In diesen krisenbeladenen Zeiten ist es besonders wohltuend, mit positiven Meldungen aufwarten zu können – und zwar aus dem deutschsprachigen Bereich. Der englischsprachige „Economist“, bekannt als seriöses und global orientiertes Nachrichtenmagazin, informierte unlängst darüber, dass die deutsche Sprache im internationalen Ranking deutlich an Popularität zunehme und sich merkbar ausbreite. „Once the language of Schiller and Goethe, then of Hitler, German is hip again“, heisst es im Untertitel.
Und ohne Spur von Neid fügt der „Economist“ hinzu, das weltweit wachsende Interesse an der deutschen Sprache sei offenbar ein Indiz für Deutschlands zunehmende Softpower. Softpower (der vom Harvard Professor Joseph Nye lancierte Begriff lässt sich schwer in Deutsche übersetzen) soll die kulturelle, kommerzielle, sprachliche, wirtschaftliche Anziehungskraft eines Landes bezeichnen. Dass diese Kraft seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten vor 25 Jahren entgegen allen damaligen Kassandrarufen beträchtlich zugenommen hat, wird niemand im ernst bestreiten. Angela Merkel ist inzwischen die dominanteste Figur unter den europäischen Politikern – nicht zuletzt dank deutscher Softpower.
Für 105 Millionen Menschen ist Deutsch heute die Muttersprache. Insgesamt aber sprechen 185 Millionen die deutsche Sprache. Damit kommt Deutsch unter den Weltsprachen gemessen an der Zahl seiner Sprecher nur auf Platz 10. Doch gemäss einer neuen Untersuchung des Linguisten Ulrich Ammon („Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt“, erschienen 2015) ist Deutsch nach der Zahl derjenigen, die diese Sprache lernen, auf den vierten Platz vorgerückt (hinter Englisch, Chinesisch, Französisch und ungefähr auf gleicher Höhe mit dem Spanischen).
15.5 Millionen Menschen sind dabei, Deutsch zu lernen, 4 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Dass viele dieser Lernenden sich nicht deshalb mit dem Deutschen abrackern, um Schiller oder Goethe im Original lesen zu können, sondern in der Hoffnung, so eher eine Stelle auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu finden, versteht sich. Man muss sich nur in deutschen Sprachkursen in Spanien, Griechenland oder auf dem Balkan herumhören.
Mark Twain hat 1880 in einem satirischen Text über die „schreckliche deutsche Sprache“ unter vielen anderen Eigenheiten die kompliziert-verschlungene Platzierung zusammengesetzter Verben sowie die oft völlig unlogische Geschlechterzuordnung von Substantiven (das Mädchen, aber die Rübe! seufzte Twain) beklagt. Wahrscheinlich hat er nicht ahnen können, dass in seiner amerikanischen Heimat das sperrige Wort „Fahrvergnügen“ zu einem erfolgreichen Werbeslogan für deutsche Volkswagen avancieren würde. Und dass ambitiöse amerikanische Journalisten in ihre Texte gerne ausdrucksvolle deutsche Begriffe wie „Fingerspitzengefühl“ oder „Schadenfreude“ einstreuen.
Weshalb aber heisst es im oben erwähnten „Economist“-Artikel, Deutsch sei wieder hip? Weil diese Sprache im 19. Jahrhundert vor allem in Osteuropa eine Art lingua franca war, also eine überregionale Verkehrssprache, ähnlich wie heute das Englische. Die Möglichkeit, dass Deutsch das in Sachen Softpower einsam an der Spitze stehende angelsächsische Idiom je einholen könnte, scheint aus heutiger Sicht praktisch ausgeschlossen. So etwas wäre, gemäss ihrem heutigen Selbstverständnis, ja wohl selbst den Zeitgenossen mit deutscher Muttersprache (inklusive den Deutschschweizern) nicht geheuer.