Es ist eine Gratwanderung, auf die sich die fünf permanenten und zehn nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrats begeben haben. Obwohl in den ersten Gesprächen kein Staat grundsätzliche Einwände gegen die Entsendung einer internationalen Friedenstruppe vorgetragen hat, sind die Fallstricke unübersehbar. So muss zum Beispiel geklärt werden, ob der Einsatz auf den Norden Malis begrenzt sein oder das ganze Staatsgebiet umfassen soll.
Der Stich ins Wespennest
Der für die Friedensoperationen der UNO zuständige Untergeneralsekretär Hervé Ladsous, ein Franzose, hält für letztere Option ein ausdrückliches Gesuch der malischen Regierung für erforderlich. Bamako hat die UNO im Dezember nur um militärische Hilfe gegen die Invasoren im Norden gebeten.
Eine Ausweitung der Operation auf das ganze Staatsgebiet wäre ein Stich in ein Wespennest. Die malischen Streitkräfte sind unfähig, das Land zu verteidigen. Sie setzen sich aus Einheiten zusammen, die sich gegenseitig bekriegen. Erst vergangene Woche haben die „grünen Berets“ des Putschisten Amadou Sanoga in der Hauptstadt Malis ein Camp der „Rotmützen“ mit schweren Waffen angegriffen. Letztere gelten als Getreue des im März 2012 von Sanoga gestürzten Staatschefs Toumani Touré. Sie weigern sich, an die Front versetzt zu werden, wie auch die Fallschirmjäger des in den USA ausgebildeten Hauptmanns Sanoga.
Guerillataktik à la Taliban
Im dünn besiedelten Norden haben die französischen Elitetruppen die meisten islamischen Extremisten aus den Ortschaften vertrieben. Der Konflikt ist damit in ein neues Stadium getreten, das von punktuellen Angriffen der Dschihadisten auf „weiche“ Ziele, Selbstmordattentaten und der Verlegung von Landminen geprägt wird. Diese Guerrillataktik nach dem Vorbild der Taliban in Afghanistan hat bereits ihre ersten Opfer gefordert.
Mali ist aber nicht Afghanistan. Die von Ausländern angeführten Gruppen namens „Verteidiger des Glaubens“ (Ansar Dine), „Al-Kaida im islamischen Maghreb“ (AQIM) und „Bewegung für die Einzigartigkeit und den Dschihad in Westafrika“ (MUJAO) haben in der einheimischen Bevölkerung kaum Rückhalt. Ausserdem scherten die zeitweilig mit den Islamisten verbündeten terrainkundigen Tuareg der „Nationalen Bewegung zur Befreiung Azawads“ (MNLA) aus. Sie bieten den Franzosen jetzt ihre Unterstützung an und haben zwei der geflohenen Dschihadistenführer an der Grenze zu Algerien abgefangen.
"Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme
Die französischen Elitesoldaten haben fürs Erste die territoriale Integrität Malis wiederhergestellt und die Angreifer in die Flucht geschlagen. In einen zermürbenden „asymmetrischen“ Kleinkrieg mit religiösen Fanatikern, Sezessionisten, Drogenschmugglern und Kidnappern wollen sie sich nicht einlassen. Mit den anderen Mitgliedern des Weltsicherheitsrats ist sich Frankreich einig, dass „für afrikanische Probleme afrikanische Lösungen“ gefunden werden müssen. Im Falle Malis wird das aber nicht ohne Hilfe von aussen gehen.
Die Vereinten Nationen bereiten sich vor, die Führung einer „Afrikanischen Unterstützungstruppe für Mali“ (AFISMA) zu übernehmen. Der Aufbau einer solchen Streitmacht wurde bereits im Dezember beschlossen. Benin, Burkina Faso, Niger, Nigeria, Senegal und Togo haben Truppen angeboten. Ziel ist ein Aufgebot von 8000 Mann. 1800 im Wüstenkrieg erprobte Soldaten aus dem Tschad nehmen schon jetzt ausserhalb der AFISMA an der „Stabilisierung“ des Nordens von Mali teil, ebenso Einheiten aus Burkina Faso.
Auch die Schweiz zahlt
Die AFISMA wird derzeit durch freiwillige Beiträge finanziert. Falls die UNO das Kommando übernimmt, müssen die Kosten nach dem für Blauhelmeinsätze festgelegten Schlüssel verteilt werden. Auf die USA entfielen dann 27 Prozent, auf Japan 13 Prozent und auf Deutschland, Frankreich und Grossbritannien je acht Prozent. Auch die Schweiz würde zur Kasse gebeten.
„Alles deutet darauf hin, dass es in diese Richtung läuft“, erklärte UNO-Untergeneralsekretär Ladsous letzte Woche in New York. Wenn der Sicherheitsrat die Verantwortung für die Befriedung Malis auf sich nimmt, hätten seine massgeblichen Mitglieder mehr Einfluss auf das Geschehen. Das finden auch die USA verlockend. Bisher hat einzig der ägyptische Präsident Mohammed Mursi die ausländische Militärintervention in Mali kritisiert – wohl mit dem Blick auf seine Wählerschaft. Ägypten hat aber derzeit keinen Sitz im Sicherheitsrat.
Geld für 15 Monate
Die Europäische Union hat am 5. Februar eine „Mission zur Ausbildung der malischen Armee“ (EUTM Mali) beschlossen. Ab heute Dienstag sollen 650 Soldaten aus 15 EU-Staaten nach Mali transportiert werden und am 15. März einsatzbereit sein. Neben Instruktoren liefert die EU auch logistische Mittel wie Fahrzeuge, Uniformen und Feldlazarette. Die Mission ist vorläufig mit 12,3 Millionen Euro für 15 Monate ausgestattet.
Der ganze Aufwand macht aber wenig Sinn, solange Mali ein zerrütteter Staat bleibt. Der Westen übt daher Druck auf das Übergangsregime aus, spätestens im Juli freie Wahlen abzuhalten, um eine legitime Regierung wiederherzustellen. Seit dem Putsch vom März 2012 herrscht in Bamako eine explosive Mischung von Militärs und Politikern als zivile Aushängeschilder. Dass Mali ein Transitland des illegalen Drogenhandels werden konnte, hängt mit der Bestechlichkeit von Offizieren, Polizisten und lokalen Machthabern zusammen. Diese Übel kann keine noch so gut geplante Friedensoperation allein ausrotten.