimignano getan haben.
Droht dabei nicht eine Verspargelung der Stadtlandschaft? Was derzeit auf dem Roche-Areal entsteht, wo demnächst der 205 Meter hohe zweite Turm dem nur knapp niedrigeren Bruder Gesellschaft leisten wird (es ist sogar von einem noch höheren dritten Turm die Rede), verändert die Silhouette von Basel einschneidend – und, wie ich behaupte, nicht zum Besseren.
Thema Architektur
Die Planung von Gebäuden beginnt zwangsläufig mit der Analyse der Raumbedürfnisse, für die passende Hüllen geschaffen werden müssen. Baut man in die Höhe, besteht ein Gebäude üblicherweise aus gleichmässigen horizontalen Schichten. Es gibt immer wieder Versuche, dies rhythmisch aufzubrechen, wie das Meret-Oppenheim-Hochhaus bezeugt. An dieser Stelle wären solche formalen Experimente jedoch zuviel des Guten gewesen.
Der Entscheid, die drei Gebäude von verschiedenen international renommierten Architektenteams ausführen zu lassen, hatte zwangsläufig zur Folge, dass die je eigene Sprache an den Fassaden artikuliert werden musste. Das Vitra-Gelände in Weil am Rhein und der Novartis-Campus sind insgesamt gelungene Beispiele, wie Vertreter der Avantgarde ihre Artefakte modellieren, ohne sich gegenseitig zu stören. Ist dies auch beim Baloise Park gelungen?
Hier bestand die Schwierigkeit, dass die Abstände zwischen den Blöcken minimal ausgefallen sind. Vorgegeben wurde die Verkleidung mit mineralischen Fassaden. Durch die Wahl von weiss eingefärbtem Kunststein für den Miller&Maranta-Turm, von bräunlich eingefärbtem Recycling-Beton für den Block von Olgiati und mit blaugrauem Kunststein für den Block von Diener&Diener ergab sich ein subtiler farblicher Dreiklang.
Miller&Maranta überzogen die Fassaden mit einem gleichmässigen Raster, wobei die vertikalen Streben leicht vorstehen und den Flächen eine verhaltene Plastizität verleihen. Olgiati hingegen schuf mit drei verschiedenen Pfeilern, die an den oberen Ecken so abgeschrägt sind, dass sie ein Dreieck als Spitze zeichnen, eine komplexe Struktur. Dieses Thema wird zudem im engen Innenhof, in den vertikalen Schächten für die Treppen und die technische Versorgung wiederholt und mit einem über drei Geschosse reichenden Einsatz an der nördlichen Ecke monumentalisiert.
Roger Diener nennt als Vorbild für seinen zum Platz gerichteten Verwaltungssitz des Unternehmens den venezianischen Palast Ca’Pesaro. Die Fensteröffnungen verbinden im Sinne einer Kolossalordnung je zwei Geschosse miteinander, was mit auskragenden Platten zusätzlich akzentuiert wird. Zum Platz hin sind die Fenster gebogen, was doch gewöhnungsbedürftig und im Werk von Diener&Diener sonst nicht anzutreffen ist. Irgendwie ist der Verdacht nicht ganz zu beseitigen, dass sich die drei Teams einander im Wege standen.
Im Hotel und Restaurant im Bâloise-Turm trifft man auf den Beitrag des italienischen Architekten Matteo Thun. Dieser hat international mit ambitionierten Hotelanlagen auf sich aufmerksam gemacht, so etwa mit dem Waldhotel Health&Medical Excellence auf dem Bürgenstock. Den Aussenraum ordneten August+Margrith Künzel mit einer einfachen Pflästerung und mehreren Dutzend Bäumen still und subtil dem Erscheinungsbild der drei Hochbauten unter. Als Hinweis auf die bedeutende Kunstsammlung der Bâloise, die in den Innenräumen nach Bedarf gezeigt wird, erwarb man von Thomas Schütte eine Bronzeplastik für den öffentlichen Aussenraum. Anstelle eines Grundsteins stellte Karsten Födinger spezielle Zeitkapseln her. Zudem entwarf er zwei gravierte kupferne Pfeiler, von denen einer in die südliche Fassade des Hauptsitzes integriert ist.
Die Monografie
Die Begleitpublikation ist lesenswert und lesefreundlich. Mit Interviews gibt sie Einblicke ins Denken der am Bâloise Park beteiligten Architekten und Künstler und visualisiert mit schönen Aufnahmen die Einbettung des Clusters ins Stadtbild. Eine grandiose Idee ist das letzte Kapitel, das den Bauarbeitern, Handwerkerinnen und Organisatoren des Vorhabens gewidmet ist. Die Gruppenportraits werden durch die Nennung aller Beteiligten ergänzt. Es sind dies insgesamt nicht weniger als 1750 Namen.
Building the Bâloise Park. Diener&Diener – August+Margrith Künzel – Miller&Maranta – Valerio Olgiati – Thomas Schütte – Matteo Thun. Basel: Christoph Merian Verlag, 2020. ISBN 978-3-85616-928-2. CHF 50.-