FUTURE PRESENT findet im „Schaulager“ statt und wurde an diesem Wochenende eröffnet.
Zu sehen sind Werke der Emanuel Hoffmann-Stiftung. Werke, die im Laufe der vergangenen achtzig Jahre nach einem ungewöhnlichen Gesichtspunkt gesammelt wurden. In der Stiftungsurkunde heisst es nämlich, es seien Werke anzuschaffen, „die sich neuer, in die Zukunft weisender, von der jeweiligen Gegenwart noch nicht allgemein verstandenen Ausdrucksmittel bedienen“. Eine mutige Vorgabe und eine schwierige Aufgabe.
„Es ist eine nicht immer einfache Verpflichtung, diesem Grundsatz treu zu bleiben“, sagt Maja Oeri, Enkelin Emanuel Hoffmanns und Präsidentin des Stiftungsrates. „Es ist eine grosse Herausforderung in unserer schnelllebigen Zeit.“ Rund 1000 Werke zeitgenössischer Kunst sind nach diesem Stiftungs-Grundsatz zusammengekommen, rund ein Drittel davon wird jetzt ausgestellt. Zum ersten Mal seit rund dreissig Jahren.
Unter dem Titel FUTURE PRESENT sind Werke zu sehen, die ganz gezielt in die Zukunft weisen. „Für mich persönlich ist dies ein Bekenntnis zur Geschichte meiner Familie. Das Leitmotiv lautet: ‚Bejahung der Gegenwart‘ und ‚Zuversicht auf die Zukunft‘.“
Auseinandersetzung mit der Zeit
Treibende Kraft hinter der Emanuel Hoffmann-Stiftung und der damit verbundenen Sammlung zeitgenössischer Kunst war Maja Hoffmann-Stehlin. Sie hat die Stiftung im Andenken an ihren früh verstorbenen Ehemann Emanuel Hoffmann, gegründet. Im Alter von nur 36 Jahren war er bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Zuvor war Emanuel Hoffmann Vizedirektor der Hoffmann-La Roche AG. Maja Hoffmann blieb mit drei Kindern zurück. Das Ehepaar hatte schon früh begonnen, Kunst der Gegenwart zu sammeln. Die junge Witwe führte diese Tätigkeit konsequent fort. Die Auseinandersetzung mit der Zeit, in der man lebt, war den Hoffmanns eine absolute Notwendigkeit. Und es war eine schwierige Zeit, als Maja Hoffmann 1933 die Stiftung ins Leben rief. Politisch verdunkelte sich der Horizont, der erste Sohn war soeben im Alter von 11 Jahren an einer schweren Krankheit verstorben, aber Maja Hoffmann liess sich nicht beirren. „Und so möchte ich die Stiftung in der Weise verwendet sehen, dass sie nicht zur Hebung der materiellen Not unserer Zeit und so mehr oder weniger nur der lokalen und momentanen Hilfe Einzelner dienen soll, es liegt vielmehr im Sinne meines Mannes, weiter auszugreifen und mehr der allgemeinen inneren Not eine Gegenwart zu bieten“, schreibt sie.
Zeitgenössische Kunst als geistige Nahrung, als Trost und Helfer, als Wegweiser auch, um sich in einer schwierigen Gegenwart zurechtzufinden. Maja Hoffmann hatte sich selbst mit Architektur befasst. Sie hatte sogar das eigene Anwesen entworfen, das sie mit Paul Sacher, ihrem zweiten Mann, bewohnte. Sie hatte als junge Frau in Paris eine Bildhauer-Ausbildung gemacht und war mit vielen Künstlern befreundet. Der Erwerb von Kunst war für sie ein Lebenselixier. Kunstwerke fürs private Heim, vor allem aber auch Kunstwerke für die Stiftung. „Die Ankäufe der Stiftung sollen durch dauernde Ausstellung öffentlich sichtbar gemacht werden, um das Verständnis für die jeweils neusten künstlerischen Ausdrucksmittel in breiteren Schichten zu wecken und zu vertiefen“, heisst es.
Persönlich geprägte Sammlung
Viele dieser Werke sind Publikumslieblinge im Basler Kunstmuseum, wo sie regelmässig ausgestellt werden. Die baubedingte Schliessung des Kunstmuseums ist nun der aktuelle Anlass, die Werke an einem neuen Ort zu zeigen. Zahlreiche Stücke sind überhaupt zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zu sehen.
Denn die Sammlertätigkeit ist längst nicht beendet. Heute ist es Enkelin Maja Oeri, die der Stiftung immer wieder Werke schenkt, die sonst den finanziellen Rahmen sprengen würden. So hatten es auch Mutter und Grossmutter schon gehalten. Der überhitzte Kunstmarkt macht es auch wohldotierten Stiftungen nicht immer leicht, wichtige Werke kaufen zu können. „Heute wird Kunst oft im Eiltempo als finanzielle Investition angeschafft“, sagt Maja Oeri und betont, dass einem Kauf immer eine gründliche Prüfung im Stiftungs-Gremium vorausgeht. „Es ist eine sehr persönlich geprägte Sammlung“, sagt sie. Und ausnahmsweise wird sie im Basler „Schaulager“ auch in den oberen Etagen ausgestellt, die sonst nur als Depot dienen. „Man könnte es als Heimspiel bezeichnen“, sagt sie noch, denn das „Schaulager“ ist vor zwölf Jahren ebenfalls von ihr initiiert und von den Architekten Herzog und de Meuron gebaut worden.
Ungewöhnlich und radikal
So kann man sich nun auf eine Reise durch das weite Feld zeitgenössischer Kunst der letzten achtzig Jahre machen. Beeindruckend ausgestellt in einem Bau, der ebenso ungewöhnlich und radikal ist wie die Werke selbst. Stationen sind Hans Arp, Max Ernst, Georges Braque, Pablo Picasso, Salvador Dali oder Piet Mondrian. Weiter geht es über Joseph Beuys über Mario Merz zu Bruce Nauman, von dem die Stiftung bereits vor fünfzig Jahren erste Werke erworben hatte. Unübersehbar auch die vielen liebenswürdigen Figürchen der Installation des Künstler-Duos Fischli/Weiss unter dem Titel „Plötzlich diese Übersicht“. Geradezu furchterregend dagegen Katharina Fritschs „Rattenkönig“: 16 riesige schwarze Ratten, die Harald Szeemann schon 1999 an der Biennale in Venedig ausgestellt hatte. Andy Warhol natürlich, insbesondere mit einem Bild der Stifterin Maja Sacher-Stehlin. Aus neuerer Zeit auch grossformatige Fotografien, Film und Video-Installationen von Jeff Wall, Cindy Sherman, Thomas Ruff oder Bill Viola.
FUTUR PRESENT
Emanuel Hoffmann-Stiftung
Schaulager Basel
Bis 31. Januar 2016
Es ist eine Zeitreise durch acht Jahrzehnte zeitgenössischer Kunst. Es ist auch eine Familiengeschichte der Hoffmanns. Ohne sie hätte Kunst in Basel wohl kaum den gleichen Stellenwert. Es ist ein Etappenhalt auf dem Weg von der Gegenwart in die Zukunft, die dannzumal Gegenwart ist… die künftige Gegenwart, FUTURE PRESENT.