Seit Tagen wird über einen unnötigen Streit im Dreieck Redaktionsleitung „Literturclub“ – Moderator Stefan Zweifel – Diskutantin Elke Heidenreich mehr geschrieben als über den trefflichen „Literaturclub“ seit Jahren.
Der Eklat
In der Diskussion des von allen Club-Lektoren gelesenen „Schwarzen Hefts“ von Martin Heidegger (1939-1941) empörte sich Elke Heidenreich nach (sehr) langer behutsamer Einführung durch Zweifel: „Ein Satz wie ‚Die verborgene Deutschheit‘ müsse man entbergen. Und das tun wir, indem wir die Juden endlich beseitigen aus Deutschland…[Stimme fragend hochgezogen]“. Zweifel: „Also dieser Satz steht aber nicht im Band, über den wir jetzt reden“. Heidenreich, scharf: „Doch“. Das wiederholte sich zweimal, bis Heidenreich das Heft „ungeduldig und unnnötig heftig auf den Tisch warf“, wie sie im „Tages-Anzeiger“ von heute Dienstag bedauerte.
Zweifel bat die Sendeleitung um klärende Prüfung des Zitats. Schliesslich ging es auch um seinen Ruf. Die Redaktionsleitung liess mitteilen, dafür sei sie nicht da. Beim nächsten Gespräch über die anstehende Bücherauswahl teilte Leiterin Esther Schneider dem Kollegen Zweifel mit, er möge als Moderator zurücktreten (womit er vor zwei Jahren schon selber kokettiert hatte), aber in der Runde verbleiben. Jetzt wandte sich Zweifel an Schneiders Vorgesetzte, SRF-Kulturchefin Nathalie Wappler, und bestand auf Klärung des Zitats. Andernfalls müsse Schneider die Leitung abgeben.
Holz- und Auswege
Für mich, als damaliger Chefredaktor vor 15 Jahren verantwortlich auch für den „Literaturclub“, ist die Sache klar.
- Elke Heidenreich hat sich unprofessionell verhalten. Sie begründet ihre überaus verständliche Abneigung gegen den biegsamen Nazi-Sympathisanten und Antisemiten Heidegger, nach dem ersten, dem Buch entnommenen Satzteil habe sie „hochgesehen“ und das von ihr „herausgelesene“ Fazit angeboten: In fragender Intonation. Das ist glaubhaft, Frau Heidenreich. Aber Zweifel hat diese angestrebte Zweiteilung nicht mitbekommen – ich auch nicht, nach dreimaligem Ansehen des Ausschnitts – und höflich protestiert (viel höflicher, als Heidenreich mit Wort und Geste replizierte).
- Frau Heidenreich hätte ihr echtes Zitat ruhig mit dem Doppelwort abschliessen können: “Ende Zitat“. Das tun gewiefte Debatter ohne Zögern – der Transparenz zuliebe. Und Heidenreich ist eine sturmerprobte Debatterin. Sie hätte das auch nach Zweifels erstem Einwand nachholen können. Aber daran hat sie die überdeutlich spürbare Aversion gegen den Moderationsleiter, ihr temperamentmässig anders gestricktes Gegenstück, eben gehindert.
- Was tut eine zuhilfe gerufene Sendeverantwortliche in einem solchen Konflikt, wo es auch um Renommé und Reputation geht? Sie gibt sich einen Ruck, steigt hinein, hört beide Protagonisten an, zieht eine Schlussfolgerung und gibt diese bekannt. Da sich alles vor Publikum abgespielt hat, kommuniziert sie auch mit dem Publikum – zwei Sätze in einem knappen Communiqué genügen. Hätte Elke Heidenreich ihre Contenance wieder gefunden, wäre ihr dies wohl auch einen lächelnd ausgesprochenen Satz im nächsten „Club“ wert gewesen. Und fürchtete sich die Sendeleiterin vor diesem Schritt, hätte ihr die Kulturchefin einen Stoss geben dürfen.