Die Liga hatte Anfang November Damaskus ersucht, Beobachter nach Syrien zuzulassen und gleichzeitig die syrischen Truppen aus den Städten des Landes zurückzuziehen sowie die Gefangenen aus den Gefängnissen zu entlassen und auf die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zu verzichten.
Die syrischen Behörden hatten dem Gesuch am 2. November zugestimmt und sogar einen Vertrag unterzeichnet. Sie wollten dann jedoch den Beobachtern so wenig Aktionsfreiheit lassen und so wenige von ihnen dulden, dass die Liga ihre Forderung als nicht erfüllt ansah. Sie suspendierte Syrien am 15. November von der Mitgliedschaft in der Liga und beschloss wirtschaftliche Sanktionen gegen Syrien.
"Frei", aber unter dem Schutz des Staates
Diese Sanktionen haben zu wirken begonnen. Doch nun, nach neuen Verhandlungen, ist es zur Unterschrift unter einen zweiten Vertrag zwischen der Liga und Syrien gekommen. In Pressekonferenzen, die in Damaskus und in Kairo abgehalten wurden, war weiteres zu diesem diplomatischen Schritt zu erfahren.
Der syrische Aussenminister, Walid al-Mu'allem, erklärte der Presse in Damaskus, die Unterschrift bedeute den Beginn einer Zusammenarbeit Syriens mit der Arabischen Liga. Die Beobachter würden "frei" sein, sie stünden jedoch "unter dem Schutz de syrischen Staates".
Al-Mu'allem erklärte auch, Syrien habe auf Anraten Russlands den Vertrag unterschrieben, weil "wir aus den Wirren hinauskommen und ein offenes und modernes Syrien aufbauen wollen". Er sprach seine Überzeugung aus, dass "die Beobachter unsere Ansicht bestätigen werden, nach der ausländische Kräfte und bewaffnete Banden Unruhe schüren und die Sicherheitskräfte aufs Korn nehmen." Er fuhr fort: "Viele Länder wollen nicht zugeben, dass es solche Terroristen und bewaffneten Banden gibt. Sie werden kommen und sehen, dass sie wirklich vorhanden sind. Wir müssen uns keineswegs fürchten."
Präzisierungen aus Kairo
In Kairo bestätigte der Generalsekretär der Liga, Nabil Arabi, das Abkommen mit Syrien. Er sagte, eine vorbereitende Gruppe unter dem Stellvertretenden Generalsekretär der Liga, Samir Saif al-Yazd, werde noch diese Woche in Damaskus eintreffen, um die Ankunft der Beobachter vorzubereiten. Die Liga verfüge über eine Liste von 100 Beobachtern, unter ihnen seien auch Angehörige der Medien und NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen). Die Beobachter hätten ein Mandat für einen Monat, das verlängerbar sei.
Über die Sanktionen der Liga befragt, antwortete al-Yazd, sie seien weiterhin gültig. Um sie aufzuheben, sei eine neue Zusammenkunft der Liga notwendig.
Skepsis der oppositionellen Aktivisten
Die Vertreter und Verbindungsleute des syrischen Volksaufstandes im Ausland äusserten sich skeptisch über das Abkommen. Sie meinten, die syrische Regierung spiele einfach auf Zeitgewinn. Sie wolle die Liga hinhalten und in der Zwischenzeit alles tun, was sie könne, um den Volksaufstand niederzuschlagen. Sie führen an, dass in den Wochen, während derer sich die Verhandlungen mit der Liga hinzogen, bereits 900 Zivilpersonen ihr Leben verloren hätten.
Solche Zahlen sind nicht überprüfbar. Dass es jedoch täglich neue Todesopfer gibt, manchmal unter zehn, manchmal bis zu 30 und darüber hinaus, geht aus vielen, weitgehend übereinstimmenden Berichten aus Syrien hervor.
Entscheidende Rolle Russlands?
Man muss auch zugeben, dass die syrische Regierung bisher offensichtlich Zeit zu gewinnen trachtete. Doch der Hinweis auf Russland, den Aussenminister Mu'allem fallen liess, war interessant. Russland hatte wenige Tage zuvor, am 15. Dezember, die Mitglieder des Sicherheitsrates überrascht. Es hatte seine bisherige Haltung der Ablehnung von Sanktionen gegen Syrien nuanciert und einen Resolutionsentwurf vorgelegt, in dem "alle Seiten" aufgefordert werden, die Gewalt zu beenden.
