
Die Bombardierung Dresdens am 13. und 14. Februar vor 80 Jahren ist zum Inbegriff des Schreckens des Luftkriegs gegen Deutschland geworden. Die Frage, ob gegen Ende des Krieges die bis dahin verschonte Stadt einer derartigen Vernichtung anheim fallen musste, war auch in England zutiefst umstritten. Bis heute ist Dresden eine klaffende Wunde in der kriegerischen Moral Englands.
Deutschland hat sehr lange gebraucht, um sich nach dem Krieg kritisch mit dem Einsatz von Bomben gegen die Zivilbevölkerung seitens der Alliierten auseinanderzusetzen. Stets stand der Verdacht im Raum, dass damit von den eigenen Kriegsverbrechen abgelenkt werden sollte. Es schien klüger, sie als eine Art «gerechter Strafe» stillschweigend hinzunehmen. Das ist nicht grundsätzlich falsch, wie die Rechtsradikalen Jahrestag für Jahrestag in Dresden mit ihren Demonstrationen als Kontrastprogramm unermüdlich unter Beweis stellen. Auch dieses Jahr wollen sie wieder die Bombardierung Dresdens für ihre Zwecke instrumentalisieren.
Fragen nach Sinn, Zweck und Methode
Auch wenn man diese Instrumentalisierung fürchtet, lassen sich auf die Dauer die Fragen nach Sinn, Zweck und Methode des Luftkrieges und insbesondere des Angriffs auf Dresden nicht abweisen. Die erste Antwort ist plausibel: Es waren die Deutschen, die mit ihren Luftangriffen auf Rotterdam, London, Coventry und Warschau diese neue Art der Kriegführung eröffnet hatten. Eine Reaktion darauf war unausweichlich und verstand sich von selbst. Von da an aber wird es schwierig. Plausibel ist, dass man aus der Luft Industrieanlagen, Verkehrsverbindungen oder Truppenansammlungen angreift, denn damit wird der Feind unmittelbar geschwächt. Welches Ziel aber wird mit Angriffen auf die Zivilbevölkerung verfolgt?
Arthur Harris, der Oberbefehlshaber des britischen Bomber-Kommandos und Stratege des Luftkriegs, sprach vom «moral bombing». Damit verband sich die Hoffnung, dass sich die durch Bomben malträtierte deutsche Bevölkerung von ihrer Regierung abwendet. Aber es geschah das Gegenteil. Goebbels konnte wie im Rausch am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast demagogisch ausrufen: «Wollt Ihr den totalen Krieg?» Der aufbrausende frenetische Jubel lehrt bis heute, wie verführbar Massen sind und wie wenig Bomben bewirken.
Die systematische Bombardierung der Wohngebiete erforderte einen enormen technischen Aufwand. Damit hat sich der deutsche Militärhistoriker Jörg Friedrich in seinem umfangreichen Buch «Der Brand» von 2002 auseinandergesetzt. Die technischen Herausforderungen hatten mehrere Dimensionen. So zeigte sich in der Anfangszeit, dass es für die Navigatoren und Bomberpiloten enorm schwierig war, ihre Ziele überhaupt zu finden und nach Abwurf der Bomben heil zurückzukommen. Die Verluste an Flugzeugen und ihren Besatzungen waren hoch und konnten nur mit grössten Anstrengungen einigermassen ausgeglichen werden.
Die Stunde der Brandspezialisten
Anfangs richteten die Bomber vergleichsweise geringe Schäden an. Die reine Sprengwirkung der Bomben hielt sich in Grenzen. Erst die Kombination mit Brandbomben erzielte die gewünschte Wirkung. Um herauszufinden, wie Spreng- und Brandbomben am besten kombiniert eingesetzt werden konnten, wurden Brandspezialisten hinzugezogen, die in ihrem zivilen Leben ihre Kenntnisse zur Brandbekämpfung einsetzten, nun aber Anleitungen dafür erarbeiteten, wie man grossflächige Brände auslöst, in deren Feuerstürmen niemand überleben konnte: das jeweils perfekte Inferno.
Die Menschen, die vor dem Inferno in Kellern Schutz suchten, erstickten oder ertranken im Wasser, das aus geborstenen Rohrleitungen strömte. Wer es nach draussen schaffte, überlebte die Hitze meist nicht. Menschen wurden wie Insekten vernichtet.
Diese Techniken wurden im Laufe der Kriegsjahre immer weiter perfektioniert, und Jörg Friedrich schildert, mit welcher Präzision die Abfolge der Bombenabwürfe in Dresden erfolgte. Dresden war das grausame Finale dieser Vernichtungs- und Tötungsperfektion.
Das Entsetzen und das Grauen liessen sich kaum in Sprache fassen. Der Schriftsteller Kurt Vonnegut hat in seinem «Slaughterhouse Five» (1969), dazu einen stammelnden Versuch gemacht, weist aber darauf hin, dass er im Laufe der Jahre etwa 5’000 Seiten geschrieben und wieder zerrissen hat. «Slaughterhouse Five» wurde in viele Sprachen übersetzt und ist bis heute lesenswert.
Die Willkür des Schicksals
In Dresden stellt sich die moralische Frage nach dem Bombenkrieg verschärft, weil dieses «Elbflorenz» kein wirklich strategisches Ziel war. Kurzzeitig soll Churchill sein Einverständnis zum Angriff sehr bereut haben, aber so genau weiss man das nicht. In seinen Kriegserinnerungen kommt Dresden jedenfalls nicht vor. Es ist grotesk, wie 25’000 Menschen auf dem Altar der Willkür geopfert wurden. An einem anderen Tag hätte Churchill vielleicht auf den Angriffsbefehl verzichtet.
War Dresden ein Kriegsverbrechen? Die Meinungen gehen auseinander. Die Neonazis wollen seit jeher mit Dresden als «Kriegsverbrechen» die Naziverbrechen relativieren. Schon quantitativ kann das nicht überzeugen. Aber auch in England waren der Luftkrieg und Dresden umstritten. Arthur Harris stieg nach dem Krieg nicht zum Lord auf, und ein ihm gewidmetes Denkmal wurde schon nach kurzer Zeit mit roter Farbe übergossen. Verbittert zog er sich nach Südafrika zurück.
Dresden kann als Mahnmal dafür dienen, dass eine Kriegspartei, die moralisch im Recht ist, nicht davor gefeit ist, sich selbst ins Unrecht zu setzen. An diese Mahnung sollte wieder und wieder erinnert werden.