Im Grossraum Asien-Pazifik haben in der letzten Woche drei multilaterale Gipfelkonferenzen stattgefunden. Behandelt wurden dabei drei Kernthemen:
- Ukraine,
- Wirtschaftswachstum und Staatsfinanzen sowie
- das gegenseitige Verhältnis der regionalen Grossmächte USA, China und Indien.
Der APEC-Gipfel (Asia-Pacific Economic Cooperation) der Staatschefs von 21 Pazifik-Anrainerstaaten in Beijing war der sichtbarste. Doch er war eigentlich nur ein Vorspiel, ein "Aufwärmer", für die beiden weiteren Zusammenkünfte: den East Asia Summit EAS in Myanmar sowie den G-20 Gipfel in Australien, der am vergangenen Wochenende stattfand.
Die APEC ist eine der ältesten und am besten institutionalisierten Organisationen im Asien-Pazifik-Raum. Sie umfasst als einzige Organisation auch einige Pazifikstaaten Südamerikas. Die APEC verfügt zwar über ein ständiges Sekretariat in Singapur und führt bereits seit 22 Jahren ein jährliches Gipfeltreffen durch. Doch dieser institutionelle Aufwand hat noch kaum zu einer konkreten Zusammenarbeit der einzelnen Mitgliedländer geführt.
Asiatisch-pazifische Freihandelszone
China hat jetzt – aufwendig inszeniert – einen überraschenden Vorschlag gemacht. Ziel ist die Schaffung einer Asiatisch-pazifischen Freihandelszone.
Diese soll aus zwei Freihandelsgemeinschaften bestehen, die sich bisher konkurrenzierten:
- Die TPP (Trans Pacific Partnership), unter Führung der USA aber ohne China, und andereseits
- die RECP (Regional Comprehensive Economic Partnership) unter Führung Chinas aber ohne USA.
Diese beiden Organisationen will Beijing jetzt zusammenbringen.
Chinesisch-japanische Entspannung
Wichtiger als der Gipfel selbst waren aber dessen Begleiterscheinungen, auf welche Gastgeber China grösstes Gewicht legte und damit offensichtlich zu einigen Konzessionen bereit war.
Politisch gehörte dazu ein bilaterales Treffen von Xi Jinping mit dem japanischen Premier Shinzo Abe. Dabei haben China und Japan vereinbart, ihren akuten Territorialkonflikt über eine kleine aber rohstoffreiche Inselgruppe im ostchinesischen Meer einzufrieren.
Saubere Luft in Beijing
Im medialen Mittelpunkt stand aber eine überraschende gemeinsame Klima-Erklärung von Xi und Präsident Obama. Darin verpflichteten sich die beiden grössten Schadstoffemittenten der Welt zum ersten Mal zu konkreten Reduzierungszielen und Eckdaten.
Von der protokollarischen Inszenierung des Gipfels her brachte China seine grössten Kanonen in Stellung, wie das nur ein autoritär geführter Staat tun kann: Kristallklare Luft in Beijing dank weiträumigen, temporären Verboten für Industriebetriebe und Verkehrsteilnehmer, sowie eine Eröffungsfeier mit Grösse und Pomp einer olympischen Auftaktszeremonie. Alles dies natürlich begleitet von strikten Kontrollen der eigenen Dissidenten. Aber auch Strassenhändler wurden in Schach gehalten, um den rauschenden Reigen der asiatisch-pazifischen Grossen ja nicht zu stören. Dies mag einem westlichen Beobachter sauer aufstossen. Doch einem ja sehr formbewussten asiatischen TV-Publikum machte das aber zweifelsohne Eindruck. In der Tweet-Sprache: 1:0 für China.
Indien will bei der Rüstung mitmischen
Der ostasiatische Gipfel EAS existiert erst seit ein paar Jahren. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung der jährlich stattfindenen ASEAN-Gipfletreffen (Association of South East Asian Nations) mit den 10 wichtigsten übrigen Staaten des Grossraums Asien-Pazifik, insbesondere mit den USA, China und Indien.
Hier wird, wenn auch offiziell erst sehr verschämt, über sicherheitspolitische Aspekte diskutiert. Wo liegen die grössten Herausforderungen für die Zukunft?
Die Frage hat vor allem in Asien einen grossen Stellenwert, weil hier das globale Seismikzentrum des 21. Jahrhunderts liegen wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Erklärung der indischen Regierung, die wohl kaum zufällig gerade jetzt abgegeben wurde. Die neue Regierung in Delhi betont, dass sie künftig aktiver bei der militärischen Aufrüstung mitmischen will – eine Aufrüstung, die im “Indo Pacific” rasch fortschreitet.
Mit “Indo Pacific” wird von den sicherheitspolitischen Experten die globalstrategisch ins Zentrum rückende Wasserstrasse bezeichnet, die von Alaska über das Chinesische Meer, um Indonesien herum und an der australischen Westküste vorbei an die Südspitze Indiens reicht.
