Die von den Republikanern im Repräsentantenhaus auf Trumps Geheiss praktizierte Blockade gegen ein Hilfspaket an die Ukraine von 60 Milliarden Dollar könnte noch in dieser Woche gelöst werden. Der republikanische Speaker Mike Johnson will eine entsprechende Vorlage präsentieren. Trump hat ihm dazu gnädig Spielraum signalisiert.
Mike Johnson ist seit seiner Wahl zum Speaker des Repräsentantenhauses im vergangenen Oktober von vielen Kritikern oft als Erfüllungsgehilfe oder gar als «Stiefellecker» von Trump beschimpft worden. Sein Vorgänger Kevin McCarthy wurde von einer Mehrheit der eigenen «Parteifreunde» gestürzt, weil er sich in einigen Fragen auf Kompromisse mit den Demokraten eingelassen hatte. Wochenlang weigerte sich Johnson, das von der Administration Biden vorgelegte Gesetzespaket zur Auslandhilfe von rund 90 Milliarden Dollar im Repräsentantenhaus zur Abstimmung vorzulegen. Der grösste und dringlichste Posten in diesem Paket betrifft die Waffen- und Finanzhilfe für die Ukraine im Umfang von 60 Milliarden Dollar. Das Paket ist im Senat bereits im Februar genehmigt worden.
Pilgerreise zu Trump in Florida
Dass Johnson als Vorsitzender des Repräsentantenhauses im Grunde von der Notwendigkeit einer grosszügigen Unterstützung der Ukraine gegenüber dem Aggressor Russland absolut überzeugt ist, weiss man von seinen Aussagen als früherer gewöhnlicher Abgeordneter. Jedem halbwegs informierten Beobachter ist klar, dass er eine Abstimmung zu dem Hilfspaket allein deshalb blockierte, weil er Angst vor dem Zorn des republikanischen Oberhäuptlings und wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten Trump und dessen fanatischen Anhängern im Kongress hat.
Am vergangenen Freitag ist Johnson demütig zu Trumps Hauptquartier Mar-a-Lago in Florida gepilgert, um sich dessen Direktiven anzuhören. Im Fernsehen stand er wie ein braver Schüler neben dem in jeder Beziehung übergewichtigen Dominator Trump, der gnädig erklärte, der Speaker habe «bisher einen guten Job» gemacht. Offenbar hat der Oberrepublikaner im Moment aus wahltaktischen Gründen nicht im Sinn, die fragile Position Johnsons weiter zu untergraben und überlässt ihm deshalb in Sachen Ukraine-Hilfe einen gewissen Spielraum. Trump scheint sich dessen bewusst geworden zu sein, dass schwere Rückschläge der ukrainischen Armee wegen ausbleibender amerikanischer Waffenhilfe ihm bei den gemässigten Wählern in Amerika kaum Punkte einbringen würden.
Johnsons neue Ukraine-Vorlage
Prompt hat Johnson nach dieser Kurskorrektur im Repräsentantenhaus angekündigt, Bidens Hilfspaket von 90 Milliarden Dollar, das auch zusätzliche Unterstützung für Israel, Taiwan und die Grenzsicherung im Süden der USA enthält, in fünf verschiedene Vorlagen aufzuteilen. Damit würde über die Hilfszusagen von 60 Milliarden Dollar an die Ukraine in einem separaten Gesetz abgestimmt werden. Johnson verspricht, diese Vorlagen schon am Samstag zur Abstimmung zu bringen.
Ob dies tatsächlich geschehen wird, ist aber noch nicht gesichert. Denn in den Reihen der Republikaner haben sich wütende Stimmen erhoben, die jeden Versuch zur Fortsetzung der amerikanischen Ukraine-Hilfe torpedieren wollen. Die fanatische Trump-Anhängerin Marjorie Taylor Green droht, einen Antrag zur Absetzung Johnsons zu lancieren, falls dieser über die Ukraine-Hilfe tatsächlich abstimmen lasse. Ein solches Manöver hat indessen kaum Erfolgschancen. Anders als im Falle von Johnsons Amtsvorgänger, Kevin McCarthy, würden die Demokraten aus Sorge um die Ukraine-Hilfe einem solchen Sturzversuch wohl nicht zustimmen.
So stehen die Aussichten nicht schlecht, dass in den nächsten Tagen, das 60-Milliarden-Paket zugunsten der Ukraine endlich in beiden Häusern des US-Kongresses genehmigt wird. Verzögert werden könnte dieser Prozess allenfalls noch dadurch, dass die formal nicht identischen Gesetzesvorlagen zwischen dem Senat und dem Repräsentantenhaus aufeinander angepasst werden müssen.
Trump und das Schicksal der Ukraine
Für die Ukraine ist die damit verbundene Waffenhilfe von existenzieller Bedeutung. Denn wegen der monatelangen Verzögerungsmanöver der Republikaner ist der Waffen- und Munitionsnachschub aus den USA an die Ukraine immer spärlicher geflossen, während gleichzeitig die russische Armee ihre Angriffe gegen das Nachbarland auf allen Ebenen gefährlich verstärkt und ausgeweitet hat. Die Stromversorgung der Ukraine ist inzwischen durch russische Raketen- und Drohnenangriffe schwer beschädigt.
Selbst wenn die Verabschiedung des von Biden geschnürten Ukraine-Pakets doch noch zustande kommen sollte und die amerikanische Waffen- und Luftabwehrhilfe bald wieder in grösserem Umfang anrollen wird, so steht doch fest, dass die fatalen Verzögerungen im Wesentlichen auf den destruktiven Einfluss von Trump zurückzuführen sind. Vor allem im Repräsentantenhaus tanzen die Republikaner weitgehen nach seiner Pfeife. Trump hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass ihn das Schicksal der Ukraine wenig interessiert. Vielmehr ist ihm in erster Linie daran gelegen, Präsident Biden wo immer möglich als schwach und handlungsunfähig darzustellen. Um dies zu erreichen, nutzt er jede Gelegenheit, die um ihre Widerwahl besorgten und deshalb von ihm abhängigen Republikaner gegen Kompromisse einzuschwören. Diese Grundeinstellung dürfte sich auch durch das wahltaktisch motivierte Zugeständnis an den republikanischen Speaker im Repräsentantenhaus nicht gewandelt haben.
Nur mit Grausen stellt man sich vor, welches Schicksal der um ihr Überleben kämpfenden Ukraine beschieden sein könnte, falls der Egozentriker und Putin-Geistesverwandte Trump im November den Kampf ums Weisse Haus gewinnen sollte.