Die Zeichen für die Koalition um die seit der Unabhängigkeit von Grossbritannien 1957 regierende United Malays National Organization (UMNO) verhiessen einen lockeren Wahlsieg. Premierminister Najib Razak, seit rund zehn Jahren an der Macht, versprach das Blaue vom Himmel, zum Beispiel Steuererleichterung für die Jungen sowie satte Vorteile für die Beamten. Um ganz sicher zu gehen, änderte Najib Razak noch kurz vor der dem Urnengang die Wahlkreisgrenzen zugunsten der UMNO. Zudem hoffte er auf eine geringere Wahlbeteiligung als jene 85 Prozent bei der letzten Wahl 2013. Je weniger, desto besser – so die Hoffnung der UMNO. Doch grassierende Korruption, Justiz-Willkür und Partei-Diktatur minderten die Wahlchancen. Premier Najib war zudem in einen Finanzskandal gigantischen Ausmasses verwickelt. Über den Staatsfonds Sovereign Wealth Fund 1MDB soll er sich persönlich Hunderte von Millionen Dollars in die eigene Tasche gesteckt haben.
Allianz der Hoffnung
Die Wahlbeteiligung war zwar mit 76 Prozent geringer, doch die Niederlage des regierenden UMNO-Koalitionsbündnisses Barisan Nasional (BN) war nicht mehr aufzuhalten. Eine Allianz von Oppositionsparteien unter der Führung des ehemaligen Premiers Mahathir Mohamad, Pakatan Harapan (PH – Allianz der Hoffnung), errang mit 122 von insgesamt 222 Parlamentssitzen eine solide Mehrheit. Der BN verblieben gerade einmal noch 79 Sitze. Die malaiisch-sprachige Tageszeitung «Sinar Harian» titelte metaphernreich: «Der Volks-Tsunami».
«Ich bin noch am Leben»
Der Wahlsieger und neue Premierminister Mahathir wurde kurz nach der Wahl vom König vereidigt. Mahathir stellte sich selbstsicher, hellwach, witzig und topfit der Presse. Das ist nicht selbstverständlich, denn der studierte Arzt Mahathir ist bereits 92 Jahre alt. «Doch, doch», rief er in der Wahlnacht den Journalisten zu, «ich bin immer noch am Leben.» Er war bereits von 1981 bis 2003 Malaysias Premier. Damals führte er das Land in die Modernisierung. Er gestaltete und prägte in Abgrenzung zum Westen auch den Begriff der «Asiatischen Werte». Bis 2016 blieb er UNMO-Mitglied. Danach aber suchte er aus Protest gegen die korrupte, ineffiziente Regierung die Erneuerung mit einer neuen, oppositionellen Allianz.
«Reformasi»
Kurz vor der Wahl besuchte er seinen ehemaligen politischen Ziehsohn Anwar Ibrahim im Spital. Anwar war in den 1990er Jahren unter Mahathir Finanzminister und Stellvertretender Premier. Auf Anwar geht das Reformprojekt «Reformasi» zurück, damals gegen seinen politischen Ziehvater Mahathir gerichtet. Im Wahlkampf gegen Najib nun nahm Mahathir den Ruf nach «Reformasi» wieder auf. 1998 ging Mahathir gegen den immer einflussreicheren Anwar vor. Anwar wurde wegen «homosexueller Handlungen» zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Der nun besiegte Premier Najib schickte Anwar unter den gleichen Beschuldigungen wieder ins Gefängnis. Anwars Frau Wan Azizah Ismail und Tochter Nurul setzten Anwars politisches Vermächtnis über all die schwierigen Jahre als Parlamentarierinnen fort. Azizah, so Premier Mahathir, soll nun gar Stellvertretende Ministerpräsidentin werden.
Schwierige Zeiten
Der neuen Regierung Malaysias stehen schwierige Zeiten bevor. Die stagnierende Wirtschaft braucht neuen, innovativen Schub und mehr Investitionen aus dem Ausland, um der «Falle des mittleren Einkommens» zu entkommen. Mahathir, selbst malaiisch-indischer Abstammung, muss ethnische Gräben – 69 Prozent Malayen, 25 Prozent Chinesen, sieben Prozent Inder – einebnen und den konfessionellen Frieden zwischen Buddhisten, Hindus, Moslems und Christen fördern.
Unterdessen hat der König Anwar begnadigt und so dessen politische Rückkehr möglich gemacht. Mahathir hat Anwar um Verzeihung gebeten und an einer Pressekonferenz versichert, er werde nur noch maximal zwei Jahre im Amt bleiben und danach das Amt des Premiers an Anwar abtreten. Der ist schliesslich über 20 Jahre jünger.
Fairer Verlierer
Der korrupte ehemaligen Premier Najib wurde nicht verhaftet. Ihm wurde jedoch verboten, ins Ausland zu reisen. Ihm wird wohl in absehbarer Zeit unter einem reformierten Justizsystem der Prozess wegen Unregelmässigkeiten im Staatsfond gemacht werden. Immerhin gab er sich als fairer Verlierer. Najib Razak: «Mit offenem Herzen akzeptieren wir das Verdikt des Volkes.» Die Niederlage sei eine gute Gelegenheit, die begangenen Fehler und Schwächen zu korrigieren.
Der Vielvölkerstaat Malaysia mit 32 Millionen Einwohnern ist – wie zuvor Südkorea, Taiwan, die Philippinen, Indonesien, Burma sowie halbwegs Hong Kong und Singapur – wohl ein Beispiel dafür, dass Demokratie auch oder gerade wegen «Asiatischer Werte» durchaus funktionieren kann.