Bis Mitte 2014 sollen die gesamten Bestände unter internationaler Kontrolle vernichtet oder ausser Landes gebracht werden.
Auf diese Massnahmen haben sich US-Aussenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow am Samstag nach dreitägigen harten Verhandlungen in Genf geeinigt. Die Russen haben sich in einem Punkt durchgesetzt: Die USA nehmen ihre Androhung eines Militärschlags zurück. Für den Fall, dass die syrische Regierung die Forderungen nicht erfüllt oder die internationalen Inspektionen behindert, soll der Weltsicherheitsrat Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängen.
"Das gleiche Pferd zweimal kaufen"
Solche Sanktionen müssen aber einzeln vom Sicherheitsrat beschlossen werden, wobei Russland erneut von seinem Vetorecht Gebrauch machen kann. ,,In dem Papier steht nichts über den Einsatz militärischer Gewalt oder irgendwelche automatischen Sanktionen", erläuterte Lawrow. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Sicherheitsrat in der Syrienfrage bald erneut blockiert ist. Das erinnert an den berühmten amerikanische Spitzendiplomaten Averell Harriman (1891-1986), der einmal sagte: ,,Mit den Russen verhandeln, heisst das gleiche Pferd zweimal kaufen."
Jetzt müssen die 15 Mitglieder des Weltsicherheitsrats zuerst einmal eine Resolution zustande bringen, die das Genfer Übereinkommen formalisiert. Kerry und Lawrow nennen ihre Vereinbarung schlicht eine ,,gemeinsame Einschätzung". Diese sieht vor, dass ein internationales Inspektorenteam in sechs Wochen in Syrien eintrifft und bis Ende November die Richtigkeit der syrischen Angaben überprüft. Dann soll die Zerstörung der chemischen Waffen und ihrer Fabriken beginnen.
"Keine Spiele, kein Raum für Ausweichmanöver"
Die USA lassen sich eine Hintertür für eine begrenzte Militäraktion offen, indem sie die geplante Resolution des Sicherheitsrats unter das Kapitel VII der UNO-Charta stellen wollen, das für den Fall der Bedrohung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit Zwangsmassnahmen erlaubt. Die Russen haben diesen Wunsch Washingtons offenbar mit der Einschränkung akzeptiert, dass über jeden Schritt abgestimmt werden muss. ,,Die Anwendung des Kapitels VII hat ihre Grenzen", erklärte Lawrow am Samstag in Genf.
Kerry will von einer solchen Grauzone nichts wissen. Nach seinen Worten gibt es in der Vereinbarung mit den Russen ,,keine Spiele, kein Raum für Ausweichsmanöver und nichts weniger als die volle Fügsamkeit des Assad-Regimes".
Nächste Woche eine UNO-Resolution?
Syriens Präsident Baschar al-Assad hat diese Woche der UNO den Beitritt seines Landes zur 1993 abgeschlossenen und 1997 in Kraft getretenen C-Waffen-Konvention mitgeteilt. Dieser weltweite Vertrag verbietet die Anwendung, Herstellung und Lagerung chemischer Kampfstoffe. Im Moment prüfen die Juristen der UNO noch, ob der Brief aus Damaskus den diplomatischen Regeln entspricht. So ist nicht klar, ob es sich um eine Absichtserklärung, die Unterzeichnung, die Ratifizierung oder alles zusammen handelt. Man will al-Assad keine Möglichkeit lassen, sein aus der Not geborenes Zugeständnis irgendwann zu widerrufen.
Das diplomatische Karussell dreht sich jetzt mit voller Geschwindigkeit. Kerry reist von Genf nach Jerusalem weiter, wo er am Sonntag mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu über die Syrienkrise konferieren wird. Am Montag wird der US-Aussenminister in Paris zu Gesprächen mit seinem französischen und britischen Amtskollegen, Laurent Fabius und William Hague, erwartet. Gesondert trifft er in Paris auch den saudi-arabischen Aussenminister Saud al-Faisal. Wenn alles nach Plan verläuft, wird der UNO-Sicherheitsrat nächste Woche eine verbindliche Syrien-Resolution verabschieden.