Der Entwurf "drängt die syrische Regierung, die Niederhaltung jener zu beenden, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit und friedliche Zusammenkunft und Assoziation ausüben". Die westlichen Diplomaten verhandeln zurzeit mit den russischen Kollegen über diesen Entwurf und versuchen, ihn noch etwas schärfer zu formulieren. Er spricht nicht von Sanktionen, doch Russland tat einen Schritt voran, indem es seine Kritik am syrischen Regime deutlicher als je zuvor unterstrich.
Moskaus Interessen
Offenbar hat Russland auch in Damaskus deutlich gemacht, dass es Syrien nicht immer weiter stützen werde, wenn die Regierung die Unruhe ihrer Bevölkerung durch nichts anderes zu beruhigen suche als durch Gewalt gegen sie.
Man kann sich vorstellen, dass auch Moskau im Stillen den syrischen Machthabern zu erklären suchte, dass die Gewalt nur immer mehr Empörung und Gegengewalt vonseiten der aufgebrachten Bevölkerung und der Überläufer aus der Armee heraufbeschwört und dass die Regierung in Damaskus mindestens eine zweite, politische Option entwickeln müsse, um Aussicht zu haben, die Unruhen zu bewältigen.
Russland hat ein Interesse daran, dass der syrische Staat nicht zusammenbricht. Syrien ist ein Land, das von Moskau seit 1956 mit Waffen beliefert wird und dessen Armee russisch bewaffnet ist. Syrien ist auch der letzte Partner in der arabischen Welt, der Russland verblieben ist.
Was können die Beobachter beobachten?
Natürlich ist zu erwarten, dass die syrische Regierung, wie al-Mu'allem auch deutlich machte, versuchen wird, die Beobachter von ihrer These zu überzeugen, nach der obskure Kräfte aus dem Ausland und andere Unruhestifter hinter dem Volksaufstand stünden. Die Deserteure aus den syrischen Streitkräften, die in den letzen Monaten dazu übergegangen sind, ihrerseits Überfälle auf versprengte Einheiten der regulären Armee durchzuführen, werden den syrischen Diplomaten und den "Beschützern" der nun zu erwartenden Beobachter der Arabischen Liga dazu dienen, die Thesen der Regierung glaubhaft zu machen.
Um dies zu bewirken, werden Offizielle natürlich versuchen, jeglichen Kontakt der Beobachter mit den zivilen Aufständischen und Demonstranten zu unterbinden oder unter ihrer Kontrolle zu halten.
Man kann hoffen, dass die Beobachter ihrerseits genügend Zivilcourage und Unternehmungslust zeigen werden, um Anstrengungen zu machen, solche Kontrollen und Einbindungen zu überwinden und sich ein eigenes Bild von der Lage zu machen.
Mehr als eine aussenpolitische Übung?
Die Hoffnung, dass der Vertrag mit der Liga mehr bringen wird als eine diplomatische Übung der einen Seite, ihre These von den Banden und der ausländischen Einmischung glaubwürdig zu machen, und der anderen Seite, ein realistisches Bild von den Vorgängen in Syrien zu gewinnen, darf nicht zu hoch eingeschätzt werden. Doch immerhin bedeutet der Vertrag mit der Arabischen Liga den Beginn eines politischen Prozesses, zu dem sich die Syrer bereit finden, um einer totalen Isolierung ihres Landes und dem Verlust ihrer letzten Freunde und Beschützer zu entgehen.
Ob dieser Prozess nur ein Versuch des Assad-Regimes werden wird, die letzten politischen Freunde im Ausland nicht zu verlieren, oder ob er auch ein Bemühen der letzten Stunde beinhaltet, wirklich mit der aufgebrachten Bevölkerung Syriens das Gespräch aufzunehmen, ist noch unklar. Und noch viel ungewisser bleibt, ob ein solcher Versuch, wenn er überhaupt stattfinden sollte, eine Versöhnung zu so später Stunde bewirken kann.