1900 in Wien geboren und schon in jungen Jahren als Komponist bejubelt, sollte Ernst Krenek in seinem langen Leben - ähnlich wie Strawinsky - praktisch alle kompositorischen Stilrichtungen des 20. Jahrhunderts durchlaufen. Aber auch geographisch war sein Leben von vielen Destinationen geprägt: Wien – Schweiz – Frankreich – Deutschland – Österreich, danach Flucht vor dem Nazi-Regime in die USA, wo er 1991 in Palm Springs/Kalifornien starb.
Krenek war in erster Ehe kurz mit Anna Mahler, der Tochter von Gustav und Alma Mahler verheiratet, und hat sich sehr um Mahlers Werk verdient gemacht. So schrieb er die schwer lesbare Partitur von Mahlers 10. Sinfonie ins Reine. Er schuf in seinen 70 Schaffensjahren ein gigantisches Werk, darunter 20 Opern, ein Werk, das in Europa viel zu selten gewürdigt wird – klassisches Schicksal so vieler kreativer Immigranten, deren Lebensphasen auseinander gerissen werden.
Vielfältiges Krenek-Projekt
Seine sowohl stilistische als auch geographisch/künstlerische Lebensreise nachzuzeichnen, war während dreier Vorbereitungsjahre das Anliegen einer Gruppe um den Basler Dirigenten und Musikdozenten Jürg Henneberger. Dabei wurden unter anderem auch Studierende der Hochschule für Musik in Luzern und der Hochschule für Musik FHNW sowie der Jungen Philharmonie Zentralschweiz, aber auch Mitglieder des Basler Sionfonieorchesters, das Ernst Krenek-Institut und das musikwissenschaftliche Institut Basel sowie der Bayerische Rundfunk eingebunden.
Herausgekommen sind aber beileibe keine schülerhaften Aufführungen, sondern ganz im Gegenteil: Die jungen Beteiligten geben der schwierigen und vielmals sehr ernsten Musik neben aller Professionalität einen jugendlichen Elan, der dem Werk nur gut tun kann, teilweise sogar der Krenek-Rezeption eine neue Nuance abgewinnt
Die Reiseoper „Vertrauenssache“
Am deutlichsten wurde dies am szenischen Eröffnungsabend im stimmungsvollen Veranstaltungsraum für Neue Musik, dem Basler „Gare du Nord“. Im ehemaligen Buffet des Badischen Bahnhofs, einem hohen Halbrundbau des Architekten Karl Moser, genügten ein riesiger runder Restaurant-Tisch und Schrifttafeln in den Fensterlaibungen, um die Szene für ein Lustspiel mit tragischen Untertönen zu geben (Bühne: Martin Müller).
„Vertrauenssache“ – im englischen Original „What Price Confidence“ – ist eine Kammeroper für Klavier und Sänger, die Krenek 1945 im Auftrage der Metropolitan Opera verfasst hatte. Er verfasste auch das Libretto selber und nannte sein Opus 111 eine Reiseoper. Uraufgeführt wurde die Oper jedoch erst 1962 in den Kammerspielen Saarbrücken in der von Krenek selbst verfassten deutschen Fassung unter dem Titel „Vertrauenssache“.
Zwei Werke in einer Aufführung
Ungewöhnlich an der Basler Aufführung in der einfallsreichen Regie von Désirée Meiser ist die szenisch und musikalisch beinahe nahtlos übergehende und wechselnde Handlung von Kreneks „Vertrauenssache“ zu Mozarts „Cosi fan tutte“. Aus Unzufriedenheit mit den vorhandenen Partnersituationen zweier eleganter Paare entsteht ein klassisches und fast frivoles Bäumchen-wechsel-dich-Spiel, inhaltlich sehr nahe an Lorenzo Da Pontes Libretto. Die fünfte Person im Spiel ist die Kellnerin als Spielmacherin, welche mühelos in die Rolle der Mozartschen Despina schlüpft und gleichzeitig auch die intrigante Seite Don Alfonsos verkörpert (Aude Freyburger).
Bei Krenek aber liegt die „Schuld“, wenn man so will, auf beiden Seiten. Und so hat man dem Abend den Namen „Mad Couples“ gegeben. Aber bei Krenek wird nicht in die ursprüngliche Partnerkonstellation zurück gewechselt. Ob das die beiden Paare glücklicher macht, bleibt offen und sehr zweifelhaft.
Musikalisch atonal in verschiedenen Spielarten geschrieben, bietet Kreneks kleine, etwas sperrige Oper den Sängerinnen und Sängern genügend Spielraum, ihre Stimmen zu entfalten - ganz gegen die Meinung, Krenek wolle keine Melodien schreiben, wie dies Alma Mahler in ihren Memoiren vermerkte. Den schwierigen Klavierpart sowohl an Klavier, Hammerflügel als auch am Harmonium übernahm der musikalische Leiter Jürg Henneberger selbst. In den Mozart-Partien wurde dazu der faszinierende, weiche Klang einer Glasharfe eingesetzt, ergänzt durch ein kleines Schlagwerk (Matthias Würsch).
Wer zahlt den Preis?
Von den beiden Paaren (Flurina Stucki, Sopran, Emanuel Heitz, Tenor, Santiago Garzòn-Arredondo, Bariton) sticht der temperamentvoll und überlegen geführte Mezzosopran von Aliya Iskhakova besonders hervor. Grundsätzlich wurde man jedoch sowohl musikalisch als auch szenisch durch einen amüsanten, aber auch nachdenklich machenden Abend geführt – die Vertrauensfrage gipfelt bei Krenek in der Feststellung: „Vertrauen – wer zahlt den Preis?“
Das Krenek-Projekt läuft mit verschiedenen Veranstaltungen, darunter auch die Vernissage des soeben erschienenen Buches „Wirklichkeitsgefühl – Ernst Krenek und die Schweiz“, an unterschiedlichen Basler Orten weiter bis zum 22. November.
Veranstaltungsprogramm: www.garedunord.ch/krenek