Die Vorstellung, dass Kinder wohlbehütet in einer intakten Familie aufwachsen, ist schön. Nur, bei einer Scheidungsrate von rund 52 Prozent entspricht sie längst nicht mehr der allgemein gültigen Norm. Und wo, bitte, steht geschrieben, dass eine „intakte Familie“ aus Mann, Frau und einem oder mehreren Kindern bestehen muss? Und wo ferner, dass alle aus Mann, Frau und einem oder mehreren Kindern bestehenden Familien automatisch auch „intakt“ sind?
Die Gegner der „Homo-Ehe“ oder „Ehe für alle“ können oder wollen nicht sehen, dass Elternschaft und Familie Konzepte sind, die weit über alle Biologie hinausgehen. Gute Eltern sind diejenigen, die ein Kind umsorgen und ihm Geborgenheit und Selbstvertrauen vermitteln. Das müssen nicht notgedrungen die biologischen Eltern, das müssen auch nicht notgedrungen ein Mann und eine Frau sein. Die biologischen Eltern sind auch nicht immer das Beste für ein Kind. Manchmal müssen Pflege- oder Adoptiveltern, manchmal sogar ein Heim an ihre Stelle treten.
Genau an der Kinderfrage aber scheiden sich die Geister. Sollen Schwule und Lesben ihre Partnerschaft eintragen können? Warum nicht – aber „normalen“ Paaren gleichgestellt sein, Kinder adoptieren oder mittels künstlicher Befruchtung gar eigene bekommen dürfen, das dann doch nicht! So argumentierten die Gegner der „Ehe für alle“, die jüngst im deutschen Bundestag Schiffbruch erlitten haben. So werden sie auch in der Schweiz argumentieren, wenn es gilt, das Adoptionsverbot für Lesben und Schwule aufzuheben und homosexuellen Paaren die vollgültige Eheschliessung zu erlauben. Ob sie damit durchkommen, ist zu bezweifeln. Die „Ehe für alle“ ist schlicht ein Gebot der Gleichstellung und darüber hinaus ein wichtiger Schritt zu einem von biologischem Determinismus losgelösten Familienverständnis.
Eine Garantie für Kindeswohl und familiäres Glück gibt es auch für diese neuen Formen des Zusammenlebens nicht. Aber wo gibt es schon eine Garantie für Gelingen und Glück, wenn unvollkommene Wesen wie die Menschen ihre Hände im Spiel haben?