Wer es dennoch tut, ist entweder ein Ignorant, Opportunist, Querulant oder hat nicht begriffen, worum es geht.
- Fakt Nummer eins: Das Coronavirus ist gefährlicher als die bisherigen Grippeviren.
- Fakt Nummer zwei: An einer Covid-19-Infektion kann man sterben.
- Fakt Nummer drei: Man kann auch an einer Grippeinfektion sterben.
- Fakt Nummer vier: Im Vergleich zu den fünf letzten Jahren sind bisher (per Ende Juli 2020) in der Schweiz nicht mehr Menschen gestorben, weder in der Gesamtbevölkerung noch in der Altersgruppe 65-jährig und älter. Darin sind alle Todesfälle in Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion inbegriffen.
- Fakt Nummer fünf: Das Schweizer Gesundheitssystem kann nicht mit den Systemen anderer Länder verglichen werden. Unser Gesundheitssystem ist eines der besten weltweit. Die medizinische Grundversorgung ist top. Im Vergleich zu anderen Ländern liegt die Sterblichkeit hospitalisierter Covid-19-Patienten signifikant tiefer.
- Fakt Nummer sechs: Es gibt keine zertifizierten, internationalen Standards für den Vergleich der Fallzahlen. Es darf im Gegenteil angenommen werden, dass die Zahlen nicht immer stimmen, vor allem nicht auf vergleichbaren Grundlagen basieren und entsprechende «Listen» vermehrt politisch und nicht medizinisch begründet und motiviert sind.
- Fakt Nummer sieben: Mehr als neun von zehn Infizierten überstehen eine Covid-19-Infektion ohne wesentliche gesundheitliche Probleme, die meisten ohne wesentliche Symptome.
Zwischen Phase eins und zwei
In Zusammenhang mit der Corona-Situation in der Schweiz stecken wir ja zurzeit zwischen zwei Phasen: die akute, exponentiell sich verschlechternde Phase darf wohl als beendet bezeichnet werden. Die ergriffenen Massnahmen haben dies ermöglicht.
Die nächste kritische Phase wird beginnen, wenn wir uns wetterbedingt wieder vermehrt vor allem in Räumen aufhalten, Menschen an Grippe erkranken, entsprechend husten und niesen. Wir wissen nicht, wie sich dann die Fallzahlen entwickeln werden.
Danach folgt dann irgendwann die dritte Phase: ein Impfstoff ist verfügbar. Wird es ein Impfobligatorium geben? Werden wir dokumentieren müssen, geimpft zu sein? Muss zuhause/draussen bleiben, wer eine Impfung ablehnt? Werden Nicht-Geimpfte entlassen werden, geächtet?
Zu Beginn der Pandemie rechneten besorgte Menschen vor, dass in der Schweiz 80’000 Menschen sterben, wenn die Sterblichkeit nach einer Covid-19-Infektion 1% beträgt und alle Menschen in der Schweiz infiziert sind. Wir wissen bis heute nicht genau, wie hoch die Letalität aufgrund einer Covid-19-Infektion ist. Aktuelle Schätzungen gehen von einem Wert zwischen 0,3 und 0,7% aus. Hauptproblem: Fallzahlen dokumentieren nur die Anzahl Infektionen aufgrund von Messungen. Tatsächlich gibt es viel mehr Fälle, in denen Menschen eine Infektion symptomlos überstanden haben.
0,7% wären immer noch 56’000 Todesfälle, hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung der Schweiz. Eine unverantwortlich hohe Zahl. Warum haben wir aber bis dato insgesamt nicht mehr Todesfälle in der Schweiz im Verhältnis zur Bevölkerung als in den letzten fünf Jahren, auch nicht in der Altersgruppe der 65-jährigen und älteren Menschen? Mit ein Grund dürften die ergriffenen Massnahmen sein: die Alten wurden weggesperrt, wir arbeiteten und arbeiten im Home Office. Wir umarmen uns nicht mehr, wir tanzen nicht mehr, es gibt keine Grossanlässe mehr, zuerst zwei Meter dann 1,5 Meter Mindestabstand (in Österreich gilt 1 Meter). Und so weiter.
Der Mensch ist ein soziales Wesen
Kennen Sie Vilfredo Frederico Pareto? Der italienische Soziologe (1848 bis 1923) gilt als Vertreter der Lausanner Schule der volkswirtschaftlichen Neoklassik. Nach ihm ist das Paretoprinzip benannt, heute bekannt als die 80/20-Regel. Sie besagt, das zur Erreichung von 80% eines Ergebnisses 20% Energie aufgewendet werden müssen. Zur Erreichung der letzten 20% sind 80% der Energie nötig.
Wir bezahlen einen wahnsinnig hohen Preis dafür, diese Pandemie zu überstehen. In der Phase eins (Lockdown) war das sicher richtig und vernünftig und wurde von der Gesellschaft getragen.
Doch nun müssen wir die 80/20-Regel zumindest thematisieren. Denn wir werden im Herbst nicht nur mehr hustende und niesende Menschen erleben, sondern Entlassungen und verzweifelte Menschen sehen. Und wir sind alle gefangen in einer Entwicklung, die wir nur partiell beeinflussen können. Aufgrund der internationalen Vernetzung, der politischen Verhältnisse in den Ländern, wirtschaftlicher und machtspezifischer Interessen sind wir längst in einer Situation angelangt, die nur noch am Rande mit der eigentlichen Virus-Infektion zu tun hat. Und als exportorientiertes Land können wir es uns nicht leisten, international schlecht dazustehen. Es genügt, die Schweiz auf die «Länderliste» zu setzen, und wir stehen unter Zugzwang. Die Fallzahlen müssen runter!
Könnte die Schweiz zum Vorbild werden für andere Gesellschaften? Könnten wir zeigen, dass es möglich ist, die Lebensqualität wieder höher zu gewichten, unser Gesellschaftsleben zu normalisieren? Können wir Kultur, Austausch, sozialer Interaktion mehr Raum geben? Oder müssen wir 100% Schutz anstreben, auch wenn der Aufwand riesig ist, die absehbaren Langzeitschäden materiell und vor allem gesellschaftlich enorm sind, unabsehbar? Der Mensch ist ein soziales Wesen. Können wir es uns leisten, ab März 2020 unser Sozialleben dermassen umzustellen? Haben wir die Energie, die letzten 20% mit aller Konsequenz durchzuziehen?
Jede Krise geht vorbei
Der Epidemiologe Marcel Salathé glaubt, dass auch diese Krise vorbeigehe (Interview im «Blick» vom 10. August). Jede Krise geht vorbei. Das war schon immer so. Aber so wie wohl die meisten Unternehmer, Künstler, Angestellte, Eltern, allein erziehende Mütter und Väter, Menschen auf dem Arbeitsmarkt sich den Kopf zerbrechen, wie sie diese Krise überhaupt überstehen, so frage auch ich mich unter Berufung auf die 80/20-Regel und unter Berufung auf den gesunden Menschenverstand, ob wir uns ein 100%-Szenario leisten können, mit Blick auf unsere Verantwortung gegenüber künftigen Generationen, den Menschen in Alters- und Pflegeheimen, unsere Lebensqualität und Wohlfahrt.
Salathé freut sich im Interview auf die Party danach. Mir ist nicht nach Party zumute. Weder heute noch nach der Krise. Ich bleibe weiterhin gespannt zu sehen, was wir daraus lernen. Bis jetzt ist die Ausbeute aus meiner Sicht gering. Vor allem verhärten sich die Fronten, die Aggressivität nimmt zu, Egoismus dominiert zusehends.
Aber wir stehen ja erst vor Phase zwei.