Das Hotel Baia di Nora in Pula auf Sardinien. Ein blühender, riesiger Park direkt am Meer, Swimming-Pool, uralte Olivenbäume, 10 Meter hoch, überall lauschige Ecken. Es ist Sommer.
Ein junges italienisches Paar feiert hier Hochzeit. Die beiden Familien haben das ganze Haus gemietet. Am Swimming-Pool wurden lange Tische aufgebaut. Etwa hundert Gäste sind geladen: die Eltern, Nonni und Nonne, die Urgrosseltern, Tanten und Onkel, Freunde, Schulkollegen, Arbeitskollegen – alle herausgeputzt, schwarze und weisse Smokings, High Heels auf dem Rasen. Überall Girlanden in den Bäumen. Es sind keine reichen Familien hier, aber an diesem Tag soll es hoch zu- und hergehen.
Eine Musik spielt, eine kleine Bühne wurde aufgebaut. Dort stehen der Priester und die Väter der Jungvermählten. Sie alle wünschen den beiden ein langes, glückliches Leben.
Die Braut, wunderschön, mit einem edlen weissen Kleid, weisse Handschuhe, attraktiv geschminkt, Maschen in den Haaren, zwei Fünfjährige schleppen ihre Schärpe. Es ist ihr Tag – der Tag, auf den sie so lange gewartet hat.
Dann geschieht es. Wolken ziehen auf, und es beginnt in Strömen zu regnen. Panik bricht aus. Kellner rennen hin und her, die Gäste sind fassungslos, die Brauleute verzweifelt.
Da steht sie nun, an ihrem wichtigsten Tag im Leben. Das Brautkleid saugt sich voll, die Schminke läuft über die Wangen, die hochgefönte Haarpracht bricht ein. Wie versteinert steht sie da.
Dann beginnt sie laut zu weinen.
Und nun tritt, mitten im Wolkenbruch, der Priester wieder auf die Bühne. Er nimmt das Mikrofon. Mit feinem Lächeln sagt er: „Sposa bagnata, sposa fortunata“.
Es gehört zu den schönen Zügen der Menschheit, dass sie ein Unglück oder ein Missgeschick sprachlich mit tröstenden Sprichwörtern zu tilgen versteht. Oder gar: Dass sie das Unglück als Vorbote des Glücks darstellt.
- „Scherben bringen Glück“
- „Durch Schaden wird man klug.“
- „Nach em Räge schiint d’Sunne.“
- „Es gibt kein Übel, das nicht auch Gutes bringt.“
- „Im Unglück sieht man die Wahrheit klarer.“ (Dostojewski)
- „Lieber verlieren, als nicht versuchen."
- "Nur aus Niederlagen erwächst Weisheit."
- "Niederlagen sind die Pfeiler des Erfolges." (Sprichwort aus Wales)
- "Tant qu'il y a de la vie, il y a de l'espoir." (Edith Piaf)
- "Jedem Nachteil steht ein Vorteil gegenüber." (W. Clement Stone)
- "Egal, wie oft man im Leben hinfällt, wichtig ist nur, wie oft man aufsteht.“
- "Die Zeit heilt alle Wunden."
- "Wer keine Fehler macht, macht auch sonst nichts."
- "What doesn’t kill you makes you stronger."
- „Es gibt immer wieder ein Morgen.“ (Arnold Böcklin)
- „Nur wer nichts tut, begeht keine Fehler.“ (E.J. Phelbs)
- „Misserfolg ist ein Erfolg, aus dem sich besonders viel lernen lässt.“
- „Erfolg ist etwas für die Dummen, nur durch Misserfolg wächst man.“
- „Ein tiefer Fall führt oft zu grossem Glück“.
- „Scheitern ist die Chance für einen Neubeginn.“
- „Je dunkler die Nacht, desto schöner der Tag.“
- „Wenn Du glaubst, es geht nichts mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“
Noch steht der Priester in Pula auf dem Podest. Da plötzlich beginnt die nasse Braut laut zu lachen.
Sie reisst ihren Bräutigam vom Stuhl. Sie wirft ihre weissen Schuhe in den Swimming-Pool und führt ihren Mann auf die Tanzfläche. Jetzt spielt die Musik wieder, und das Brautpaar tanzt im strömenden Regen. Die beiden umarmen sich, sie küssen sich, sie singen und lachen. Die Gäste stehen von den Tischen auf und klatschen. Jetzt kommen auch sie auf die Tanzfläche, auch sie tanzen, was das Zeugs hält, und die Musik spielt immer lauter. Alle sind jetzt hier, auch der 93-jährige Nonno mit der 89-jährigen Nonna, alle drehen sich, scherzen und freuen sich - und alle sind nass wie gebadete Mäuse.
Und der Regen hört nicht auf.
„Sposa bagnata, sposa fortunata“ – nasse Braut, Braut im Glück. Der Priester lächelt nur. Und trinkt ein Glas Wein.