„Bevor du einen Turm stiehlst, bohre ein passendes Loch.“ Was lehrt uns dieses persische Sprichwort? Diebesgut muss gut verborgen werden, so gut, dass niemand es finden kann: Je tiefer das Loch, umso erfolgreicher der Dieb.
Wo ist das Loch, fragten sich fast fünf Jahre lang viele im Iran, nachdem die Ära der Präsidentschaft von Ahmadinedschad endete. Und das gesuchte Loch musste ein besonders grosses sein. Denn ein Turm, genauer gesagt ein Bohrturm, war verschwunden. Und viele glaubten, dass der Bohrturm, dessen Name Fortuna war, tatsächlich irgendwo in einem Loch versteckt wurde. Zeitungsreporter wollten das Loch sogar geortet haben. Denn es gab Dokumente, Bilder und Zeugen, die bewiesen, dass der Turm geliefert wurde. Aber er kam beim Käufer, dem iranischen Erdölministerium, nie an. Keine Frage, es musste unterwegs ein grosses Loch gegeben haben, ein gutes Versteck, in dem sich der Turm befand.
Nach Jahren der Spekulationen und Verdächtigungen kam der Streit über den verschwundenen Bohrturm schliesslich vor Gerichte in Teheran und London. Denn mindestens sieben Länder sind in diese Affäre verwickelt und es geht um immerhin 88 Millionen Dollar, die das iranische Erdölministerium gezahlt hatte. Fast zeitgleich sprachen dieser Tage die Richter ihre Urteile. Und siehe da, das Loch ist noch viel grösser, unheimlicher und verschachtelter, als es sich die iranische Justiz je hätte träumen können. Ein Alptraum ist dieses Loch für alle Muslime, auch für jene Teheraner Richter, die als wahre Gläubige Recht sprachen.
Mit dem Geld für den nie angekommenen Turm wurden nämlich Weingüter in den USA gekauft und – schlimmer noch – Trumps Wahlkämpfe finanziert. Widerwärtiger und dunkler geht es nimmer, jedenfalls für einen islamischen Richter nicht.
Erster Schritt: iranische Scheinfirma
Lässt sich diese eigenartige Geschichte, deren Schauplätze sich über mehrere Länder in drei Kontinenten verteilen, kurz und verständlich erzählen? Wir versuchen es: Wir schreiben das Jahr 2010. Ahmadinedschad ist in seiner zweiten Amtszeit, und wie gewohnt versenkt er sein Land mit täglich neuen antiisraelischen Hasstiraden immer tiefer in Isolation und Sanktionen. Doch er muss sein Erdöl verkaufen und braucht neue Bohrtürme. Geschäftstüchtige Vertraute des Präsidenten, anfänglich fünf an der Zahl, gründen eine Firma. Doch diese Scheinfirma kann nicht selbst als Käuferin auf dem Weltmarkt erscheinen. Denn manche ihrer Gründer befinden sich längst auf US-Sanktionslisten.
Man braucht also eine Firma, die im Ausland, am besten in Europa, registriert ist. Findige Geschäftsleute und clevere Anwälte kennt man zur Genüge, man ist ja seit Jahren bestens damit vertraut, wie man internationale Sanktionen umgeht. Die iranische Scheinfirma schliesst in Dubai, jenseits des persischen Golfes, einen Vertrag mit einem hilfsbereiten arabischen Anwalt, und in seinem Namen wird auf den britischen Virgin Islands eine Firma namens „Dean International Trading“ registriert.
So weit der schöne Schein, mit dem man auch den Geldtransfer aus dem Iran regelt. Nun macht man sich auf die Suche nach einem Turm. Schliesslich wird man in Rumänien fündig. Der Turm trägt den Namen Fortuna. Er sieht ein bisschen heruntergekommen aus, ist aber wiederherstellbar.
Das Ölministerium zeigt sich zufrieden und überweist 17 Millionen Dollar als Anzahlung. Fortuna soll sich zunächst in der Türkei erholen, so der Plan der Käufer. Dass der Bohrturm türkischen Boden erreicht, ist belegbar und unumstritten. Der Rest des Geldes, annähernd 70 Millionen, wird über eine Bank in Dubai nach London an einen iranischen Geschäftsmann überwiesen.
Fortuna verlässt dann die Türkei, auch das ist nachweisbar. Aber wohin? An dieser Stelle beginnt die Suche nach dem grossen Loch. Es gibt zahlreiche Berichte, glaubwürdige und weniger glaubwürdige, wo überall Fortuna gesichtet worden sei, sogar an den Küsten Argentiniens und Mexikos wollen manche Journalisten den Bohrturm ausfindig gemacht haben.
Gläubige Soldaten der Islamischen Republik
Erst musste allerdings Ahmadinedschads Zeit zu Ende gehen, damit die Öffentlichkeit überhaupt etwas von der Fortuna-Geschichte erfuhr. Erst durch den daraus entstandenen Druck und die Häme in sozialen Medien sah sich das iranische Ölministerium gezwungen, die Gerichte anzurufen.
Nach fast vier Jahren Prozess schlossen die Teheraner Richter endlich die Akte und sprachen für iranische Verhältnisse sehr milde Urteile. Von drei Monaten bis zu drei Jahren reichen die Haftstrafen, die auch noch zur Bewährung ausgesetzt wurden.
Nach dem Urteilsspruch betonte der Vorsitzende Richter, alle Verurteilten seien „gläubige Soldaten der Islamischen Republik“. Kein Wunder, dass niemand glaubte, dass dieses Gericht irgendetwas beitragen könne, die Korruptionsaffäre glaubwürdig aufzuarbeiten. Doch es gab auch ein anderes Gericht.
Das Londoner Gericht
In die Geschichte Fortunas waren auch Ausländer und eine britische Scheinfirma involviert. Also musste sich auch die britische Justiz der Sache annehmen. Eine Zivilsache: Die Londoner Richter konnten zwar keine Haftstrafen aussprechen, doch im Gegensatz zu ihren iranischen Kollegen konnten sie in ihrem fünfzig Seiten umfassenden Bericht nachweisen, wo das Geld geblieben ist und wer wem wie viel Entschädigung zu zahlen hat. In dieser Gerichtsschrift kommen alle Seiten zu Wort.
Ein britischer Anwalt belastet einen iranischen Angeklagten, einen Vertrauten Ahmadinedschads, massiv. Auf der Suche nach den verlorenen 88 Millionen Dollar legt dieser Anwalt dem Gericht Beweise und Dokumente vor, wonach der Iraner mit einem Teil der unterschlagenen Summe Trumps Wahlkampf finanziert und Weingüter in den USA erworben hat. Dieser Trump-Finanzier und Weingutbesitzer gehört übrigens zu jenen vom iranischen Strafgericht Verurteilten, die der dortige Richter für gute Soldaten der Islamischen Republik hielt.♦
Mit freundlicher Genehmigung vom Iran Journal
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