Aktien von Rüstungsunternehmen waren bis vor Kurzem für ethisch orientierte Anleger ein No-Go. Das gilt auch für Banken und Fonds. Doch seit dem Beginn des Ukrainekrieges wandeln sich die Meinungen und Einschätzungen. Geht es vielleicht doch?
Die erste Woche des neuen Jahres war für den deutschen Aktienmarkt alles andere als gut. Der deutsche Aktienindex DAX, der im vergangenen Jahren beachtliche Höhen erreicht hatte, verlor 1,7 Prozent. Die Aktie von Rheinmetall aber belohnte die Anleger über die Massen. Damit steht die Panzerschmiede nicht allein. Auch andere Rüstungsunternehmen verwöhnen die Aktionäre.
Die meisten Banken und Aktienfonds meiden Rüstungsunternehmen. Produktion und Verkauf von Waffen gelten als anrüchig. Aber der Ukrainekrieg lässt dieses Gewerbe mehr und mehr in einem anderen Licht erscheinen. Auch grosse Teile der eher pazifistisch eingestellten grün-alternativen Bewegungen sehen nicht nur in Deutschland die Legitimität des Gebrauchs von Waffen zur Verteidigung ein. Ihre Hoffnung, Frieden mit immer weniger Waffen zu schaffen, ist zunächst zerstoben. Entsprechend finden Politiker Zustimmung, wenn sie die finanziellen Mittel für Waffenkäufe in einem Masse erhöhen, das die bisherige Vorstellungskraft weit übersteigt.
Weites Tor für Aktionäre
Aktien von Rüstungsproduzenten sind daher aus zwei Gründen attraktiv: Ihr Geschäft gewinnt an Lukrativität, wirft also immer mehr Gewinne ab, und ihre Produkte stossen vermehrt auf Zustimmung. Damit ist das Tor aufgestossen, durch das jetzt die Anleger strömen können.
Das erscheint absolut folgerichtig. Man wählt Politiker, die Waffen bestellen und finanzieren. Warum soll man sich dann nicht mittels Aktien an denjenigen Firmen beteiligen, die das Gewünschte liefern? Die Finanzindustrie reagiert bereits. Die grosse und einflussreiche skandinavische Privatbank SEB mit Sitz in Stockholm zum Beispiel hat erst vor eineinhalb Jahren Investitionen in die Waffen- und Verteidigungsindustrie vollständig ausgeschlossen. Doch mit dem Ukrainekrieg und der Neuorientierung an der Nato stellen etliche Kunden das strikte Verbot der Bank infrage. Entsprechend ändert die SEB ihre Regeln. Seit April 2023 dürfen sechs der mehr als einhundert Investmentfonds der Bank wieder in Rüstungsaktien investieren.
Auch in Brüssel findet ein Prozess des Umdenkens statt. Die EU hat Bewertungsinstrumente, die sie Sozialtaxonomie beziehungsweise Nachhaltigkeitstaxonomie nennt. Die Rüstungslobby hofft nun, dass sie diese Instrumente im Sinne ihrer Interessen beeinflussen kann. Aber allen Beteiligten, ob in der EU, in den Banken oder in den Fondsgesellschaften ist klar, dass es ein Tabu gibt. Firmen, die Streubomben, Nuklearwaffen, biologische Waffen oder Giftgas herstellen, werden auch in Zukunft nicht die Kriterien für Investments erfüllen.
Der nagende Zweifel
Geächtete Waffen sind aber nicht das einzige Problem. Denn es ist eine falsche Vorstellung, dass Waffenproduzenten jetzt mit einem Mal ethisch unbedenklich sind, weil sie allein die Ukraine oder deren westliche Unterstützer zu ihren Kunden zählen. In aller Regel ist der Kundenkris grösser und umfasst Regimes wie etwa in Saudi-Arabien, Ägypten oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch die Waffenexporte Deutschlands in diesem Jahr werfen manche Frage auf. Wie steht es zum Beispiel mit Vertreibungen, Flüchtlingsströmen und Hungersnöten? Die sind Folgen von Waffenexporten.
Die ethische Grundsatzfrage für den einzelnen Aktieninvestor lautet daher selbst nach den veränderten Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg: Auch Waffen, die «nur» zu Verteidigungswecken eingesetzt werden, verursachen Leid und Zerstörung. Das ist unvermeidlich. Aber möchte ich als Käufer von Rüstungsaktien davon direkt profitieren? Hat die innere moralische Stimme, die davor warnt, nicht recht?