Alle haben sie eines gemeinsam: sie stehen Staatspräsident Sarkozy nahe oder sogar sehr nahe. Dessen politische Zukunft ist, nicht nur auf Grund seiner Nähe zu eher zweifelhaften Zeitgenossen, plötzlich alles andere als rosig.
Die ehemalige Buchhalterin der L‘Oreal-Erbin Lilianne Bettencourt hat vor den Untersuchungsrichtern in Bordeaux und in einem interview der Tageszeitung „Libération“ jüngst noch einmal deutlich ausgesagt, was sie Monate vorher schon beteuert hatte: Ja, sie hat vor den Präsidentschaftswahlen 2007 für den Schatzmeister von Sarkozys UMP-Partei und späteren Arbeitsminister, Eric Woerth, im Hause Bettencourt 50 000 Euro in einem Umschlag vorbereitet. Und sie hat erzählt, wie sie nach ihrer ersten Aussage zwölf Tage und manche Nächte lang von Polizei und Geheimdienst pausenlos verhört worden war, mit dem einzigen Ziel, ihre Aussagen zurückzuziehen, und dass sie als einfache Zeugin behandelt wurde, als sei sie eine Verbrecherin.
Weil ähnliche Informationen über die Bettencourt-Affäre, die gefährlich an Nicolas Sarkozy heranrückt und die für die Regierung eher unangenehm sind, auch früher schon in der Presse erschienen waren - etwa Verhörprotokolle von gewissen Akteuren dieser Affäre in der Abendzeitung „Le Monde“ – hatte Oberstaatsanwalt Philippe Courroye – ein Intimus von Präsident Sarkozy, der gegen den Widerstand seiner eigenen Berufsvereinigung vom Staatspräsidenten auf diesen sensiblen Posten am Gericht in Nanterre platziert wurde, weil dort alles , was an eher dunklen Geschäften im noblen Vorort Neuilly, im superreichen Departement Hauts-de-Seine oder im Geschäfts- und Büroviertel La Défense auffliegt, zur Verhandlung kommt – oder, Dank Staatsanwalt Courroye, eben auch nicht.
Dieser Philippe Couroye, der mit dem Staatspräsidenten – was sich nun wirklich nicht gehört – des öfteren zu Abend gegessen hat und aus seiner Freundschaft zu ihm keinen Hehl macht, veranlasste den Chef der Nationalen Polizei - einen Jugendfreund von Nicolas Sarkozy und den Direktor des Innlandsgeheimdienstes, ebenfalls ein alter, korsischer Bekannter von Nicolas Sarkozy, über die Listen der Handyanbieter herauszufinden, von wem die beiden Le Monde-Journalisten ihre Informationen bezogen haben könnten - ein klarer Verstoss gegen ein Gesetz aus dem Jahr 2010, das die Regierung unter Sarkozy selbst verabschiedet hatte.
Der „Schuldige“, so fanden die versierten Polizisten heraus, sass im Justizministerium und wurde umgehend geschasst, in die Wüste bzw. in den Dschungel geschickt, beauftragt, sich um das künftige Justizwesen in Cayenne , im Überseedepartement Französisch-Guyana zu kümmern. Alle drei Sarko-Boys aber, Staatsanwalt, Polizei- und Geheimdienstchef werden nun vor einer Untersuchungsrichterin aussagen müssen. Besonders die Einvernahme eines Staatsanwaltes hat etwas reichlich Ungewöhnliches in Frankreichs Justizlandschaft.
Dunkelmann Nummer 1
Fast gleichzeitig machte dann ein gewisser Robert Bourgi von sich reden, ein etwas zweifelhafter Rechtsanwalt, der sich in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich mit Afrika beschäftigte und seit den Neunzigerjahren tat, was zwischen Frankreich und seinen ehemaligen Kolonien seit einem halben Jahrhundert üblich und im Grunde allgemein bekannt ist, aber noch nie von jemandem in einer derartigen Deutlichkeit und bis in alle Einzelheiten gesagt und beschrieben wurde: Robert Bourgi transportierte regelmässig, besonders vor Wahlen, die von afrikanischen Potentaten, wie etwa Omar Bongo, gefüllten Geldkoffer ins Pariser Rathaus, als Jacques Chirac dort noch Bürgermeister war, ab 1995 dann in den Präsidentenpalast, wo das Geld überwiegend vom Generalsekretär des Elysée in Empfang genommen wurde, der damals Dominique de Villepin hiess. Manchmal kam das Geld in apartester Verkleidung daher, etwa in vier traditionellen afrikanischen Trommeln versteckt, manchmal musste man die Schranktüren mit dem Fuss zutreten, damit die Türen überhaupt geschlossen werden konnten.
