Bisher blind für die Notwendigkeit struktureller Reformen, rafften sich die Verantwortlichen nun zu Statutenänderungen auf. Träumer glauben an die Wende, Realisten sehen die Betonierung alter Zustände. Die Solothurner Filmtage sind angeschlagen. Aus eigenem Verschulden. Die Frage, ob die lokale Machterhaltung mehr gilt als die nationalen Kulturerwartungen, liegt in der Luft, zumal auch die Solothurner Literaturtage mit dem überraschenden Rücktritt des Direktors in Schieflage geraten sind.
Die Solothurner Filmtage sind angeschlagen. Aus eigenem Verschulden. Die Frage, ob die lokale Machterhaltung mehr gilt als die nationalen Kulturerwartungen, liegt in der Luft, zumal auch die Solothurner Literaturtage mit dem überraschenden Rücktritt des Direktors in Schieflage geraten sind.
Fehlleistungen in Serie
Seit letztem Frühjahr erbringt der Filmtage-Vorstand eine Fehlleistung nach der anderen. Es begann mit dem Hinauswurf der Direktorin. Anita Hugi erfasste die konzeptionellen, personellen und organisatorischen Schwächen der Veranstaltung, ging diese beherzt an, holte sich damit in der aufatmenden Filmszene Schweiz höchste Anerkennung und versetzte die in der Stadt verankerte Vorstands-Mehrheit in Angst und Schrecken. Die Kaltstellung der Direktorin muss Notwehr gewesen sein, um Heil vom Festival abzuwenden.
Die bis heute wellenschlagende Fatalität der «Aktion Fallbeil» zeigt sich auch darin, dass drei politische Schwergewichte den Vorstand missbilligend verliessen: alt Ständerat Felix Gutzwiller als Präsident sowie Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider und Nationalrätin Regine Sauter als Mitglieder.
Von der Vorstands-Mehrheit folgte eine die Wahrheit bemäntelnde und Anita Hugi persönlich verletzende Information der Öffentlichkeit. Nichts von der Fürsorgepflicht eines Arbeitsgebers, aber alles, was zur Krisenbewältigung von Überheblichen gehört.
Scharfe Ermahnung aus Bern
Das Fass überlief sogar beim engelsgeduldigen Bundesamt für Kultur. Es kürzte eine zugesagte Subvention und wies die Filmtage scharf zu einer Strukturreform im Einklang mit der «Good Governance» an.
Das Erfordernis für ein effizientes und krisenfestes Management hätten die teils seit Jahrzehnten amtierenden Verantwortlichen längst aus eigener Einsicht erkennen müssen. Immerhin verfügen die Filmtage über ein Drei-Millionen-Budget und beschäftigen an die hundert Voll- und Teilzeit-Angestellte.
Das Küchen-Kabinett meldet sich
Geboten wäre es auch gewesen, die Zukunft der in die Kritik und in Turbulenzen geratenen Filmtage während der vergangenen Januar-Ausgabe unter Einbezug der Filmschaffenden, denen das Festival ja dienen will, offen zu diskutieren.
Der Verzicht auf diese vertrauensbildende Massnahme verstärkt die Vermutung, der Rest-Vorstand koche seine Süppchen vorzugsweise im engen Kreis von Gleichgesinnten.
Nun hat das Küchen-Kabinett dieser Tage einen Entwurf für Statutenänderungen vorgelegt, über den an der ausserordentlichen Mitgliederversammlung der Trägerorganisation, der Gesellschaft Solothurner Filmtage, am 29, März entschieden werden soll. Zusammengefasst: Auch diese Lösung wird zum Problem.
Programmierte Konflikte
Die Änderungen sehen vor, das Provisorium der Co-Direktion mit einer Künstlerischen und einer Administrativen Leitung in ein Definitivum umzuwandeln. Damit sind Konflikte bis zur Zerreissprobe programmiert. Weil die beiden Funktionen hierarchisch gleichgestellt sind, sich künstlerische und administrative Aufgaben naturgemäss überschneiden und die Statuten weder die Kompetenzen regeln noch bestimmen, wer das Budget genehmigt und leitende Funktionen wie etwa jene des Medienchefs besetzt.
