Drei Monate sind ins Land gegangen. Das ist der gewohnte Rhythmus in der Eurozone, in dem angeblich gelöste Krisen und Probleme wieder auftauchen. Greifen wir aus dem anhaltenden Gemurkse einen Strauss Sumpfblüten heraus.
Zum Beispiel Zypern
Es war Krisenbewältigung à la EU. Zuerst zuwarten, zuschauen, kein Problem sagen. Dann plötzlich Umstellung auf Krisenmodus, Nachtsitzungen, rote Köpfe, Drohungen, Erpressungen. Vor lediglich zwei Monaten wurde dann die Zypern-Krise «gelöst». Rettungspaket von 10 Milliarden Euro, alles wieder im grünen Bereich. Zum zweiten Mal in der noch jungen Geschichte des Euro wurden private Anleger und Investoren rasiert. Zuerst sollte sogar nicht einmal die Einlagensicherung bis 100 000 Euro für Kleinanleger respektiert werden.
Seither gibt es zum ersten Mal innerhalb der gleichen Währung zwei Arten von Euros. Den Euro-Euro und den zyprischen Euro, der Ausfuhrrestriktionen unterliegt. In den letzten zwei Monaten entwickelte sich auf Zypern das Übliche, wenn die EU eine Krise löst. Die Rezession fällt viel brutaler aus als angenommen, und natürlich wurde mit dem eilig zusammengenagelten Rettungspaket das Problem nur verschoben, nicht beseitigt. Inzwischen fordert die zyprische Regierung bereits einen Nachschlag, die Rettungsaktion sei «ohne sorgfältige Vorbereitung» erfolgt. Stirnrunzeln in Brüssel, tapfere Rückweisungen weiterer Finanzhilfe. Ach, Leute, das wird demnächst wieder zu Nachtsitzungen, roten Köpfen – und einem Rettungspaket fürs Rettungspaket enden.
Zum Beispiel Griechenland
Von einem Tag auf den anderen entdeckte die griechische Regierung, dass die staatlichen TV- und Radiostationen eigentlich so überflüssig wie viele andere staatliche Einrichtungen sind. Also wurde der Stecker rausgezogen, wurden mehr als 2000 Angestellte per sofort auf die Strasse gestellt. Das führte inzwischen zu einer Regierungskrise, denn Griechenland hat ja bekanntlich keine grösseren Probleme; neuerliche Neuwahlen stehen im Raum. Verständlich, dass deswegen natürlich bei den mit, Moment, man muss nachzählen, drei – oder waren es vier – endgültigen Rettungspaketen verbundenen Sparmassnahmen ein Marschhalt eingelegt werden muss.
Abgesehen davon, dass bei 26,8 Prozent Gesamtarbeitslosigkeit 2000 Medienschaffende nun auch keine grosse Rolle spielen. Schliesslich verlieren jeden Tag, jeden einzelnen Tag mehr als 1000 Griechen ihren Job. Aber keine Bange, die Krise ist ja gelöst. Und wenn nicht: Nachtsitzungen, rote Köpfe – und ein Rettungspaket fürs Rettungspaket des Rettungspakets.
Zum Beispiel die Banken
Da war mal die Idee, notleidenden europäischen Banken mit einer Bankenunion unter die Arme zu greifen. Bringt Stabilität in den Finanzsektor, schafft wie der ESM-Schirm einen Rettungsschirm für Banken, bringt Stabilität und Vertrauen. In Brüssel streitet man sich darüber, ob diese Bankenunion als Aufsichtsbehörde mit 50, 60 oder 70 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Liebe Leute, das sind ja Peanuts, wie ein Banker völlig zu recht sagen würde, nachdem er schallend gelacht hat.
Alleine in Bad Banks, also Giftmülldeponien für verfaulende Papiere, haben europäische Banken rund eine Billion Euro, das sind 1000 Milliarden, abgeschoben. Zudem weiss niemand, wie viele faule Kredite in den europäischen Bankbilanzen schlummern, die insgesamt 27 Billionen Euro ausmachen.
Das will die EU in ihrer unendlichen Weisheit erst 2014 mal genauer unter die Lupe nehmen. Bis dahin gilt der gute alte Bilanztrick: Kann ein Schuldner nicht zahlen, dann verlängern wir doch einfach den Kredit. Damit können wir ihn weiterhin als Aktiva verbuchen und der Schuldner, hat Zeit, ihn weiterhin nicht zu bedienen.
Zum Beispiel die EZB
Die Europäische Zentralbank hat ja in einer der vielen Eurokrisen, welche war das schon wieder, man verliert doch etwas den Überblick, tapfer verkündet, dass sie bereit sei, zur Sicherung des Euro «unbegrenzt» Staatsschuldpapiere aufzukaufen. Also einen Taschenspielertrick anzuwenden, den nur Staaten mit eigener Notenpresse vollführen können. Aus der linken Hosentasche werden Schuldscheine gezogen, in die rechte Hosentasche gesteckt, aus der sprudeln neu gedruckte Euros, die wiederum in die linke Tasche wandern. Also der Schuldner zahlt seine Schulden mit selbst hergestelltem Geld. Aberwitzig.
Am Ende der Haftungskette für solchen Unfug steht natürlich wie immer der Steuerzahler. Auch hier in vorderster Front der deutsche, denn welcher andere Staat hat denn noch Geld in der Eurozone. Deshalb beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit einer Klage, ob sich die EZB mit dieser Zusage Befugnisse angemasst hat, die ihr nicht zustünden. Sollten die Richter zum Ergebnis kommen, dass dem so sei, hat die EZB ein gröberes Problem.
Und der ganze Rest
Portugal? Krise, Rezession, nichts Neues. Spanien? Krise, Rezession, nichts Neues. Italien? Krise, Rezession, nichts Neues. Frankreich? Krise, Rezession, nichts Neues. Holland? Krise, Rezession, nichts Neues. Deutschland? Aberwitziger Aussenhandelsüberschuss, der mit Krediten finanziert wird, die deutsche Banken kriselnden Euro-Staaten geben. Nichts Neues.
Das einzig Neue ist, dass nach zwei Jahren europäischer Krisenpolitik, untauglichen Rettungen, verrösteten Finanzpaketen in Multimilliardenhöhe und der Wiederholung bis zum Erbrechen, dass nun aber wieder alles im Lot sei und man frohgemut in die Zukunft schauen könne, das Publikum ermüdet den Kopf wegdreht und sagt: Was, schon wieder Krise? Eine neue oder eine alte? Wie auch immer, das ist doch gähnlangweilig.
Massenarbeitslosigkeit, eine ganze Generation von Jugendlichen ohne Zukunft, Rezession, unbezahlbare Staatsschulden und verpulverte Rettungsmilliarden. Keine Hoffnung, keine Besserung in Sicht, kein Problem der Fehlkonstruktion Euro gelöst. Gebrochene Versprechungen am Laufmeter, Verantwortungslosigkeit und Inkompetenz der Regierenden und Eurokraten. Eigentlich ein Aberwitz, aber Europa hat sich offenbar entschlossen, darauf mit dem schnöseligen Satz zu reagieren: Na und?