Eine gute Tageszeitung soll, anhand von aussagekräftigen Zusammenfassungen, schnell einen Überblick liefern, andererseits aber bei wichtigen Themen umfassend und differenziert informieren. Historisch stand die NZZ für diese Qualitäten und deshalb griffen vor allem Leser, denen Qualitätsjournalismus am Herzen liegt, zu dieser Zeitung. Wie eine aktuelle Medienanalyse der Universität Zürich nun zeigt, ist die NZZ zumindest bei Energiethemen nicht neutral und unabhängig. Im Abstimmungsmonitor wurden alle grossen Schweizer Tageszeitungen zur Berichterstattung über Abstimmungsvorlagen, z. B. aktuell zur Energiestrategie, untersucht (Abstimmungsmonitor: http://www.foeg.uzh.ch/de/analyse/dossier.html#3).
Ohne Fakten, ohne Expertenmeinungen
Die NZZ berichtet überwiegend negativ und reiht sich damit in die Liga der BaZ und der Weltwoche ein. Alle anderen untersuchten Deutschschweizer Zeitungen berichten neutral oder positiv! Das ist besonders bedenklich, da es sich bei der Abstimmung um eine Behördenvorlage handelt, welche im Allgmeinen eher neutral bis positiv aufgenommen werden. Zitat aus dem Bericht: „... Eine negative Tonalität zeigt sich bei den Schwesterblättern NZZ und NZZ am Sonntag (jeweils -17) sowie sehr viel deutlicher bei der Basler Zeitung (-43) und der Weltwoche (-77). Die NZZaS beispielsweise hält auf der Frontseite die geplante Energiewende für ‚gefährdet‘, wenn Elektroautos an Bedeutung zunehmen (14.5.). ... Trotzdem lässt sich nicht generell sagen, dass ‚die Medien‘ gegen das EnG schreiben würden. Denn die medienkommentierende Kritik beschränkt sich im Wesentlichen auf die NZZ, NZZ am Sonntag, BaZ und Welwoche.“
Die Analyse zeigt ausserdem, dass diese Medien die negative Stimmung selber erzeugen, ohne dabei auf Fakten oder wirkliche Experten zurückzugreifen. „Bei rund 40% der Beiträge wird die Tonalität entscheidend durch die Medien selbst geprägt, und zwar in Form von Kommentaren und (Hintergrund-)Berichten, in denen Medien selber Bewertungen abgeben.“
Entwicklung schon seit Jahren
Diese Entwicklung der NZZ zeichnet sich schon seit einigen Jahren ab. Als Klima- und Energieinteressierte verfolge ich diese Themen seit 2008 nicht nur in den Medien, sondern auch in der Forschung und durch Gespräche mit Experten. Dadurch kann ich die Berichterstattung einordnen und vergleichen. Schon 2010 bemerkte ich, dass die NZZ nicht nur zur Klimaverhandlung in Cancun sehr wenig berichtete, sondern den Klimawandel in der Berichterstattung mehrheitlich ingnorierte. Die seltenen Berichte waren oft einseitig, teilweise kamen pseudowissenschaftliche Klimaleugner in gleichem Mass zu Wort wie anerkannte wissenschaftliche Experten.
Auch in den nächsten Jahren und aktuell zur Abstimmung über die Energiestrategie bestätigt sich meine Beobachtung. Wenn die NZZ ausführliche Artikel zum Thema Energie publiziert, dann meist einseitig. Negative Aspekte werden stark beleuchtet oder Angst vor der Energiezukunft wird geschürt. Aus dem Ausland werden oft Probleme geschildert. In vielen Artikeln werden Naturschützer, Wissenschaftler oder besorgte Bürger als Angstmacher, Neider oder auch Fantasten bezeichnet, während fossile Technologien für ihre Verlässlichkeit und Sicherheit gelobt werden. Im Folgenden möchte ich einige Beispiele nennen.
Von gefährlichen Windrädern und sicherer CO2-Abscheidung
Direkt vor der Abstimmung in diesem Jahr wurde in der Überschrift vor der drohenden Stromkrise in Australien gewarnt und dabei Windräder im Bild gezeigt. Im Artikel wurde dann zwar teilweise relativiert, aber der erste Eindruck für den flüchtigen Leser setzt erneuerbare Energie ganz klar mit Stromkrise in Verbindung. Ein weiterer Artikel warnt mit starken Worten vor dem Vorbild Deutschland. Wieder Windräder im Bild.
Im 2011 brachte die NZZ eine Reihe über die „Energie der Zukunft“. Anstatt hier nun über interessante neue Entwicklungen, die Fortschritte in der Technik usw. zu berichten, wurden erneuerbare Energien schlechtgeredet, Ängste geschürt, die Stromlücke betont und vor allem wurde immer wieder die sehr effiziente Windenergie schlechtgemacht.
Besonders in Erinnerung ist mir auch ein Artikel, in dem die Verflüssigung und Abtrennung von CO2 aus der Kohleverbrennung verharmlost und als erprobte und sichere Technologie bezeichnet (es gibt noch keine funktionierende Grossanlage) wurde, dagegen verteufelte ein anderer Artikel die millionenfach eingesetzte Windkraft. Woanders wird betont sachlich und unaufgeregt über die Schmelze der Antarktischen und Arktischen Eismassen berichtet und mit keinem Wort auf die Konsequenzen einer solchen Eisschmelze hingewiesen. Hauseigentümer, die Photovoltaik-Anlagen installieren, werden in einem Bericht in die Ecke von grünen Ideologen gestellt.
Fazit: NZZ bei Energiethemen hinterfragen
Ich habe über die Jahre sehr viele Leserbriefe an die NZZ geschrieben und immer wieder auf diese Missstände hingewiesen, allerdings ohne Erfolg. (Die Leserbriefe können in meinem Blog nachgelesen werden). Das Fazit ist für mich klar. Ich bezahle die NZZ nicht mehr, da ich diese Art von Journalismus nicht unterstützen möchte. Ich lese sie zwar ab und zu noch in der App, aber mehr um zu kontrollieren, wie berichtet wird.
Wie es in anderen Ressorts aussieht, kann ich nicht beurteilen, aber bin natürlich nach den Erfahrungen in „meinen Kernthemen“ sehr misstrauisch. Es würde mich interessieren, was Kollegen denken. Hat sich die NZZ generell an SVP-Themen angenähert? Wem ist gedient mit dieser einseitigen Berichterstattung. Wer steckt dahinter? Ich freue mich auf Kommentare.