Der diktatorisch regierende venezolanische Präsident hat die Präsidentschaftswahl nach Angaben der Wahlbehörde mit gut 51 Prozent der Stimmen gewonnen. Die Opposition spricht von einem «gigantischen Wahlbetrug».
Noch sind erst 85 Prozent der Stimmen ausgezählt, doch der Sieg Maduros sei «unverrückbar», erklärt die vom Regime kontrollierte Wahlbehörde. Bereits vor sechs Jahren hatte Maduro die Wahlen gefälscht, um sich an der Macht zu halten. Folge davon waren umfassende internationale Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela.
Maduro muss nun damit leben, dass nur wenige an seinen Sieg glauben. Es gab in den letzten Wochen keine unabhängige Meinungsumfrage, die nicht einen klaren Triumph des Oppositionskandidaten Edmundo González Urrutia voraussagte. Laut den meisten Erhebungen lag der 74-jährige González, ein ehemaliger Botschafter, zwischen 30 und 40 Prozent vor Maduro.
Und jetzt also soll der Präsident mit rund 6 Prozent vor González liegen. Laut der Wahlbehörde entfielen auf Edmundo González Urrutia 44,2 Prozent der Stimmen.
Der amerikanische Aussenminister Antony Blinken erklärte: «Wir haben ernsthafte Bedenken, dass das angekündigte Ergebnis nicht den Willen oder die Stimmen des venezolanischen Volkes widerspiegelt.» Der chilenische Präsident Gabriel Boric und sein argentinischer Amtskollege Javier Milei sprechen von Wahlbetrug. Daraufhin nannte Maduro den argentinischen Präsidenten einen «feigen Hund».
Noch nicht geäussert hat sich Brasiliens linker Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Er ist in einer verzwickten Lage. Er hatte Maduro immer wieder verteidigt. Sollte er es diesmal wieder tun, weiss er, dass er an internationalem Ansehen stark verlieren würde. Seine Autorität würde nicht nur in Lateinamerika arg angekratzt. Auch Gustdavo Petro, der linke Präsident von Maduros Nachbarland Kolumbien, schweigt bisher.
María Corina Machado, die von der Wahl ausgeschlossen war und dann González unterstützte, sagte, dass man Beweise habe, dass Maduro das Ergebnis gefälscht habe. González habe 70 Prozent der Stimmen erhalten, Maduro lediglich 30 Prozent. Man werde den Betrug nicht hinnehmen.
Die Regierung erklärt, die Wahlen seien weitgehend friedlich verlaufen. Dem widerspricht die Opposition. Die oppositionelle Zeitung El Nacional berichtet, dass an vielen Orten Menschen mit Gewalt daran gehindert wurden, ihre Stimme abzugeben. Auch in den sozialen Medien kursieren entsprechende Meldungen und Videos. So wurde in Puerto Ayacucho im Amazonas Monseñor Enrique de Ferrari, ein Regimekritiker, daran gehindert, das Wahllokal zu betreten. An vielen Orten kam es zu Einschüchterungsversuchen. In Táchira, in der Gemeinde Guásimos – so berichtet die Journalistin Anggy Polanco – fuhren vermummte Personen in schwarzen Lieferwagen um die Häuser und sprayten drohende, Maduro-freundliche Schriftzüge auf die Wände: «Lasst in Ruhe, was in Ruhe ist.» An mehreren Orten fuhren Bewaffnete mit Motorrädern an den Schlange stehenden Wählerinnen und Wählern vorbei und gaben Schüsse ab.
In Caracas verlangten am Sonntagabend Hunderte Menschen Zutritt zu den Auszähllokalen – sie wurden weggewiesen.
Keine freien Wahlen
Der Ausgang der Wahl erstaunt eigentlich nur wenige. Die meisten unabhängigen Beobachter waren davon ausgegangen, dass Maduro, der seit zwölf Jahren an der Spitze des Staates steht und von seinen Generälen an der Macht gehalten wird, die Segel nicht streichen wird. Maduro-treue Umfragen hatten ihn schon vor den Wahlen zum Sieger erklärt.
Freie Wahlen waren es ohnehin nicht. Oppositionspolitiker wurden ins Gefängnis gesteckt, internationale Wahlbeobachter wurden nicht zugelassen. In den vom Staat beherrschten grossen Medien wurde der Oppositionskandidat fast totgeschwiegen. Präsident Joe Biden hatte versprochen, die Sanktionen gegen Venezuela teilweise zu lockern, vorausgesetzt, Maduro garantiere freie Wahlen mit internationalen Wahlbeobachtern. Die Sanktionen wurden gelockert, doch unabhängige Wahlbeobachter wurden nicht ins Land gelassen.
Der «Faschist»
Dass es zu einem Betrug kommen wird, zeichnete sich schon mehrere Tage vor den Wahlen ab. In einem Quartier von Caracas hatten Mitglieder von Maduros «Partido Socialista Unido de Venezuela» Wahlmaschinen installiert. Oppositionellen erklärten, sie möchten bei der Installation dabei sein – und wurden ausgeschlossen.