Chiracs früherer und langjähriger Chauffeur hat inzwischen bestätigt, dass er in jenen Jahren Robert Bourgi dutzende Male vom Prominentenflughafen Le Bourget direkt zu Jacques Chirac chauffiert hatte. Noch im September 2007 hatte Nicolas Sarkozy persönlich diesem Sondergesandten für Bares die Ehrenlegion verliehen mit den Worten: “Ich weiss, lieber Robert, dass ich auf deine effiziente und diskrete Mitarbeit bei der Aussenpolitik Frankreichs zählen kann.“
Doch irgendwann wurde der altgediente Bourgi abgeschoben, Alain Juppé zum Beispiel, der neue Aussenminister, wollte mit dessen Methoden nichts mehr zu tun haben und hat den verdienstvollen, diskreten Mittelsmann zwischen afrikanischen Diktatoren und konservativen französischen Parteikassen bei einer Afrikareise einfach von der Gästeliste gestrichen - Bourgi hat sich daraufhin mit mehreren Interviews auf seine Art gerächt. Auch in diesem Fall müsste ihm ein Richter ein paar Fragen stellen über die Destination dieser schwarzen Gelder. Und auch wenn Bourgi in erster Linie Chirac und de Villepin anklagt, so ist doch alles andere als sicher, dass diese Geldflüsse nach 2007 unter Sarkozy wirklich gestoppt wurden, schliesslich hatte der neu gewählte französische Präsident Bourgi nicht nur die Ehrenlegion verliehen, sondern als einen der ersten ausländischen Staatsmänner überhaupt im Mai 2007 keinen geringeren als Omar Bongo, den altgedienten Präsidenten Gabuns empfangen.
Dunkelmann Nummer 2
Ziad Takieddine, ein Franko-Libanese, ist einer dieser in Frankreich anscheinend unumgänglichen Mittelsmännner, wenn es darum geht, Grossaufträge für Lieferungen von Waffen, schwerem Kriegsgerät, anderen Industriegütern oder Grossbaustellen an Land zu ziehen. Takieddine war, auch wenn er dies bestreitet, unter anderem in den Jahren 1991 bis 94 in den berühmten Verkauf von Unterseeboten an Pakistan beteiligt – was sich zur berühmten Karachi Affäre ausgeweitet hat - und an einem noch höher dotierten Verkauf von Fregatten an Saudi-Arabien – bei beiden Affären sind Provisionen in insgesamt dreistelliger Millionenhöhe über den Tisch gegangen, wovon ein Teil aller Wahrscheinlichkeit nach wieder nach Frankreich in die ein oder andere Partei- oder Privatkasse zurückgeflossen sein dürfte.
Takieddine jedenfalls ist ein Mann, der durch seine undurchsichtigen Vermittlertätigkeiten innerhalb weniger Jahre ein Vermögen von mindestens 100 Millionen Euro angehäuft hat, eines der luxuriösesten Stadthäuser in Paris besitzt, ein ähnliches in London und ein immenses Anwesen an einem der teuersten Orte der Côte d’Azur, in Antibes. Doch eigenartigerweise hat dieser schwerreiche diskrete Vermittler in Frankreich seit Jahren keinen einzigen Euro Steuern bezahlt.
Und er hat sich im Lauf der Jahre eine ganze Reihe von Präsident Sarkoys engsten Gefährten zu seinen Verpflichteten gemacht, sie in den Jahren 2002 und 2003 grosszügig in seinem Anwesen in Antibes an der Côte d'Azur empfangen, sie auf seiner Yacht durchs Mittelmeer geschippert oder in den Libanon eingeladen – davon existieren eine ganze Reihe klassischer Urlaubsphotos.
Diese von Takieddine umworbenen Herrschaften waren der heutige Chef der Sarkozy Partei UMP, Jean Francois Coppé mit Gattin, ausserdem Brice Hortefeux, Sarkozys Intimfreund seit über 30 Jahren, ebenfalls von seiner Frau begleitet und ein gewisser Thierry Gaubert, welcher Nicolas Sarkozy seit 1983 kennt, als der heutige Präsident noch Bürgermeister von Neuilly war. Gaubert war Sarkozy bis 1993 als Kabinettschef ins Budgetministerium gefolgt.
