Der Titel der neuen Ausgabe , "Die Welt retten“, enthält eine Prise Ironie. Denn es gibt so viele Retter der Welt, aber von Rettung ist bislang nicht so viel zu bemerken. Im Gegenteil, man hat den Eindruck, dass es eher bergab geht.
Die Ambivalenz
In den 1980er Jahren meinte der weltberühmte Biochemiker und Essayist Erwin Chargaff, das einzige, was sich objektiv über die Welt aussagen liesse, sei, dass sie immer weiter verschmutzt.
Das Titelbild spielt geradezu mit der Ambivalenz des Menschen, der Gestalter und Künstler und zugleich der grosse Verschmutzer ist. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein abstraktes Gemälde mit eindrücklichen Farben. Man erkennt darin eine Art Schiff und nimmt an, dass es sich bei diesem Kunstwerk um eine Art Collage handeln könnte.
Tatsächlich handelt es sich aber um ein Bild des Fotografen Daniel Beltrá, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Zerstörung der Meere zu dokumentieren. Im Heft sind weiterere Bilder von ihm zu sehen. Der Titel dieses Beitrags lautet treffend: „Die Melancholie der zerstörten Schönheit“.
Technik und Natur
Die Trauer um die Umwelt und das schlechte Gewissen, direkt und indirekt mehr oder weniger stark an ihrer Zerstörung mitzuwirken, haben etwas Lähmendes. Man möchte nicht so gern daran erinnert werden. Der Zugang über die Kunst macht die Annäherung an dieses Thema leichter. Denn da die Kunst auch immer etwas Spielerisches hat, Distanz schafft, entlastet sie.
Das Heft enthält eine Mischung aus künstlerischen Beiträgen und sachbezogenen Infotmationen. Besonders eindrücklich ist neben der Fotoserie von Daniel Beltrá das Kunstprojekt „Museum of Nature“ des Finnen Ikka Halso. Er hat eine Serie unter dem Titel „Restoration“ geschaffen. In dieser Serie verbindet er natürliche Objekte mit technischen Installationen, um ihre Zerbrechlichkeit hervortreten zu lassen und sie auf eindrückliche Art zu verfremden. Dabei erscheint die Technik nicht einfach als der negative Gegenspieler der Natur, sondern als der spezifisch menschliche Zugang.
Die Ökonomie der Windparks
Der Verleger und Chefredakteur von DU, Oliver Prange, hat neben die künstlerischen Beiträge eine geschickte Auswahl von Informationen aus der Welt der Ökologie gestellt. Mit dem Schweizer Luc Hoffmann, der als einer der Gründer der Umweltbewegung und Initiator des WWF gilt, mit Robert Kennedy, der gegen die Kohleindustrie kämpft, und mit dem Investor Fritz Kaiser hat er für dieses Heft Interviews geführt.
Diese dritte Interview ist ganz besonders interessant. Denn Fritz Kaiser ist ein Finanzmann, dem in Liechtenstein eine „Wealth-Management-Gruppe“ von beachtlicher Grösse gehört. Er ist kein Kind von Traurigkeit. Unter anderem war er in der 90er Jahren Teilhaber am Schweizer Formel-1-Rennstall. Und jetzt setzt er sich für Offshore-Windparks ein. In diesem Interview erfährt man viel darüber, warum es sich dabei um ein lohnendes Investment handelt.
Ashoka
Andere Beiträge dieses Hefts stammen aus einschlägigen Büchern. So kann man bei Al Gore nachlesen, wie problematisch der gegenwärtige Schiefergas-Boom in Wirklichkeit ist. Das ist deprimierend. Umgekehrt weist ein Kapitel aus dem Buch von David Bornstein, „Die Welt verändern. Social Entrepreneurs und die Kraft neuer Ideen“, ermutigende Perspektiven.
Es handelt sich bei diesem Kapitel um eine Schilderung der Initiative des Amerikaners Bill Dayton, in der weltweit besonders kreative und tatkräftige „Sozialunternehmer“ gefördert und vernetzt werden. Prominentestes Mitglied innerhalb dieser Organisation mit dem Namen Ashoka ist Muhammad Yunus, der die auf Mikrokredite spezialisierte Grameen Bank gegeründet hat und dafür 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Kritische Forscherinnen
Als ein Beispiel dafür, wie die Welt immer noch von Lobbyisten in negativer Weise beeinflusst wird, zeichnen Anita Blasberg und Kerstin Kohlenberg ein Porträt des Amerikaners Marc Morano, der die Clique der Leugner des Klimawandels anführt. Das Heft schliesst mit einem Beitrag über Wissenschaftlerinnen, die sich - wie zum Beispiel in den 1950er Jahren Rachel Carson in Bezug auf das damals weit verbreitete DDT – kritisch mit gängigen Substanzen und Verfahren auseinandersetzen.
Die seit 1941 bestehende Kulturzeitschrift DU wurde im Jahr 2007 vom Rapperswiler Verleger Oliver Prange gekauft und wird von ihm seit 2011 auch redaktionell geleitet. Ihm ist es gelungen, diese Zeitschrift zu modernisieren, ohne ihren ursprünglichen Charakter aufzugeben. Das Aprilheft erweitert das Spektrum in bester Weise.
DU 855, April 2015, Die Welt retten, Du Kulturmedien AG