Die Musikalität hat Philippe Jordan als Sohn des Luzerner Dirigenten Armin Jordan, des langjährigem Chef des ‚Orchestre de la Suisse Romande’ und der Zürcher Oper, in den Genen. Die engagierte Arbeitsweise vielleicht abgeschaut. Den Zugang zu Wagner wahrscheinlich vom Vater, einem profunden Wagnerkenner, bekommen. Philippe Jordans ‚Ring‘, der mit der ‚Götterdämmerung‘ gerade eben zu Ende gegangen ist, wurde vom Pariser Publikum begeistert gefeiert. Nun wird der in der nächsten Spielzeit wieder aufgenommen.
‚Crepuscule’ ! - Schleimiges Kriechtier? Reptil? Kröte? Keines von allem. Das Wort, das für germanische Ohren so banal klingt, steht für Hehres: ‚La crepuscule des dieux’ steht für die Dämmerung, die der Götter, von Richard Wagner.
Die Wagnerjünger sind gerade von ihrer jährlichen Wallfahrt aus Bayreuth zurück gekommen. Sie haben dort ‚Tannhäuser’ gesehen‚ ein Skandal! In jeder Beziehung unbefriedigend. Einen Tristan’ gehört in einer eindringlichen Inszenierung von Christoph Marthaler, sowie den Neuhaus‘schen ‚Lohengrin’ gesehen, mit Volk und Chor als schaurig schöne trippelnde Rattenschar.
Zur ‚Götterdämmerung’ sollten sie nächsten Herbst unbedingt nach Paris reisen. Denn göttlich war die Götterdämmerung, die die Pariser Opera Garnier den Wagnerjüngern bot. Viereinhalb Stunden verflogen im Fluge - vor allem wegen der ausserordentlichen Orchesterleitung unter der inspirierten Direktion von Philippe Jordan. Der junge Schweizer Operndirektor, der mit dem ‚Ring’ schon das Zürcher Publikum verzaubert hatte, bot die Tetralogie nun dem Pariser Publikum - nach einer Pause von mehr als 50 Jahren. Und es dankte ihm mit vollen Häusern, minutenlangem Beifall und mit ‚Standing Ovations’.
Was ist nun das Besondere an der künstlerischen Leitung von Jordan? Der Zürcher, als Sohn des Dirigenten Armin Jordan in der Schweiz aufgewachsen, hat Musik in den Genen und im Blut. Beim Weggang des grossen Operndirektors Gerard Mortier nach Madrid hatten viele gefürchtet, dass die Pariser Oper in der Provinzialität versinke. Was die Inszenierungen angeht, ist sicher ein Rückgang zu bemerken. Da holt die Oper von Lyon auf, die frische und auch gewagte Inszenierungen bietet. Die Ära eines Luc Bondy und Kristoph Warlikowsky, die mit ihren überraschenden Inszenierungen beim Pariser Publikum für heisse Köpfe, für leidenschaftliche Diskussionen in den Pausen, doch auch für grosse Inspiration sorgten, ist definitiv vorbei. Sie hat einer grossen Zufriedenheit mit dem Gehörten Platz gemacht. Was Philippe Jordan bietet, ist eine differenzierte Abstimmung der Stimmung in seinen Produktionen sowie eine hervorragende Orchesterarbeit, bei der Jordan jeden Augenblick der Musik der inneren Bedeutung der Thematik anpasst. Er weist auch darauf hin, dass Wagner, anders als andere Komponisten, dirigiert werden muss.
Jordan: „Die Musik Wagners schafft ein faszinierendes Klima im Orchester; eine neue und reiche Harmonik, die visionär und grossartig ist.“
Und er weist darauf hin: „Wenn man Wagner dirigiert, braucht man eine grössere und strengere Gestik. Trotzdem kann man nicht alles kontrollieren, man muss dem Orchester vertrauen.“
Die Arbeit mit dem ‚Orchestre de l’opera nationale de Paris’ für den ‚Ring’ war eine der wichtigsten Aufgaben Jordans in den ersten Monaten seines Dirigats.
Die Akustik eines Hauses kennenlernen
Jordan: „Wir haben in zwei Gruppen gearbeitet, mit der einen ‚Rheingold’ und ‚Siegfried’ einstudiert, mit der anderen ‚Walküre’ und ‚Götterdämmerung’. Bei beiden Gruppen habe ich eine deutliche Entwicklung beobachten können, als wir von einem Werk zum andern wechselten. Zuerst haben wir den ‚wagnerischen’ Klang gesucht. Ich suchte den germanischen Klang durch die Klarheit, die einem französischen Orchester eigen ist, zu erhöhen.“
„Die Tetralogie war für mich auch eine Möglichkeit, die Akustik des Saales der Bastille im Detail kennen zu lernen, und es war der Beginn einer wichtigen Reise für uns alle, darum haben wir diese Aufgabe gleich an den Anfang gesetzt. Der Orchestergraben zum Beispiel ist hier sehr tief. Da muss man, zum Beispiel bei der ‚Walküre‘, den Streichinstrumenten und vor allem der ersten Violinen viel Stärke einräumen, doch gleichzeitig an jedem Detail arbeiten, um den Ausgleich nicht zu gefährden. Ich wollte unbedingt eine gewisse Intimität erzeugen, fast den Ton von Kammermusik, der auch bei Wagner vorhanden ist.“
Diese Saison hören die Pariser Wagnerianer ‚Tannhäuser’ in einer etwas ereignisschwachen Produktion von Robert Carsen unter der soliden musikalischen Leitung von Sir Mark Elder. Darin glänzen eine herausragende Nina Stemme als Elisabeth, und eine physisch und stimmlich ansprechende Sophie Koch als Venus. Letztere singt ihren Part fast durchgehend nackt. Man stelle sich vor, man hätte dies einer der früheren Diven wie der Callas angetragen.
Nächste Saison ist dann der ‚Ring’ mit Jordan wieder dran, und davor, für alle Wallfahrer zum grünen Hügel, dirigiert Philippe Jordan dort nächsten Sommer den ‚Parsifal’.