Dieser Thierry Gaubert hat mit Ziad Takieddine jetzt ein gemeinsames Problem: beide leben sie derzeit in extrem konfliktreichen Scheidungen – und von dieser Tatsache haben die Untersuchungsrichter, die sich mit der Karachi-Affäre und der mehr als unklaren Finanzierung des Präsidentschaftswahlkampfs von Edouard Balladur 1995 befassen, ausgiebig profitiert. Madame Takieddine zum Beispiel übergab ihnen einen USB-Sticker, der dutzende von Offshore-Konten enthält, die von ihrem Mann gemanagt werden. Und Madame Gaubert - mit Mädchennamen Prinzessin Hélène de Yougoslavie - erzählte freimütig, dass ihr Gatte Anfang der Neunzigerjahre, oft von Ziad Takiedddine begleitet, von Paris via London nach Genf und auf dem gleichen Weg mit Geldkoffern wieder zurückflog, um die geballten Banknoten einem gewissen Nicolas Bazire zu übergeben.
Dieser Nicolas Bazire war und ist aber nun nicht einfach irgend jemand. Er ist heute die Nummer 2 des Luxuskonzerns LVMH, war von 1993 bis 1995 der junge Kabinettschef von Premierminister Edouard Balladur, dann sein Wahlkampfleiter im Ringen um die Präsidentschaft 1995 und zusammen mit Nicolas Sarkozy, der damals Wahlkampfsprecher war, einer der wichtigsten Berater des später gegen Chirac unterlegenen Balladur.
Chirac, der in seiner oft kruden Sprache damals über diese beiden Jungpolitiker gesagt haben soll: „Diese beiden Nicolas sind unverschämte Knaben, die von sich überzeugt sind, dass sie jeden Tag die Welt neu in ihre Windeln scheissen“. Heute will keiner dieser beiden Nicolas wissen, woher damals zum Beispiel zehn Millionen Francs kamen, die bar auf das Wahlkampfkonto von Edouard Balladur einbezahlt wurden und noch weniger, was an Kommissionen beim U-Boot-Geschäft mit Pakistan wieder nach Frankreich zurückgeflossen ist.
Ziad Takieddine, Thierry Gaubert und Nicolas Bazire – Trauzeuge bei Sarkozys Hochzeit mit Carla Bruni und vom Präsidenten ebenfalls mit der Ehrenlegion ausgestattet - sind inzwischen wegen Missbrauchs öffentlicher Gelder angeklagt – und Präsident Sarkozy versucht so zu tun, als hätte er mit diesen Menschen nicht sonderlich viel zu tun gehabt, ebenso wenig wie mit Robert Bourgi und seinen engen Freunden ganz oben in der Hierarchie der Polizei und der Geheimdienste.
Doch das ist noch nicht alles. Wie gross die Aufregung im Lager rund um Sarkozy derzeit ist, mag ein Telefongespräch zeigen, das Sarkoys alter Vertrauensmann und ehemaliger Innenminister, Brice Hortefeux, mit dem Geldkofferträger Thierry Gaubert geführt hat. Sein Pech dabei: Gauberts Telefon wurde abgehört. Und Hortefeux klang verzweifelt darüber, was Gauberts Frau der Polizei alles erzählt hatte. „Sie spuckt sehr viel aus" und „die Polizisten wissen enorm viel“ - waren zwei seiner Sätze. Woher aber, so die Frage, wusste Brice Hortefeux, der momentan keinerlei offizielle Funktion hat, überhaupt vom Inhalt dieses abgehörten Telefongesprächs? Auch ihm wird ein Verhör vor dem Untersuchungsrichter nicht erspart bleiben und als Chef der Wahlkampagne 2012 für Sarkozy, wofür er bisher vorgesehen war, dürfte er beim besten Willen nicht mehr in Frage kommen.
Dunkelmann Nummer 3
Alexander Djouhri, Anfang 50, ist mit Sicherheit die undurchsichtigste Figur in der Reihe von Dunkelmännern, die derzeit um das Zentrum der französischen Macht kreisen, ja auf Grund ihrer dubiosen Tätigkeiten und ihres Verhaltens gelegentlich den Eindruck vermitteln, Teil dieser Macht zu sein, ja die Mächtigen zu beherrschen.
Hat nicht Djouhris Kontrahent und Ebenbild, Ziad Takieddine, der Djouhri indirekt eines Mordversuchs gegen ihn beschuldigt hat, nach seiner jüngsten Anklage durch den Untersuchungsrichter in einem Fernsehinterview reichlich unverschämt und wie selbstverständlich gefordert, von Präsident Sarkozy so schnell wie möglich empfangen zu werden und sei es nur eine Viertelstunde lang, dann sei alles geregelt. Das klang schlicht und einfach wie eine Drohung.
