Die ägyptische Regierung hat Ende Januar 17 ausländische NGOs, die in Kairo wirken, durchsuchen und schliessen lassen. Datenträger, Taschentelephone, Geld und Dokumentationen wurden beschlagnahmt und eine Untersuchung gegen sie angestrengt. Die Regierung ist nicht gegenüber dem Parlament verantwortlich. Sie hängt von der Militärführung ab, die sie ernannt hat. Die Regierung wirft den NGOs vor, ohne die notwendige offizielle Genehmigung in Ägypten gearbeitet und die Finanzierung aus dem Ausland entgegengenommen zu haben.
Menschenrechte und Demokratie
Es handelt sich um Organisationen, die sich international für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Unter ihnen befinden sich auch zwei, die den beiden grossen amerikanischen Parteien nahestehen, das "National Democratic Institute" und das "International Republican Institute". Beide hatten versucht, der jungen ägyptischen Demokratie beizustehen.
Sie gaben Kurse für die Ausbildung von Parteifunktionären und stellten auch Wahlbeobachter, die mit Bewilligung der Behörden die jüngsten Wahlen in Ägypten beobachteten. Andere NGOs befassten sich mit Menschenrechtsfragen. Die Menschenrechtler haben das blutige Vorgehen der Junta gegen Aktionen der Protestbewegung des öfteren öffentlich scharf kritisiert. Manche der Leiter der Protestbewegungen haben Ausbildungskurse in Amerika durchgemacht. Die Protestbewegung fordert dieser Tage unüberhörbar den sofortigen Rücktritt der Offiziersführung.
Arbeiten ohne Lizenz
Die Leiter dieser Organisationen erklären übereinstimmend, sie hätten sich darum bemüht, vom Ministerium für soziale Angelegenheiten die offizielle Zulassung zu erlangen. Doch die Beamten hätten ihnen bedeutet, sie sollten zuerst beginnen zu wirken, Büros eröffnen und ägyptische Mitarbeiter einstellen. Wenn ihr Betrieb laufe, erhielten sie auch die offizielle Zulassung. Doch diese sei nie wirklich erteilt worden. Wer die ägyptische Bürokratie kennt, weiss, dass derartige Vorgänge - wohlwollende Zusagen und Versprechen, aber ohne die endgültige Zulassung - in der Tat keine Seltenheit sind.
Zu Beginn der Herrschaft der Militärführung, als über die bevorstehenden Wahlen gesprochen wurde, liessen die Generäle verlauten, ausländische Wahlbeobachter würden in Ägypten verboten. Die Politiker und die Parteien bemühten sich dann, die Offiziere zu überzeugen, dass Wahlbeobachter aus dem Ausland keinen Eingriff in die ägyptische Souveränität bedeuteten und dass solche in vielen Wahlen als Garanten ehrlicher Wahlen mitwirkten. Mit einiger Mühe liessen die Offiziere sich überreden und erlaubten die Wahlbeobachter doch noch.
"Heimliche Hände" aus dem Ausland
Später, als die Bevölkerung und die revolutionären Gruppen immer häufiger und blutiger mit den Sicherheitstruppen der Militärjunta zusammenstiessen und Todesopfer beklagt wurden, entwickelten die Generäle eine Rhetorik, die auf angebliche ausländische Kräfte verwies, die hinter den Unruhestiftern steckten. Je mehr Opfer zu beklagen waren, desto nachdrücklicher sprachen die Militärs von diesen angeblichen Anstiftern aus dem Ausland, welche die Ägypter verführten. Sie behaupteten auch, wenn es Tote und Verletzte gebe, so seien sie auf solche "verborgenen Hände" zurückzuführen und könnten nicht der Polizei oder der Armee angelastet werden.
Das Vorgehen gegen die ausländischen NGOs macht deutlich, dass die leitenden Offiziere, oder mindestens einige von ihnen, diese Organisationen verdächtigen, sie seien die von ihnen angeprangerte "Hand" hinter den Unruhen. Es kommt nicht selten vor, dass Politiker oder politische Führer propagandistische Darstellungen, die sie erfunden und proklamiert haben, am Ende selbst glauben. Sie haben ja auch ein Interesse daran, sie zu glauben.
Unerfüllte Zusagen
Die amerikanischen Diplomaten, die Botschafterin in Kairo und sogar Frau Clinton persönlich wurden sofort vorstellig und forderten die Wiedereröffnung und die Rückgabe der beschlagnahmten Dokumente. Sie erhielten Zusicherungen, dass alles sofort geregelt werde. Es habe sich nur um ein Missverständnis gehandelt. Doch die NGOs blieben geschlossen, und eine Untersuchung gegen ihre Leiter begann. Ein Gericht verfügte sogar, dass diese nicht aus Ägypten ausreisen dürfen. Einer der Leiter, Sam LaHood, ist der Sohn eines amerikanischen Staatssekretärs für Transportwesen, Ray LaHood, des einzigen Republikaners, der zur Regierung Obamas gehört. Er und eine amerikanische Kollegin haben inzwischen in der amerikanischen Botschaft in Kairo Zuflucht gesucht.
Der amerikanische Senat befasste sich mit der Angelegenheit, und eine Gruppe von Senatoren forderte die Regierung auf, die Hilfsgelder an Ägypten zurückzuhalten, solange die Sache nicht bereinigt sei. Diese Gelder betrugen zu Zeiten Mubaraks rund 1,3 Milliarden jährlich. Etwa drei Viertel davon ging an die Armee. Schon vor den Zwischenfällen mit den NGOs gab es Stimmen im Kongress, diese Gelder müssten künftig daran gebunden werden, dass Ägypten seinen Frieden mit Israel aufrecht erhalte und Fortschritte auf Demokratie hin mache. Dies, weil Befürchtungen laut wurden, der Friedensvertrag könnte unter dem neuen Regime nicht mehr im gleichen Masse gewährleistet sein wie unter Mubarak. Der Frieden mit Israel ist nach wie vor sehr unbeliebt bei der Bevölkerung.
Militärdelegation in Washington
Während die Auseinandersetzungen um die NOGs noch andauern, ist eine Delegation von ägyptischen Offizieren in die USA geflogen, um die Fortsetzung der Hilfsgelder sicherzustellen. Doch Frau Clinton persönlich hat der Militärführung klar gemacht, die Gelder könnten gefährdet sein, wenn die Schritte gegen die NGOs nicht rückgängig gemacht würden. Im gleichen Sinn telephonierte Verteidigungsminister Panetta mit SCAF Oberhaupt Marschall Tantawi.
Möglicherweise werden die Offiziere der Militärführung ein Einsehen haben und die NGOs in Ägypten wieder arbeiten lassen. Doch die Sache ist nun schon so weit gediehen, dass ein Nachgeben der Militärführung ihr ohnehin angeschlagenes Prestige noch weiter schädigen dürfte. Deshalb ist es auch denkbar, dass sie bei ihrer bisherigen Haltung bleiben und wirklich versuchen werden, die NGOs als die "verborgenen Hände" zu entlarven, die sie zu denunzieren pflegen, sobald die ägyptischen Sicherheitskräfte erneut Demonstranten in den Strassen erschlagen, vergasen oder erschiessen.