Dabei geht es nicht um die Folgen der Manipulation von Abgaswerten. Der Kunde sollte diesmal nicht betrogen, sondern über die Massen beglückt werden. Und womit ginge das besser als mit zunehmender Digitalisierung?
Autos früherer Generationen hatten diverse Schalter. Und manchmal schien es so, dass ein Auto um so werthaltiger war, je mehr Schalter es hatte. Denn die Schalter deuteten auf den Komfort zahlreicher Funktionen hin.
Mit der Digitalisierung lassen sich viele Funktionen über Bildschirmmenüs steuern, so dass man auf den einen oder anderen Schalter verzichten kann. Just an diesem Punkt gehen der Ehrgeiz der Techniker und die Ticks der Designer eine verhängnisvolle Verbindung ein. Denn in ihren Augen ist ein Auto erst dann wirklich modern, wenn es so gut wie gar keine Schalter mehr hat.
In dieser Beziehung hat VW nun den Vogel abgeschossen. Beim neuen Golf VIII werden alle Funktionen über Menüs gesteuert, die die Fahrer über den Bildschirm aufrufen müssen. Das Ganze ist so komplex und umständlich, dass sich ein Motorjournalist der FAZ, durchaus kein Verächter des technischen Fortschritts, jüngst bitter über den neuen Golf VIII beklagte. Wieso, schrieb er, kann man die Sitzheizung nicht mehr mit einem simplen Schalter ein- und ausschalten, sondern muss sich durch Menüs quälen?
Gute Frage. Aber damit nicht genug. Auch technisch versierte Fahrer, schreibt der Journalist, werden immer wieder erleben, dass sie ungewollt bei der Suche nach bestimmten Funktionen oder ihrer Bedienung mit dem Handballen auf dem Touchscreen zusätzliche Effekte auslösen. Und das, wohlgemerkt, während man ja eigentlich seine Aufmerksamkeit dem Strassenverkehr widmen sollte.
Aber das ist noch nicht der ganze Ärger. Ab und zu fällt nämlich das Navigations- und Infotainmentsystem komplett aus. Der Journalist musste seinen Testwagen während mehrerer Stunden eine „zündungslose Erholung“ gönnen, bis sich das System wieder zum Leben erwecken liess.
Aufgrund dieser Mängel ruft VW die Fahrzeuge der neuen Modellreihe Golf VII in die Werkstätten zurück, wobei pro Aufenthalt fünf Stunden veranschlagt werden. Früher konnte man in dieser Zeit ein Fahrzeug komplett warten. Sind damit wenigstens die ärgerlichen Probleme behoben? Natürlich nicht.
Denn die berührungsempfindliche Leiste, über die das Radio und die Klimaanlage gesteuert werden, ist unbeleuchtet. Sie lässt sich in der Dunkelheit also nicht bedienen. Den Technikern von VW ist das inzwischen auch aufgefallen, aber sie haben auch gemerkt, dass sich nachträglich keine zusätzliche Beleuchtung einbauen lässt.
Fast möchte man annehmen, dass das VW-Werk von Wolfsburg inzwischen nach Schilda umgezogen ist. Aber die Vorzüge der Digitalisierung werden auch anderswo weit überschätzt. Wieso soll es von grossem Vorteil sein, immer mehr Geräte zu Hause oder Funktionen im Auto über das Smartphone steuern zu können? Etwas weniger Spielerei und mehr gesunder Menschenverstand wären kein Fehler. Und den Designern sei gesagt, dass nicht alles, was sie für überholt halten, tatsächlich nutzlos ist. Zum Beispiel ein simpler Schalter für die Sitzheizung.