Während Takieddine erst für Balladur und dann für Sarkozy gearbeitet hat, war Alexander Djouhri ab Anfang der Jahre 2000 der Mann von Jacques Chirac und vor allem von Dominique de Villepin. Aufgewachsen in einer kinderreichen Familie im nördlichen Pariser Problemvorort Sarcelles, in seiner Jugendzeit Mitglied mehrerer Banden und des öfteren mit dem Gesetz in Konflikt, umgab er sich später auch mit Freunden, die illegale Spielkasinos betrieben. Anfang der Achtzigerahre hatte er einen Schuss in den Rücken bekommen und überlebt. Heute lädt Alexander Djouhri, dessen Vornamen füher Ahmed war, seine Gäste ins Hotel Bristol neben dem Elyséepalast und dem Innenministerium ein oder ins Plaza Athène, ordert einen Petrus oder einen Château Latour zum Preis von 3 000 Euro die Flasche, zeigt sich mit Dominique de Villepin in den besten Hotels von Monaco, Marrrakech oder Gstaad, duzt Industriebosse wie den neuen Chef des Stromriesen EDF, Henri Proglio, oder nennt den heute 85-jährigen Flugzeugbauer Serge Dassault ganz einfach „Sergio“.
Djouhri ist einer, der angeblich enorm viel Charme besitzt, zugleich aber in der Lage ist, reichlich Angst einzuflössen. Er hat gegen eine der Stars der Pariser Kommunikationsagenturen, die einen seiner Freunde angeblich schlecht beraten hatte, offene Drohungen ausgesprochen und als der Waffenhändler Pierre Falcone, der im so genannten „Angolagate“ - Waffenlieferungen via Frankeich an Dos Santos - nicht wie vorgesehen freigesprochen, sondern aus dem Gerichtssaaal direkt ins Gefängnis gebracht wurde, beschimpfte Djouhri Präsident Sarkozys juristischen Berater, Patrick Ouart, er sei ein Versager, zudem ein Rassist und angesichts seiner Leibesfülle mit einer Kugel eigentlich nicht zu verfehlen.
Einen Monat später gab Patrick Ouart seinen Posten auf und ging wieder in die Privatwirtschaft zurück. Irgendwann in den Achtzigerahren, als sich Ahmed Djouhri noch im kriminellen oder halkriminellen Milieu bewegte, muss ihn die Polizei als Spitzel angeheuert haben – so duzt er heute etwa auch den jetzt in Schwierigkeiten geratenen Chef des Geheimdienstes, Bernard Squarcini, der ihm - ein völlig unübliches Vorgehen und aus welchen Gründen auch immer– in den Achtzigerahren ein überaus positives schriftliches Leumundszeugnis ausgestellt hat. Kurze Zeit später erhielt Ahmed Djouhri mit seiner dubiosen Vergangenheit innerhalb kürzester Zeit die französische Staatsbürgerschaft und nennt sich sich seitdem mit Vornamen Alexander. Irgendwann in den Neunzigerjahren wandelte er sich zu einem eher undurchsichtigen Geschäftsmann mit Steuersitz in der Schweiz.
Djouhri hat zunächst, für Chirac und de Villepin arbeitend, seine Provisionen als Vermittler eingeheimst bei Geschäften ebenfalls im mittleren Osten und in Nordafrika, was den Markt der Wasserversorgung für Frankreichs Grosskonzern Videndi Environnement, heute Veolia, angeht, aber auch mit Libyen und mit Russland.
Doch als Djouhri 2006 verstand, dass Dominique de Villepin keinerlei Chancen mehr hat, die Präsidentschftswahl im Jahr darauf zu gewinnen, wechselt er, ohne mit der Wimper zu zucken, das Pferd und schlug sich auf die Seite von Nicolas Sarkozy. Wie hattte sich doch der Präsident während eines nächtlichen Langstreckenfluges bei einer Plauderei mit Journalisten im Jahr 2008 ausgedrückt? „Glücklicherweise ist er zu Kreuz gekrochen und nach Canossa gegangen, sonst hätte er irgendwann mit einer Kugel zwischen seinen beiden Augen geendet“. Worte des französischen Präsidenten. Seitdem geht Djouhri aber im Elyséepalast ein und aus, wie es ihm gefällt, war an Frankreichs Libyengeschäften beteiligt, die sich anbahnten, bevor Sarkozy sich zum Kriegsherren verwandelte und hat augenblicklich offenbar sogar ein Wort mitzureden bei der Neustrukturierung der französischen Atomindustrie .