Kontroversen in der Praxis befördert sodann der Vorschlag, eine «Betriebsleitung Festival» zu bilden und dieser den Rang eines statutarischen Organs zu verleihen. Das ist juristisch schwer nachvollziehbar. Denn zur «Betriebsleitung» zählen die freiwilligen Kräfte, die teilzeitlich im Hintergrund für die Logistik sorgen und in einem engeren Sinne keine Führungsverantwortung tragen.
Faktisch läuft die «Betriebsleitung Festival» insofern auf einen dritten Direktionsbereich hinaus, als ein Vorstandsmitglied zum Delegierten wird, der die Verbindung zwischen Vorstand und Betrieb gewährleistet. Der Delegierte besitzt im Vorstand das Stimmrecht, während die Künstlerische und Administrative Leitung lediglich beratend mitreden dürfen und zudem von Vorstandssitzungen ausgeschlossen werden können. Ein trauriges Zeugnis gelebter Wertschätzung.
Wegen der fliessenden und dauernd nach Koordination und Beschlüssen rufenden Grenzen zwischen kulturellen, verwaltenden und logistischen Zuständigkeiten untersteht die Co-Direktion realiter dem Delegierten. Er hat als graue Eminenz das grösste Entscheidungsgewicht.
Warum keine Intendanz?
Das Organigramm ist ein verhängnisvoller Irrtum. Das Festival erwirbt seine Reputation mit der Filmauswahl und den Rahmenveranstaltungen und nicht mit sauber aufbereiteten Teilnehmer-Listen und einem benutzerfreundlichen Ticketing. Aus dieser Tatsache ergäbe sich zwingend, der Künstlerischen Leitung die herausragende Rolle einer Intendanz anzuvertrauen.
Festivals wie jene von Zürich, Locarno, Berlin, Cannes, Venedig oder Oberhausen regeln die Gesamtverantwortung wesentlich klarer als Solothurn.
Dem Küchen-Kabinett fehlen offensichtlich Wille und Kraft, aus den Untiefen der lokalen Machtspielchen aufzutauchen und sich am weiten geistigen Horizont zu orientieren, was für ein nationales Festival mit internationaler Ausstrahlung elementar ist.
Wäre diese Bedingung erfüllt, würden die neuen Statuten erstens vorschreiben, in den Vorstand nur filmisch und kulturpolitisch Erfahrene aus allen vier Sprachregionen zu wählen, zweitens die Wahl des Präsidenten der Mitgliederversammlung zuordnen und drittens festlegen, es gelte für sämtliche Chargen ausnahmslose die Amtszeitbeschränkung. Fehlanzeige.
Bequeme Verwaltung der Vergangenheit
Die verschachtelten, lückenhaften und mit der «Good Governance» arg fremdelnden Statutenänderungen erklären sich mit einer weiteren Fehlleistung. Nämlich mit dem Verzicht auf eine Grundsatzdebatte über Sinn und Zweck der Filmtage.
Das ursprüngliche Ziel, «das neue schweizerische Filmschaffen einer grösseren Öffentlichkeit» vorzustellen, wurde hinlänglich erreicht. Das einheimische Filmschaffen ist, auch dank Solothurn, seit Jahren im Kino, im Fernsehen und an anderen Festivals präsent.
Die Filmtage müssten dieses erfreuliche Faktum endlich zur Kenntnis nehmen und dringend prüfen, in welcher Form sie den Schweizer Film als Alleinstellungs-Merkmal mit künftiger Wirkung unterstützen können. Diese Bereinigung wäre der wichtige erste Schritt gewesen für neue Statuten. Ansonsten verharrt das Festival bei der Verwaltung der Vergangenheit.
Zurück an den Absender
Was jetzt als Entwurf der Mitgliederversammlung unterbreitet wird, muss zurück an den Absender und genügt im besten Falle für eine Eintretensdebatte zur Erhellung des Vorstandes, nach welchen Gesichtspunkten eine überzeugende Statutenrevision gelingt.