Als Folge von Finanz- und Währungskrisen steigt der Goldpreis auf nie gekannte Höhen und das Geschäft der Minenkonzerne boomt. Doch während die Menschen in der 1. Welt in das vermeintlich sichere Metall investieren, werden in den Rohstoffländern der 3. Welt die Lebensgrundlagen Hunderttausender unwiederbringlich zerstört. Auch Schweizer Konzerne und Grossbanken verdienen sich dabei kräftig mit.
Andengletscher gesprengt
Im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Chile liegen eine ganze Reihe erhabener Gletscher. In weit höherem Masse als die Klimaerwärmung setzen diesen Gletschern ausländische Investoren zu. Ein wahrer Goldrausch ist in der nordchilenischen Region Atacama ausgebrochen. Unter den Gletschern liegen bedeutende Vorkommen an Gold, Silber und Kupfer. Die kanadische Barrick Gold Corporation, drittgrösste Goldproduzentin der Welt und seit Jahren in Chile und Argentinien am Werk, hat sich mit dem Projekt Pascua Lama und sechzehn weiteren Projekten zum Ziel gesetzt, diese Ressourcen trotz grösster Umweltrisiken auszubeuten.
Um an das Gold zu gelangen, das auf 5000 m Höhe im Tagbau geschürft wird, sollen die Gletscher aufgesprengt und abgetragen werden. In den entstehenden Halden wird das gemahlene Gestein mit einer amalgamierenden Zyanidlösung getränkt, um dann in einer chemischen Verarbeitungsanlage das Gold herauszufiltern. Mehrere Tonnen Zyanid und Unmengen von Wasser werden täglich dafür eingesetzt. Als Zeugen solch irrsinniger Unterfangen werden in zwanzig Jahren neben zerstörten Landschaften giftige Seen und erfahrungsgemäss rasch leck werdende Auffangbecken mit verseuchten Schlämmen zurückbleiben. Und das in einem bekannten Erdbebengebiet.
Wasserverknappung und Kontamination
Goldminen sind chemische Zeitbomben. Das weiss auch die Bevölkerung der Region Atacama. 70'000 chilenische Kleinbauern müssen die Verseuchung ihrer Böden fürchten, und allen droht die Vergiftung des Trinkwassers mit Zyanid und anderen giftigen Substanzen wie Arsen und Quecksilber.
Die Barrick-Mine in Valedero ist verantwortlich für die Verseuchung des Wassers im argentinischen San Juan. Auch dem aufstrebenden Weinanbau entlang der Flüsse, die das Gletscherwasser in die Ebene bringen, wird die Wasserverknappung und Kontamination zum Verhängnis.
Angesichts der herrschenden Armut fegt das trügerische Argument, die Ausbeutung der Goldvorkommen schaffe Arbeitsplätze, alle Bedenken weg. Die gegenwärtige chilenische Regierung versucht, den Unternehmen Auflagen zu machen, doch das Projekt ist bereits von ihren Vorgängerinnen bewilligt worden. Auf argentinischer Seite verabschiedete das Parlament nach jahrelangem Ringen letztes Jahr ein Gesetz zum Schutze der Gletscher. Es geschah gegen den Willen der Regierung, die sich mit der Barrick Gold arrangiert hatte.
Hort spirituellen Lebens
Zurzeit wehrt sich die Bevölkerung mit Belagerungen der Zufahrten gegen die Ausweitung der Arbeiten, während die Inkraftsetzung des neuen Gesetzes von der Regierung mit allen Mitteln hinausgezögert wird. Es ist ein Kampf von David gegen Goliath, hunderte von Bauern und Bäuerinnen mit blossen Händen gegen schwere Baumaschinen und Lastwagen.
Die Gesundheitsgefährdung der Menschen, die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und die ökologische Verwüstung sind das eine, der vermessene und Kultur verachtende Eingriff in die Gletscherwelt, die vor allem für die indigene Bevölkerung der Diaguitas nicht nur ein Quell kostbaren Wassers, sondern auch ein Hort spirituellen Lebens ist, das andere.
Jeden Montag Schweigemärsche
Unweit von San Juan werden seit 1997 in der Mine Bajo de La Alumbrera, in der nordargentinischen Provinz Catamarca auf ca. 2'600 m Höhe im Tagbau Kupfer und Gold abgebaut. Hauptaktionärin der kanadischen Betreiberin, Yamana Gold Corporation, ist die Firma Xstrata.
Auch diese Mine wird mit der oben beschriebenen Technik betrieben und verbraucht dazu 80 Prozent der Energie, die im nahe gelegenen Kraftwerk generiert wird, was 25 Prozent des gesamten Energieverbrauches der sechs Provinzen des argentinischen Nordostens (Catamarca, La Rioja, Tucumán, Salta, Jujuy und Santiago del Estero) entspricht.
In Andalgalá, eine der betroffenen Ortschaften, wo Menschen, die sich den Baumaschinen entgegenstellten, vor einem Jahr brutal von privaten Polizeitruppen unter Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen auseinandergetrieben wurden, haben Frauen in letzter Verzweiflung begonnen, jeden Mittwoch einen Marsch des Schweigens zu veranstalten. Sie laufen mit gefesselten Händen und verklebtem Mund durch das Städtchen und machen vor dem Sitz der Behörden, dem Gerichtsgebäude, der Polizei und dem Sitz der Yamana Gold Incorporated einen ebenso schweigsamen längeren Halt.