Pierre Péan, heute über 70, einer der besten und renommiertesten Investigationsjournalisten und Autoren Frankreichs, hat jetzt ein über 300 Seiten starkes Buch geschrieben unter dem Titel „Die Republik der Geldkoffer“ mit dem Anspruch, die Frage zu beantworten, wie es sein kann, dass ein Alexander Djouhri in einer normalen westlichen Republik heute eine derartige Machtposition ausüben kann. Eine wirklich Antwort auf diese Frage, so räumt der Autor offenherzig ein, hat auch er nach jahrlangen Recherchen nicht gefunden. Auch er kann sich nur wundern, dass ein Land wie Frankreich für seine Industriepolitik und seine Exporte zwielichtige Gestalten wie Takieddine oder Djouhry offensichtlich für unumgänglich hält und feststellen, dass der treibende Faktor dahinter das Geld ist, das grosse, nicht offizielle Geld der über Steuerparadiese zirkulierenden Provisionen und Retrokommissionen.
Und der Präsident?
Frankreichs Politik scheint angesichts derartiger Vorgänge, wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen, eine einzige Kloake zu sein, wobei der Präsident hartnäckig schweigt, zu seiner Verteidigung im Grunde auch nichts Wesentliches zu sagen hat. Wenn man daran denkt, dass dieser Mann nach seiner Wahl 2007 laut dröhnend eine saubere, eine über jeden Verdacht erhabene Republik versprochen hatte, kann man heute nur lachen.
In einem normalen westlichen demokratischen Land wären all die, von denen hier die Rede war, schon längst in die Wüste geschickt worden oder wie selbstverständlich, aus eigenen Stücken gegangen. Nicht so in Frankreich. Dabei rücken die Skandale immer näher an den Präsidenten selbst heran, ein Präsident, der jetzt in seiner nicht einmal fünfährigen Amtszeit auch die fünfte Wahl mit Pauken und Trompeten verloren hat: nach Europa-, Regional-, Kommunal- und Kantonalswahlen jetzt auch noch die Wahlen um den Senat, wo die Linke erstmals überhaupt die Mehrheit errungen hat - eine Niederlage von höchster symbolischer Bedeutung - denn die zweite Kammer des französischen Parlaments, die von rund 70'000 Wahlmännern gewählt wird, war seit Gründung der Institution 1958 unumstösslich konservativ dominiert, repräsentierte das tiefe, ländliche Frankreich der Provinzhonoratioren - und selbst denen ist der Präsident in den letzten Jahren durch seinen brutalen Stil, seine Selbstgenügsamkeit, seine Arroganz und Hochnäsigkeit gegenüber den Sorgen des ländlichen Frankreichs und der einfachen Bürger derartig auf die Nerven gegangen, dass die Wahlmännner, die Stadträte, Bürgermeister oder Departementsräte, ihm eine klare Abfuhr erteilt haben. Wo es nur möglich war, wurden die Vertreter der Präsidentenpartei abgestraft , wenn nicht für die Sozialisten, so stimmten die Wahlmänner zumindest für unabhängige Konservative oder Zentristen - aber ja nicht für die Parteigänger Nicolas Sarkozys.
Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass der einst hochgelobte Held der französischen Konservativen jetzt sogar aus dem eigenen Lager mit Stimmen konfrontiert wird, die ganz offen die Frage stellen: ist dieser Mann wirklich noch der ideale Kandidat der Rechten für die Präsidentschaftswahlen im April und Mai 2012. Diese Frage zu stellen, sei legitim - sagte dieser Tage ein Senator ganz offen und die, die Sarkozy nach wie vor verbal unterstützen, klingen immer häufiger nicht wirklich überzeugend.
Es ist nicht mehr auszuschliessen, dass Nicolas Sarkozy vielleicht schon viel schneller tun wird, was er vor Jahren angekündigt hatte: „ Erst mache ich Präsident und dann das richtig grosse Geld“. Ein Programm, das damals gleich zu Anfang einiges über das moralische Niveau dieser jetzt auslaufenden Präsidentschaft aussagte. 68 % der Franzosen sind heute jedenfalls davon überzeugt, dass Nicolas Sarkozy nicht wiedergewählt wird - eine wahrhaft historische Zahl, so tief im Keller gesessen war vor ihm noch kein anderer französischer Präsident.
Und man darf daran zweifeln, dass die anstehende Geburt eines Sarkozy/ Bruni-Kindes an dieser Misere irgendwas ändern wird - die Kommunikationsstrategien scheinen ausgedient zu haben, Frankreichs Bevölkerung nicht weiter bereit zu sein, sich mit derartigen Nebensächlichkeiten oder Selbstverständlichkeiten an der Nase herumführen zu lassen.