Eigentlich hätte es die GLP (Grünliberalen) gar nie geben dürfen, wenn der Freisinn (FDP) seine Aufgaben richtig gemacht hätte, schrieb die NZZ-Kommentatorin diese Woche nach der Nominierung des Aargauer Ständerats Thierry Burkart zum alleinigen Kandidaten für das FDP-Präsidium. Die Kombination aus Grün und Liberal reiche offenbar schon, um ständig neue Wahlerfolge einzuheimsen, heisst es in dem Kommentar weiter.
So einfach ist das indessen nicht. Petra Gössi, die zurücktretende FDP-Parteipräsidentin hat genau diese Kombination versucht – und ist damit gescheitert. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Rechtsfreisinnigen in der eigenen Partei ihren Kurs entweder als «Verrat am Liberalismus» oder als «Anbiederung an die Grünen» oder beides zusammen kritisierten. Sie gehörten zu jenen Agitatoren, die dafür sorgten, dass der schwankende Bundesrat die laufenden Verhandlungen mit der EU über einen Rahmenvertrag selber torpedierte.
Ebenso entschlossen kämpften die rechtsfreisinnigen Abweichler in der Volksabstimmung vom Juni gegen das CO2-Gesetz, das im Parlament nach mühseligen Kompromissverhandlungen zustande gekommen war – und das die FDP-Führung offiziell unterstützte. Nach der Ablehnung dieses Gesetzes hatte Petra Gössi ihren Rücktritt vom Parteivorsitz erklärt.
Jetzt plädiert Therry Burkhart als frisch nominierter Kandidat für das FDP-Präsidium dafür, «das liberale Feuer» in der Partei «wieder zu entfachen». Offenkundig ist das hehre Adjektiv «liberal» ein Gummibegriff, unter dem jeder das versteht, was gerade in seinen ideologischen Raster passt. In den USA ist unter Rechtsrepublikanern vom Schlage Trumps «liberal» seit langem ein Schimpfwort, das so viel wie «sozialistisch» oder «kommunistisch» bedeuten soll. Anscheinend war Petra Gössi nach Ansicht ihrer internen Kritiker auf dem rechten FDP-Flügel zu wenig «liberal» im orthodoxen wirtschaftsliberalen Sinne.
Doch wenn ihr Nachfolger Burkart den angeblich eher linksliberalen Kurs seiner Vorgängerin Gössi nun deutlich in eine dogmatisch rechtsliberale Richtung korrigieren will, so sollte er sich die Warnung des früheren, zu seiner Zeit sehr populären und erfolgreichen FDP-Chefs Franz Steinegger zu Herzen nehmen. In einem langen Gespräch in der NZZ argumentierte Steinegger noch vor Burkharts Nominierung, mit einer völligen Anpassung an die Vorstellungen aus der rechtsfreisinnigen Ecke mit «primitiven Anti-Staats-Reflexen» würden die Freisinnigen «mehr eine liberale Sekte als eine Volkspartei, praktisch bedeutungslos».
Gerne würde man vom nominierten FDP-Chef Burkart auch erfahren, wie er das Kunststück einer glaubwürdigen Aussenpolitik fertigbringen will, wenn er sich einerseits zu einem «überzeugten Befürworter des bilateralen Weges» mit «stabilen Beziehungen zur EU» erklärt, gleichzeitig aber das EU-Rahmenabkommen, das genau diesem Ziel diente, heftig bekämpfte. Sehr lange wird Burkart als neuer FDP-Präsident sein Rezept zur Lösung dieses Widerspruchs – in den sich übrigens auch die SVP und bestimmte Flügel der SP und der Mitte-Partei verwickelt haben – gegenüber der Öffentlichkeit nicht verschweigen können.
Vorerst sieht es ganz danach aus, dass von allen helvetischen Parteien nur die Grünliberalen einigermassen glaubwürdig mit dem zum Erfolgsrezept erklärten Etikett «grün und liberal» plus eine kohärente EU-Politik in die bevorstehenden Wahlkämpfe steigen können. Jene FDP-Wähler und Sympathisanten, die vom Scheitern des EU-Rahmenvertrages und des CO2-Gesetzes bitter enttäuscht sind, werden sich das merken. Die GLP hat deshalb zurzeit einigen Grund, der FDP für die Nominierung von Thierry Burkhart und der sich abzeichnenden Verdünnung des Gössi-grünen Anstrichs dankbar zu sein.
Allerdings, bis zu den nächsten nationalen Parlamentswahlen dauert es noch gut zwei Jahre. Und in dieser Zeit kann selbst in der vergleichsweise stabilen Schweiz allerhand passieren auf dem Feld der parteipolitischen Farben- und Formel-Lehre.