Obama und Aung San Suu Ki
Der EAS fand im ASEAN-Präsidialjahr von Myanmar in dessen Hauptstadt Napydaw statt. Auch hier stand nicht eigentlich der Gipfel im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern der am Rande stattfindende Staatsbesuch von Präsident Obama. Er hatte Myanmar bereits vor drei Jahren besucht. Obama begrüsste natürlich den Präsidenten des Landes. Doch an die Pressekonferenz nahm er die charismatische Oppositionsführerin Aung San Suu Ki mit. Dabei umarmten sich die beiden symbolträchtig, was wiederum für das grosse asiatische Publikum von grosser Bedeutung war.
Die älteste, und mächtigste Demokratie der Welt heisst die jüngste im Kreise jener Länder willkommen, wo das Individuum und seine Rechte den zentralen Pfeiler aller staatlichen Tätigkeit darstellt. Entgegen dem weitverbreiteten Stereotyp vom ‘kollektiv, nicht individualistisch denkenden Asiaten’ sind grundlegende Menschen- und Freiheitsrechte für einen Burmesen, Chinesen oder Inder ebenso wichtig wie für die diesbezüglich verwöhnten Bewohner der ersten Welt.
Zu Unrecht geschmähter Obama
In den letzten Tagen wurde auch eine Absprache zwischen Indien und den USA publik. Danach gibt Delhi seine seit letztem Sommer dauernde Blockade der WTO-Doha-Runde auf – im Gegenzug zu amerikanischen Agrarzugeständnissen.
Klare Punktesiege für den zu Unrecht viel geschmähten Aussenpolitiker Obama: Er lenkte die Aufmerksamkeit im Grossraum Asien-Pazifik auf Demokratie und Menschenrechte, weg von farbenfröhlichen aber von oben gleichgeschaltenen Massenaufmärschen. Er trug entscheidend dazu bei, dass im globalen Rahmen sowohl die Klima- als auch Freihandelsverhandlungen neuen Schwung erhalten werden. Twitter-Ergebnis nach zwei Gipfeln: USA 2, China 1 und Indien ½ Punkt.
G-20: Front gegen Putin
Ob es allen Schweizern gefällt oder nicht: die G-20 ist defacto zur ‘Weltregierung’ geworden. Unser Land ist (noch) die 19. Weltwirtschaftsmacht – doch nicht dabei. Die G-20 setzt sich eben nicht nur mathematisch zusammen, sondern ist auch regional austariert. Europa ist darin ohnehin schon übervertreten. Einen Sonderstatus als ständiger Gast der G-20 - wie ihn Spanien, die Niederlande und Singapur geniessen – ist für das EU- und Nato-Nichtmitgliedland Schweiz illusorisch – ebenso eine indirekte Vertretung via den EU-Präsidenten.
Diese G-20 also hielt ihren jährlichen Gipfel im subtropischen Hochsommer ab: in der nord-östlichen Metropole von Australien, in Brisbane. Heiss war das Klima und heiss wurde es offensichtlich auch für den russischen Präsidenten, der wegen seiner Ukraine-Politik in einer, in der Geschichte der G-20 einmaligen Art isoliert wurde. Von den westlichen Vertretern wurden Putin unverblümt die Leviten gelesen. Zu den Krtikern gehörgten Obama, Merkel, Hollande und Cameron, ganz zu schweigen vom ohnehin kombativen Gastgeber Tony Abbott. Beim Abschuss eines malaysischen Zivilflugzeuges über der Ostukraine mit russischen Waffen kamen – nebem Malaysiern - vor allem auch Australier ums Leben.
China rührte keinen Finger
Aber auch allenfalls natürliche Verbündete Russlands - wie etwa China - rührten keinen Finger zur Verteidigung Putins. Zu unpopulär und weltweit verpönt ist seine ‘Heim ins Reich’-Rethorik und der verbrämte und unprovozierte Angriff auf einen souveränen Staat. Trotzkopf Wladimir blieb nichts anderes übrig, als vorzeitig heimzureisen. Mindestens minus 2 Punkte für, oder besser gegen Russland.
Damit konnten die G-20-Staats- und Regierungschefs (nach Putins Heimreise waren es noch 19) auf der abschliessenden Gipfelfoto ihr strahlendstes Lächeln zeigen. Nicht ganz unverdient, da sich die wirtschaftlichen Ergebnisse durchaus sehen lassen können.
Wichtig für die Schweiz
Damit ist nicht nur der ‘Brisbane Action Plan’ gemeint, wonach mit 800 (!) Massnahmen das durchschnittliche weltweite Wachstum auf 2,1% gesteigert werden soll. Von zentraler Wichtigkeit ist vielmehr die nachdrückliche Bestätigung der Arbeit der OECD als Quasi-Sekretariat der G-20. In deren Schoss wurden und werden Massnahmen ausgearbeitet, die sowohl für den Einzelnen (Automatischer Informationsaustausch) als auch für Multis (Beps, Base Erosion and Profit Shifting Action Plan) Steuerschummeleien viel schwieriger machen werden. Spätestens hier wird klar, warum dieser, aber auch die zwei anderen Gipfel für die Schweiz von höchster Bedeutung sind.
Solche Meilensteine im Grossraum Asien-Pazifik haben auch für Europa und die Schweiz grosse Bedeutung. Doch noch wird hierzuland wenig darüber gesprochen und geschrieben. Einzig im Tages-Anzeiger hat der Schreibende eine Analyse gefunden, und zwarvom Südostasienkorrespondent Arne Perras (11.11.14).