Man mag die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen als eine im Wohlstand degenerierte Vision abtun. Und trotzdem: Es ist eine Verfassungsinitiative, die Teil unserer Grundordnung wird, wenn sie angenommen wird. Wieder eine Initiative, die „zu Diskussionszwecken“ oder „als Kulturimpuls“ eingereicht wurde, ohne dass jemand mit ihrer Annahme rechnet. Ein gefährliches Spiel!
Die Initiative, die von einem unabhängigen Komitee eingereicht wurde, ist radikal, wenn es um die Grundwerte und Grundfesten der Schweiz geht. Jedenfalls radikaler als praktisch alle bekannten Initiativen. Und zynisch auch in einer Zeit, wo vielerorts die Fragilität des Wohlfahrtsstaates sich in einer deutlichen Senkung der Renten, der Bildungsinvestitionen und der Ausgaben für die Gesundheit manifestiert. Da kommt doch die Idee, dass man durch ein „Umverteilungs-Clearing“ jedem ein festes Einkommen garantieren könne, gerade richtig. Ein Einkommen von Fr. 2‘500.-, das weit über dem Verdienst von Menschen liegt, die sich unweit unserer Grenze produktiv einsetzen.
Finanzielle Implikationen
Natürlich haben Bundesrat und Parlament diese Initiative abgelehnt, ohne direkten Gegenentwurf und ohne indirekten Gegenvorschlag. Und dies mit überzeugenden Argumenten. Im Vordergrund stehen finanzielle Erwägungen. Die Initianten reden von einem Monatseinkommen von Fr. 2‘500.- für alle Erwachsenen und Fr. 625.- für Kinder. Das kostet – nach Zahlen der Bundesverwaltung für 2012 – jährlich Fr. 208 Mrd. Dem stehen Einnahmen des Grundeinkommenssystems von Fr. 55 Mrd. aus bestehenden Leistungen der Sozialversicherungen, Fr. 128 Mrd. aus dem Clearing vom Erwerbseinkommen und Fr. 25 Mrd. durch zusätzliche Steuern gegenüber. Die Idee wäre, die bestehenden Sozialversicherungen aufzuheben und vom individuellen Lohn über Fr. 4‘000.- den Betrag von Fr. 2‘500.- ins Grundeinkommenssystem zu „clearen“. Kurzum: Wir sprechen von einer Erhöhung der Staatsquote von 33% auf 59%.
Unwägbare Risiken
Aus gutem Grund erheben sich bei diesem gesellschaftspolitischen Projekt fundamentale Vorbehalte. Die Annahme ist mehr als gerechtfertigt, dass ein so umgebautes System sich als wachstumsfeindlich erweisen, dass das Beschäftigungsvolumen und die Produktivität sinken würden. Das Grundeinkommen hätte einen negativen Arbeitsanreiz, insbesondere auf Tieflohnbezüger, Leute in Teilzeitarbeit – vor allem Frauen – und einen Teil der Jugendlichen. In einer Zeit, wo unsere Sozialversicherungen und die Arbeitsämter alles tun, um die Menschen in den regulären Arbeitsmarkt zu bringen, bewirkt das Grundeinkommen das Gegenteil. Es hat zur Folge, dass unsere auf Integration ausgerichtete Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik konterkariert wird. Die Risiken eines solchen Experiments wären zu hoch, es wäre eine Reise in eine sehr ungewisse Zukunft.
Ohne Arbeit kein Einkommen
Wichtiger als die finanziellen Fallstricke dieser Initiative sind ihre Implikationen auf das Verhältnis von Einkommen und Arbeit. Die Arbeit kommt zuerst, erst dann folgt das Einkommen. Es ist ordnungspolitisch verkehrt, die Rangreihe umzudrehen. Die unentgeltliche staatliche Einkommensübertragung muss subsidiär bleiben und für Menschen reserviert sein, die aus gesundheitlichen Gründen sich kein menschenwürdiges Einkommen verdienen können. Ein für alle gültiges Recht auf bedingungsloses Einkommen kann es nicht geben. Auch die gesellschaftspolitischen Appelle der Initianten sind nicht schlüssig. Geht uns die Arbeit aus? Dieses von profilierungssüchtigen Professoren und Artikelschreibern inszenierte Schreckenszenario wird mitnichten eintreten. Das marktwirtschaftliche System hat alle Arten von technologischen „Revolutionen“ überstanden. Vom mechanischen Webstuhl zum Computer, von der Internetübertragung zum Natel. Und noch nie war die Beschäftigung so hoch wie heute. An Techniken wie „Industrie 4.0“, „Cloud Computing“ oder „3D-Drucker“ werden wir uns anpassen müssen. Aber dies wird mit Sicherheit gelingen, wenn wir – weiterhin – den Arbeitsmarkt als Markt spielen lassen.
Und ebenso realitätsfern ist die Idee, dass nur glücklich sei, wer nicht zur Arbeit verdammt werde. Das stimmt nur für Menschen, die nicht arbeiten wollen, obwohl sie könnten. Für die meisten ist Arbeit eine Quelle der Selbstachtung und Erfüllung. Vielleicht tun sie dies als Hobby, wenn sie Glück haben. Normalerweise aber, um sich und ihre Familien durchzubringen und nicht vom Staat abhängig zu sein. Das ist die bessere, freiheitlichere Attitude – als auf den staatlichen Umverteilungscheck von Fr. 2‘500.- zu warten.
Daher ein Nein zur „Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen“.