Mehrere ehemalige lateinamerikanische Präsidenten waren von der venezolanischen Opposition eingeladen worden, die Wahlen an Ort zu verfolgen, unter anderen Vincente Fox, mexikanischer Staatspräsident von 2000 bis 2006. Sie versammelten sich in Panama und stiegen in ein Flugzeug der panamaischen Fluggesellschaft Copa Airlines, um nach Caracas zu fliegen. Doch das Flugzeug hob nicht ab, langes Warten. Schliesslich erfuhren die ehemaligen Staatspräsidenten, dass Maduro den Luftraum für Copa-Flugzeuge gesperrt hatte. Er bezeichnete später Vincente Fox als «Faschisten», der kein Recht habe, nach Venezuela zu kommen. Vincente Fox, Mitglied der rechtsgerichteten bürgerlichen Pan-Partei, mag nicht der beste mexikanische Präsident gewesen sein, doch ein Faschist war er nicht.
Ins Elend gewirtschaftet
Leidtragende der erneuten Wahl Maduros ist wieder die Bevölkerung, von der 45 Prozent unter der Armutsgrenze lebt. Maduro hatte das einst reiche und blühende Land mit seinen riesigen Ölreserven währen seiner zwölfjährigen Amtszeit ins Chaos gewirtschaftet. Seit 2013, dem Amtsantritt von Maduro, ist die Wirtschaft um einen Drittel geschrumpft.
Es fehlt an allem: an bezahlbaren Lebensmitteln, an medizinischem Material, an funktionierender Strom- und Wasserversorgung. Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen. Krankheiten breiten sich aus. Nur Reiche, die mit der Regierung paktieren, können sich im Spital eine Operation leisten. Ein Rechtsstaat ist Venezuela schon längst nicht, überall herrscht Korruption.
Unfähig, einen Staat zu regieren
Während Hugo Chávez mit seiner sozialistisch-marxistischen «Bolivarischen Revolution» noch einige überraschende Erfolge erzielen konnte, ist sein Nachfolger Maduro, ein ehemaliger Buschauffeur, ganz einfach nicht fähig, einen Staat zu führen. Und während er sich eisern an die Macht klammert, läuft ihm das Volk davon. 7,7 Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner haben laut jüngsten Angaben des UNHCR das Land verlassen – ein Drittel der Bevölkerung. Nirgendwo auf der Welt fand eine solche Fluchtbewegung statt.
Maduro gibt den USA die Schuld für das Elend. Nach dem Wahlbetrug von 2018 hatte Donald Trump das Land mit harten Sanktionen belegt. Viele westliche Staaten folgten. Diese Sanktionen haben sicher zur Not im Land beigetragen, doch das wirtschaftliche Chaos begann schon Jahre vor der Verhängung der Sanktionen, nämlich kurz nach dem Amtsantritt Maduros.
Das UNHCR, das Uno-Flüchtlingshilfswerk, berichtet auf seiner Homepage von einer jungen Frau, die das Land verliess.
«Grexys González machte sich mit ihrer 2-jährigen Tochter auf den Weg von Venezuela nach Kolumbien. Die Ölfirma, bei der die junge Buchhalterin arbeitete, hatte das Gehalt nicht mehr gezahlt und Grexys konnte die monatlichen Arztbesuche für ihre chronisch kranke Tochter und die steigenden Lebensmittelpreise nicht mehr bezahlen. Abgemagert kam sie in der Grenzregion an und wurde mit einer Ruhrinfektion ins Krankenhaus gebracht. Sie wog nur noch 47 Kilo.» (Text UNHCR)
Wie geht es nun weiter? Wohl so wie bisher. Die mächtigen Generäle, die von Maduro mit riesigen Privilegien beschenkt sind, werden Maduro – und damit sich selbst – weiterhin stützen. In den USA und Europa wird man wieder von Wahlbetrug sprechen.
Und das Volk leidet weiter. Und wenn dieses Volk aufstünde, auf die Strasse ginge? Das tat es schon einmal, nach dem letzten Wahlbetrug vor sechs Jahren. Der Protest war zeitweise virulent und gewalttägig, brach dann aber nach einigen Wochen in sich zusammen.
Maduro hatte die Wahlen auf den 28. Juli angesetzt, den 70. Geburtstag seines legendären Vorgängers und Ziehvaters Hugo Chávez, der 2013 an Krebs gerstorben ist. Offenbart hoffte Maduro an diesem Datum etwas vom Glanz seines Mentors profitieren zu können.
In einer pathetischen Botschaft an den verstorbenen Präsidenten sagte Maduro am Sonntag:
¡Comandante Chávez feliz y bendecido día, esta será tu victoria!
«Comandante Chávez. Glücklicher und gesegneter Tag, dies wird dein Sieg sein!»
Ob Comandante Chávez mit seinem Nachfolger so glücklich wäre, ist zu bezweifeln.