Fremdenfeindliche Ausschreitungen in den Neuen Bundesländern, in Hoyerswerda, in Rostock und jetzt in Chemnitz, geben immer wieder zu der Frage Anlass: Sind die Ostdeutschen rassistischer als die Westdeutschen? Die Antwort lautet: Nein, aber sie haben eine andere Geschichte.
In der DDR gab es nach offizieller Lesart keinen Rassismus, keine alten Nazis und sehr wenig Ausländer, und wenn, lebten sie getrennt vom Rest der Bevölkerung und fielen nicht auf. Unter der Oberfläche des staatlich verordneten Antifaschismus und Internationalismus aber mottete es weiter. Die alten Nazis hielten den Mund oder gingen in den Westen. Die Mitläufer des alten Regimes wurden die Mitläufer des neuen. Eine Vergangenheitsbewältigung wie im Westen fand nicht statt, da es sie in einem Volk, das angeblich aus lauter Antifaschisten bestand, ja auch gar nicht brauchte. Doch was verdrängt und nie aufgearbeitet wird, bricht sich bekanntlich irgendwann einmal Bahn. Wie, das bekommen wir zurzeit auf hässliche Weise vorgeführt.
Und für noch etwas bekommen wir heute die Rechnung präsentiert: für die Arroganz der Westdeutschen gegenüber den Ostdeutschen nach der Wende. Was der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz in seinem Buch „Gefühlsstau“ bereits 1990 diagnostizierte, hat sich Wort für Wort bewahrheitet. Der Anpassungszwang unter dem DDR-Regime und die dem Rausch der Befreiung auf den Fuss folgenden Demütigungen durch den Westen haben in der Psyche der Ostdeutschen tiefe und generationenübergreifende Spuren hinterlassen. In chauvinistischer Selbstbehauptung und fremdenfeindlichen Aufwallungen zeigen sie ihre pervertierende Wirkung.
Nicht generell allerdings. Denn es gibt auch die vielen Anderen - die, die aufgestanden sind gegen den braunen Mob und bewiesen haben, dass aus altem Unrecht nicht zwangsläufig neues hervorgehen muss. Sie sind die Hoffnungsträger in einem Europa, in dem Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit mehr und mehr salonfähig zu werden beginnen.