Ein Highlight für jeden Touristen sind bis heute die US-Oldtimer, die neben Ladas und neueren Autos aus Südkorea und China immer noch das Strassenbild beherrschen. Da die letzten Exemplare 1958 importiert wurden, beweisen die Chevrolets, Pontiacs, Buicks, Oldsmobiles usw. zudem, dass man damals noch unkaputtbare Autos baute.
Die eigenen vier Räder
Bis vor anderthalb Jahren gab es für einen Kubaner genau zwei Möglichkeiten, ein Auto zu besitzen. Er war schon vor 1959 Eigentümer oder er gehörte zu den wenigen Glücklichen, die aufgrund ausserordentlicher revolutionärer Leistungen ganz früher mal ausgerechnet einen Alfa Romeo oder später einen Lada vom Staat geschenkt bekommen hatte. Allerdings war dieser Besitz vererblich, jedoch nicht handelbar.
Im Rahmen seiner zaghaften Wirtschaftsreformen überraschte dann Staatspräsident Raúl Castro seine Genossen mit der Mitteilung, dass neu nicht nur Häuser oder Wohnungen, sondern auch Autos frei verkäuflich sind. Allerdings nur, wenn sie bereits auf der Insel zirkulieren. Da spielte dann schnell das kapitalistische Prinzip von viel Nachfrage und wenig Angebot. Ein noch fahrtüchtiger Oldtimer: 20'000 Franken aufwärts. Ein einigermassen unterhaltener Lada: 30'000 Franken und mehr. Sondermodelle wie Jeeps oder modernere Fahrzeuge: ab 50'000 Franken ist man dabei. Ja, umgerechnet in Schweizerfranken.
Endlich Importe
Mitte Dezember, sozusagen als Weihnachtsgeschenk, kündigte die Regierung dann an, dass ab 2014 Kubaner auch importierte Neuwagen kaufen dürfen. Kuba-Kenner befürchteten schon, dass Havanna seinen einmaligen Status als einzige lateinamerikanische und karibische Hauptstadt verlieren würde, in der es weder Staus noch Parkplatzprobleme gibt. Aber da täuschten sich Kuba-Kenner natürlich wieder. Denn das grüne Anliegen von möglichst wenig Individualverkehr wird auf eine Art umgesetzt, die für rote Köpfe sorgt.
Vor wenigen Tagen stellte die Peugeot-Vertretung in Havanna die erste Preisliste ins Schaufenster. Vor der bildeten sich dann schnell Trauben von fluchenden Kubanern. Das billigste Modell, ein Peugeot 206+, kostet schlappe 91'113.23 CUC, das sind umgerechnet rund 84'000 Franken. Ein Peugeot 4008, in der Hochpreisinsel Schweiz zum Listenpreis von 38'000 Franken erhältlich, kostet, bitte anschnallen, 220'000 Franken. Einer geht noch: Das Modell 508, hierzulande ab 30'900 Franken zu haben, kostet in Havanna 241'000 Franken.
Wem also ein Rolls-Royce als zu angeberisch erscheint, kann auf Understatement machen und in Kuba einen Mittelklassewagen für den gleichen Preis erwerben. Allerdings nur, wenn er Kubaner ist. Dem steht höchstens entgegen, dass der Kubaner bei einem Durchschnittseinkommen von 350 Pesos cubanos, was rund 14 Franken im Monat entspricht, lediglich 6500 Monate lang alles sparen müsste. Da das 541 Jahren entspricht, hätte der Kubaner allerdings noch vor der Entdeckung der Insel durch Kolumbus damit anfangen müssen.
Absicht oder Dummheit?
Im Rahmen der zaghaften Wirtschaftsreformen wurde es Kubanern zudem erlaubt, vor ihrem Haus- oder Wohnungseingang kleine Läden aufzumachen. Pizza, Getränke, Reparaturwerkstatt, Kleiderverkauf, Dienstleistungen aller Art. Dazu brauchte es lediglich eine Lizenz für rund 370 Franken, monatlich zu entrichtende Steuern auf Verhandlungsbasis, und los ging’s.
Einige clevere Kubaner räumten dann einfach regelmässig ein Regal im nächsten staatlichen Supermarkt leer, Waschmittel, Getränke, Büchsentomaten, was auch immer, und verkauften die Waren zu deutlich überhöhten Preisen im eigenen Lädelchen. Da der Staatsladen mindestens eine Woche, eher einen Monat braucht, um das Regal wieder aufzufüllen, und Transport in Havanna eben so eine Sache ist, ein Bombengeschäft, das für Ärger und Protest sorgte.
Statt nun die Einkaufsmengen zu beschränken, beschloss die kubanische Regierung, all diesen Läden per 6. Januar 2014 den Stecker rauszuziehen. Da auch 370 Franken für die Lizenz für einen Kubaner eine ziemliche Investition ist, fluchen nun alle ehemaligen Ladenbesitzer, die ihr Geschäft natürlich illegal in den Hinterhof verlegen und die Preise deutlich anheben, denn das Leerräumen von Regalen in Staatsläden ist weiterhin erlaubt. Aber verständlich: mehr Risiko, höhere Preise. Der Kuba-Kenner steht wieder vor der ewigen Frage, ob diese Autopreise und diese Massnahme Ausdruck von Dummheit oder Absicht ist.
Üben, üben, üben
Nicht nur für Kubaner, sondern vor allem für ausländische Investoren herrscht nach wie vor Rechts- und Handlungsunsicherheit. Jeder Geschäftsmann weiss: Ob eine heute getätigte Investition in sechs Monaten, in einem Jahr noch den gleichen Rahmenbedingungen unterliegt, ist höchst unsicher. Also sagt sich jeder: Hohes Risiko, möglichst schneller Return on Investment. Wenn ich 50'000 Franken investiere, will ich die spätestens nach einem Jahr wieder in der Kasse haben, entsprechend muss ich meinen Profit ansetzen.
Auf diese Art wird weder die bescheidene einheimische Investitionskraft stimuliert noch das Interesse ausländischer Firmen, grössere Beträge in die Hand zu nehmen. Ganz abgesehen davon, dass auch Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung und Geschäftslizenz in Kuba ziemlich tief in die Tasche greifen müssen, um so etwas Banales wie das Transportproblem zu lösen. Auf den öffentlichen Verkehr kann man dabei auch nicht zählen. Vor drei Jahren wurde wieder einmal eine Flotte von mehr als 1000 Bussen aus China importiert, um in erster Linie in der ziemlich weitläufigen Hauptstadt dem öffentlichen Verkehr auf die Beine zu helfen. Da aber, seit 55 Jahren immer das Gleiche, nicht an den Ankauf von Ersatzteilen und Unterhalt gedacht wurde, ist von diesen Bussen inzwischen nur mehr ein Bruchteil in fahrtüchtigem Zustand.
Der grosse Rest wurde mit typisch kubanischer Improvisationskunst als Ersatzteillager ausgeschlachtet. Man kann der kubanischen Regierung wohlwollend zubilligen, dass nach 50 Jahren zentral gelenkter Planwirtschaft der Einstieg in Kleinunternehmertum, Handlungssicherheit, Marktpreise und andere hässliche Erscheinungsformen des Kapitalismus nicht im ersten Anlauf gelingt. Aber mit Massnahmen wie freier Autokauf, aber zu Mondpreisen, oder Lizenzierung von Kleinstläden und anschliessendes Verbot wird es wohl nichts mit der vorsichtigen Umgestaltung der Wirtschaft.