Der 39-jährige Emmanuel Macron führt mit der älteren Marine Le Pen die schwankenden Umfragen zur Präsidentenwahl an. Die erste Runde zwischen elf (!) Kandidaten findet am 23. April statt. Egal wie es ausgeht: Macron ist zu einem medialen Phänomen geworden, das dem kritischen französischen „esprit“ widerspricht. Le Pen ist die populistische Verzweiflung, Macron die Jahrhundert-Versöhnung zwischen Sozialismus und Kapitalismus, einmal mehr.
Der Publizist Franz-Olivier Giesbert hat von einem seiner deutschen Vorfahren den Vornamen und die kitschige Romantik geerbt, von seiner Mutter die Mystik. Er nennt Macrons „grosse sanfte Augen“. An Wahlversammlungen sei das Publikum geblendet von seiner „Erscheinung“. Macron ist für ihn aber auch ein heidnischer „Sohn der Sonne und des Windes mit dem erdigen Geruch von Erde und Heu“. Zuviel Ehre für den parisianischen Eliteschüler, Bankier und Minister von Hollandes Gnaden. Auch für den sozialistischen Stararchitekten Roland Castro, 76-jährig, ist Macron (politisch) Liebe auf den ersten Blick, weil eine „unschuldige“ Mischung von Politiker und Poet. Macron ist weder noch.
Andere bewundern seinen „Charme“ und seine „Kühnheit“ und vergleichen ihn deshalb mit dem König Heinrich IV. („ein Suppenhuhn für jede Familie am Sonntag“) oder gar Bonaparte. Das ist wiederum nicht so abwegig, da Macron selbst das Ende der Monarchie bedauert. Man vergleicht ihn sogar modisch mit Obama, sorry for him. Macron will vorläufig selbst nicht zum „System“ gehören, dem er entstammt. Wer will das noch?
Sein Lieblingswort ist „au même temps“, gleichzeitig. Damit kann er alles harmonisch verbinden: seinen Neoliberalismus, seine biografisch kurzlebige Sozialdemokratie, die politische „Mitte“ und sein vorgebliches Christentum. Aber das sind in Frankreich ohnehin seit langem verdächtige Begriffe. Macron kommt aus einer Wundertüte für Schwiegermütter. Man weiss nicht oder nur zu gut, wer ihn unterstützt, erfahren wird man es erst nach der Wahl. Aber eine Gefahr für die Demokratie ist er nicht.