Während der ganzen vergangenen Woche führten Angehörige der amerikanischen Marine-Infanterie in Syrien Manöver durch. Unterstützt wurden die „Marines“ von den „Maghawir ath-Thaura“, den „Partisanen der Revolution“, die gegen das Asad-Regime kämpfen und weiterhin von den USA gefördert werden.
Bei den Militärübungen wurde scharfe Munition eingesetzt. Die Manöver fanden nahe des syrischen Wüstendorfes Tanf statt. Dieses liegt in der Nähe des syrisch-jordanisch-irakischen Dreiländerecks. Die Strasse, die Damaskus mit Bagdad verbindet, läuft über Tanf. Zahlreiche amerikanische Marine-Infanteristen waren von Jordanien und dem Irak hierhergekommen, um an den Übungen teilzunehmen.
Amerikanische Schutzzone in Syrien
Der Ort ist auch ein Flüchtlingslager. Gegen 50’000 syrische Flüchtlinge leben hier. Sie wollten nach Jordanien fliehen, wurden aber von den jordanischen Grenzsperren zurückgewiesen. Betreut werden die Flüchtlinge von internationalen Hilfswerken, die von Jordanien aus operieren. In Tanf befinden sich auch eine amerikanische Militärgarnison sowie ein Stützpunkt der „Partisanen der Revolution“.
Rund um Tanf haben die Amerikaner eine Schutzzone mit einem Radius von 50 Kilometern errichtet. Feindliche Kräfte, die in diese Zone eindringen wollen, werden bekämpft. Im vergangenen Frühjahr wurden mehrmals eindringende iranische Milizverbände zurückgeschlagen.
Gegen die iranische Präsenz in Syrien
Früher wurden auf der Strasse von Bagdad nach Damaskus iranische Waffen für den libanesischen Hizbullah transportiert. Mit ihrer Präsenz in Tanf versuchen die Amerikaner, diese Transporte zu unterbinden.
Damaskus und Moskau haben gegen die amerikanische Präsenz auf syrischem Boden protestiert. Für beide Mächte ist die amerikanische Anwesenheit in Syrien „illegal“. Die jetzt stattfindenden Manöver mit Beteiligung amerikanischer Soldaten sind eine Antwort auf diese russisch-syrischen Proteste. Washington macht deutlich, dass sich die USA das Recht herausnehmen, gegen die iranische Präsenz in Syrien und die damit verbundene Achse Teheran–Hizbullah vorzugehen. Eine Haltung, die natürlich den israelischen Wünschen entspricht. Auch die israelische Luftwaffe geht gegen die iranischen Machenschaften in Syrien vor.
Letzte Offensiven gegen den IS
Bisher rechtfertigten die USA ihr Eingreifen in Syrien mit der Präsenz und der Bedrohung, die von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ ausging. Mit den amerikanischen Luftschlägen sollten auch Anti-Asad-Kräfte unterstützt werden, so vor allem die kurdisch-arabische SDF (Syrien Democratic Forces). Diese kämpfen auch heute noch gegen den IS in Nord-Ostsyrien.
Am 11. September wurde gemeldet, dass die SDF – stets mit amerikanischer Hilfe aus der Luft und „Beratung“ durch amerikanische Sondertruppen am Boden – eine neue Offensive gegen die letzten Reste des IS in Syrien begonnen haben. Sie richtet sich gegen den Flecken Hajin. Dort am Wüstenrand östlich des Euphrats, unweit der Provinzhauptstadt Deir az-Zor, leben 60’000 Menschen. Hier sollen sich Tausende IS-Kämpfer verschanzt haben. Offiziere, die an der neuen Offensive teilnehmen, erwarten, dass die Kämpfe lange dauern werden, weil die IS-Kämpfer unterirdische Verstecke gebaut und die Zufahrtswege vermint haben.
Weiter im Osten, jenseits der syrischen Grenze, sind es irakische Verbände, die gegen die Überreste des IS kämpfen. Auch die Iraker werden von den Amerikanern unterstützt.
Vertrag zwischen Asad und Iran
Die Manöver von Tanf in Südsyrien machen aber klar, dass die Amerikaner mit ihrer Anwesenheit in Syrien ein weiteres wichtiges Ziel verfolgen. Der Kampf gegen den IS ist jetzt nur noch ein Vorwand. Washington stemmt sich energisch gegen die Stationierung iranischer Verbände in Syrien.
Dass die Iraner nicht gedenken, den amerikanischen und israelischen Forderungen nachzugeben und ihre Präsenz in Syrien aufzugeben, hat Teheran durch einen Staatsvertrag deutlich gemacht. Dieses Abkommen haben die Verteidigungsminister des Asad-Regimes und Irans Ende August in Damaskus unterzeichnet. Darin wird festgehalten, dass die Iraner in Syrien stationiert bleiben, um beim Wiederaufbau Syriens zu helfen. Der iranische Verteidigungsminister Amir Hatami erklärte damals dem von Hizbullah betriebenen TV-Sender „al-Maydeen“ in Libanon: „Das wichtigste Element dieses Vertrages ist der Wiederaufbau der syrischen Streitkräfte.“ Die syrische Armee müsse ihre frühere Schlagkraft „voll zurückgewinnen“.
Die härtesten Sanktionen stehen bevor
Der Streit zwischen Iran und den USA dürfte sich in den kommenden Monaten zuspitzen. Die Sanktionen, die Washington über Iran verhängt hat, haben zu Unordnung und Zerfall im iranischen Währungswesen geführt. Die dadurch entstandene Teuerung betrifft alle Bereiche der Lebenshaltung. Doch die einschneidendsten der angekündigten Sanktionen stehen noch bevor. Sie sollen am 4. November in Kraft treten und betreffen die iranischen Erdölexporte, also die eigentliche Lebensader der iranischen Wirtschaft.
Dass eine Blockade der iranischen Erdölexporte zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen könnte, hat das amerikanische Pentagon offenbar bereits in Betracht gezogen. Auch vor diesem Hintergrund ist die jetzige amerikanische Präsenz in Syrien, die sich einst gegen den IS richtete, zu sehen.
Radikalisierung in Iran
Festhalten kann man bereits heute: Die amerikanische Haltung gegenüber Iran bewirkt, dass im Regime von Teheran mehr und mehr die radikalen Kräfte der Revolutionsgarden und ihrer Verbündeten Einfluss gewinnen. Die Regierung des eher gemässigten Ministerpräsidenten Rohani wird in die Defensive gedrängt. Schrittweise werden die gemässigten Kräfte, denen die Mehrheit der Iraner ihre Stimmen gegeben haben, entmachtet.