Geduldige Websites
Der Wasserverbrauch dieser Mine wird mit 100 Millionen Litern pro Tag angegeben, und die Verseuchung des Wassers hat bereits vor Jahren viele der dort ansässigen Familien vertrieben. Durch die Sprengungen wird die Atmosphäre mit Tonnen von Mineralstäuben versetzt. Die entstehenden Staubwolken beeinträchtigen die Vegetation und führten zu einer Zunahme der Atemwegserkrankungen.
Nicht weit von La Alumbrera wurde vor drei Jahren bei Gualcamayo von der Yamana Gold Incorporate eine weitere Mine in Betrieb genommen. Während sich das Unternehmen der guten Zusammenarbeit mit der Bevölkerung rühmt, was im Klartext Stillhalteabkommen mit korrupten Politikern heisst, haben die Leute der benachbarten Dörfer zu einer letzten verzweifelten Massnahme gegriffen: Sie halten Touristen auf und flehen sie an, draussen in der Welt zu erzählen, dass ihr Wasser kontaminiert wird, ihre Kinder sterben und sie faktisch vertrieben würden. Auch sie haben keinen Zugang zu öffentlichen Medien, kein Sprachrohr.
Vertreibung kann immer gleichgesetzt werden mit totaler Verarmung, denn Wiedergutmachungen für die Opfer gibt es nicht. Bewährtes Rezept zur Abwendung von Kritik an diesen krassen Menschenrechtsverletzungen: Man stelle ein paar Schulen und eine medizinische Versorgungsstation auf und brüste sich seiner sozialen Verantwortung. Homepages sind so geduldig wie einst Papier.
Der Ressourcenfluch
Seit den neunziger Jahren warnen renommierte Ökonomen vor dem Ressourcenfluch. Darunter Richard M. Auty, der den Begriff prägte, John Ruggie und Joseph Stieglitz. Dieses Phänomen führe dazu, dass viele Entwicklungsländer, in denen westliche Konzerne Rohstoffe abbauen, verarmen, anstatt reicher zu werden. Die Gründe dieser Entwicklung sind bekannt. Sie münden in eine Übervorteilung, die in Afrika, Asien oder Südamerika nach dem gleichen Muster verläuft.
Der ausländische Investor, ein Minenkonzern, verschafft sich die Lizenzen für den Abbau der Metalle zu Bedingungen, die nicht nur als unfair, sondern eher als schamlos bezeichnet werden müssen. Die Verhandlungspartner in den jeweiligen Regierungen sind entweder unfähig, den mächtigen Konzernen die nötigen Auflagen abzuringen, oder sie sind käuflich. Manchmal sind sie beides.
Für die Abbaulizenzen werden lächerlich tiefe Royalties vereinbart, die zudem von den Steuererleichterungen oder gar Steuerbefreiungen, welche die Konzerne fordern, weitgehend aufgezehrt werden. Die hohen Erträge fallen somit nicht im Land selbst an, die lokale Wirtschaft kann davon nicht profitieren. Kommt Geld herein, geht es häufig zu einem wesentlichen Teil an einen kleinen Kreis korrupter Machthaber.
Keine Verantwortung, keine Haftung
Es herrscht ein legales, vertraglich abgesichertes Faustrecht der Mächtigen. Zur Korruption und den damit einhergehenden ungleichen Verträgen gesellt sich ein grosses Mass an Intransparenz und das Fehlen jeder Mitsprachemöglichkeit der Bevölkerung. Die Menschen haben keine Ahnung, zu welchen Bedingungen ihre Rohstoffe abgebaut werden, wie hoch die Erträge der Bergbaugesellschaften sind und was sie dem Land dafür bezahlt haben. Somit ist auch jede Kontrolle der Verwendung der verhältnismässig des wenigen im Lande verbleibenden Geldes unmöglich.
In den meisten Verträgen wird die Haftung für Umweltschäden während der Ausbeutungsphase und für Folgeschäden von den Konzernen ausgeschlossen. Hingegen lässt man sich von der Regierung garantieren, dass im Falle von Verzögerungen im Genehmigungsverfahren Schadenersatz gezahlt werde. Mit anderen Worten: Die Gewinne strömen aus dem Land hinaus, die Schäden bleiben zurück. Mittel zu ihrer Behebung werden nicht zurückgestellt.
Ungläugiges Staunen
Um auch noch den letzten Rest von Verantwortung abzuschieben, wird mit mit Tricks wie der Gründung von Tochtergesellschaften oder unabhängiger Firmen, die nach Erschöpfung der Ressourcen mittellos sind oder Konkurs anmelden, gearbeitet.
Der Abbau der Erze im Tagbau mittels der geschilderten Technologien generiert lediglich Arbeitsplätze für ungelernte Arbeiter. Die Fachkräfte zur Bedienung der hoch technisierten Anlagen werden eingeflogen. Eine Ausbildung einheimischer Arbeitskräfte findet nicht statt. Zudem handelt es sich um befristete Arbeitsplätze, es gibt keine soziale Absicherung für die Zeit danach.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Regeln, die wir in unserem Umfeld in Form von Gesetzen, Standards oder schlicht als Anstand anerkennen, dort, wo kein Widerstand zu erwarten ist, ausser Kraft gesetzt werden. Technologien, die in keinem westlichen Industriestaat heute mehr zur Anwendung gelangen könnten, werden bedenkenlos eingesetzt und erst noch als state of the art dargestellt.
Masslosigkeit, Unverfrorenheit und Übertölpelung haben ein Mass erreicht, dass man sich ungläubig die Augen reibt.
Der zweite Teil über Gegenbewegungen erscheint am Samstag, den 20. August 2011