Die Werbebotschaft ist klar formuliert und springt munter in die Augen: Wer bei Interdiscount bestimmte Kaffeemaschinen kauft, erhält im Wert von 100 Franken Nespresso-Kaffee geschenkt.
Bürokratischer Hürdenlauf
Verführerisch wie bei den Marktschreiern. Für die Salatschleuder zum Preis von Franken 19.90 oder 29.90 gibt es obendrauf gratis einen Sparschäler, ein Rüstmesser, einen Gemüsehobel und ein Schneidebrett. Für die Gaffer mit langer Leitung kommen ein Salzstreuer und – finale Auslösung des Kaufrausches – eine Pfeffermühle dazu. Alles fix in die Hand.
Interdiscount und Nespresso haben von den Marktschreiern gelernt. Nicht ganz deren Grosszügigkeit und ganz und gar nicht deren Ehrlichkeit. Das Kaffeegeschenk hat Haken und Ösen. Das Versprechen ist das Startsignal für einen bürokratischen Hürdenlauf. Über 400 Meter.
Warum so kompliziert?
Es gilt, komplizierte Bedingungen zu studieren und zu verstehen, ein kniffliges Formular auszufüllen und einzureichen, bis zu 14 Werktagen auf die prüfende Bearbeitung im kleinen und deshalb chronisch überlasteten Familienbetrieb Nestlé zu warten, um endlich und im besten Falle des Gunsterweises teilhaftig zu werden, nicht etwa im Gegenwert von 100 Franken kostenlos Kaffeekapseln bestellen zu dürfen, sondern gestaffelt zunächst für 40 Franken, hernach für 30 und im dritten Anlauf für nochmals 30 Franken. Damit die Kundschaft in drei didaktisch schlauen Schritten kapiert, wo genau der Kaffee zu ordern ist, sicher nicht bei einer Konkurrenz.
Wir haben ein paar Mal leer geschluckt und uns dann beim Kaffeehändler in Vevey und beim Discounter in Jegenstorf schriftlich und artig erkundigt, ob ein Geschenk nicht auch umstandslos und schlicht Freude bereitend überreicht werden könnte, im firmeneigenen Interesse frei vom leisesten Verdacht, mit Lockvögeln Käuferinnen und Käufer durch den Kaffee ziehen zu wollen.
Beschwichtigungs-Floskeln
Die Antwortmails beider Kundendienste erwiesen sich als lauwarme Brühe. Sie waren floskelhaft, holperig, nach Duden schief und belegten die kopflose Lektüre unseres Briefes. Auf keinen einzigen unserer Kritikpunkte wurde sachdienlich reagiert. Daran änderten auch Nachfragen nichts. Versprochene Rückrufe stapeln sich seit Tagen in den Tiefen des elektronischen Pendenzenlagers.
Wir lernen, dass der Kunde König ist – bis er bezahlt hat. Unser Anfangsbefund hat sich erhärtet: Beim Geschenk handelt es sich um einen Lockvogel. Die bürokratischen Zumutungen an die Kundschaft sind unerklärbar, aber gewollt.
Glitzernder Tand
Das Kaffeekapsel-Präsent deckt sich mit Walter Benjamin, der meinte, „Gaben müssen den Beschenkten so tief treffen, dass er erschrickt.‟ Von Jean de la Bruyère keine Spur: „Es ist schön, den Augen dessen zu begegnen, dem man soeben etwas geschenkt hat.‟
Die Geschenk-Aktion passt zur kommerzialisierten Adventszeit mit ihrem glitzernden Tand. Trotz aller Klagen dagegen verfehlt er seine kaufbeschleunigende Wirkung nicht. Die Werbung vertraut darauf. Auch unter Missachtung des Obligationenrechts, wonach der Schenkende aus Begünstigungsabsicht eine unentgeltliche Leistung sofort erbringt.
Bitterer Duft
Damit nehmen es Nespresso und Interdiscount nicht nur störend ungenau, sondern schiessen sich auch noch – Strafe muss sein – in die eigenen Kniescheiben. Denn die durchaus legitime Erwartung, die Beschenkten würden aus Dankbarkeit eine besondere Kundentreue entwickeln, dürfte vergeblich sein. Der verbreitete Kaffeeduft sticht streng in die Nase.