Seit Monaten stellten auch die seriösen hiesigen Medien Donald Trump an den Pranger: seine menschenverachtende Politik, seine Rüpelhaftigkeit, sein Aufbrausen, seine Lügen. Dann kommt er in die Schweiz – und die gleichen Medien kriechen vor ihm. Nicht nur die Medien, auch Wirtschaftskapitäne.
Ein Zürcher Leitmedium, das über Monate hinweg (zum Glück) sehr kritisch über Trump berichtete, schreibt nun einige Tage vor dem Besuch: „Vorfreude auf Trump“.
Natürlich soll die Visite eines amerikanischen Präsidenten medial gebührend begleitet werden. Es geht hier nicht um Trump, es geht um die plötzliche Euphorie, die ausgebrochen war. Nicht nur der Boulevard, auch seriöse Blätter gerieten in eine huldigende Erregung: in ein eigentliches Entzücken.
Der Blick-Chefredaktor ergattert sich gar ein Autogramm für seine Zeitung. Journalismus muss Distanz zur Macht haben. Wer als Journalist von einem Machthaber um ein Autogramm fleht, ist kein Journalist.
Die Live-Tickers meldeten dann Hunderte „Breaking News“, zum Beispiel:
- Der Riesekonvoi von Trump ist beim Kongresshaus eingetroffen.
- Blick-Reporter hautnah mit dem Pressecorps des Weissen Hauses.
- Im Kongresshaus warten die Medien.
- Einmarsch von Donald Trump.
- Auch Philipp Hildebrand ist gespannt auf die Abschlussrede von Trump.
Den Vogel abgeschossen hat dann das Zürcher Leitmedium: Einige Stunden vor Trumps Rede hiess es: „Wir spekulieren, was Trump um 14 Uhr in seiner grossen Rede sagen wird.“ Spekulieren, was er sagen wird. Ist das einer grossen Zeitung würdig, oder wäre das eher der Titel eines Satireblattes?
Weiter mit den Breaking News:
- Alain Berset hat sich auf das Treffen mit Trump vorbereitet.
- Helis warten schon auf den Abflug von Trump.
- Flughafen öffnet Zuschauerterrasse – letzte Chance für einen Blick auf die Air Force One.
- Dann die schlechte Nachricht: „Die Air Force One ist relativ weit von der Zuschauerterrasse parkiert, aber man sieht sie.“
- Dann die Erlösung: Trump ist schon in der Luft.
Was für ein toller, relevanter Journalismus.
Die NZZ schreibt nach dem Abflug des Präsidenten: „Der Besuch des US-Präsidenten in Davos hat die Schweiz in einen zweiwöchigen Ausnahmezustand versetzt.“ Die Schweiz? Nein, gewisse Medien befanden sich im Ausnahmezustand. Es ist anzunehmen, dass der Mehrheit der Schweizer Bevölkerung Trumps Visite ziemlich egal war. Oder sie verfolgten ihn mit gebührendem Grauen.
Doch nicht nur die Medien lagen dem Präsidenten zu Füssen. Unsere Wirtschaftsführer, jene, die mit Trump zu Abend essen durften, und die Trump dann als „meine neuen 15 Freunde“ bezeichnete, machten einen fast unappetitlichen Bückling. Natürlich muss man den hohen Gast nicht brüskieren. Aber etwas mehr Distanz wäre angezeigt gewesen: etwas mehr Haltung, etwas weniger geifernde Huldigung, etwas mehr Klasse. Wie viele von ihnen haben vor noch kurzer Zeit Trump kritisiert. Doch wenn es darum geht, Geld zu verdienen, viel Geld zu verdienen, noch mehr Geld zu verdienen, wirft man jede Haltung innert kürzester Zeit über Bord. Beim Tanz ums Goldene Kalb wirkt jeder dieser Wirtschaftsführer wie ein Dagobert Duck mit den Dollarzeichen in den Augen.
Klaus Schwab, der Gründer des WEF, betont ja immer wieder, dass das Forum die Welt gerechter und friedlicher machen will. So standen denn auch Themen wie Syrien, das Klima und der Hunger auf der Tagesordnung. Doch all dies waren Nebenschauplätze.
Ziel sei es, die Wirtschaft zu stärken, sagt Schwab. Sicher schafft eine starke Wirtschaft Arbeitsplätze und Wohlstand. Doch während dieser Grundsatz wiederholt und wiederholt wird, öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. Das WEF sollte vielleicht aufhören, sich als Weltverbesserer in Szene zu setzen. Es geht in Davos in erster Linie ums Geld verdienen. Das diesjährige Treffen hat dies überdeutlich gemacht. Zwar geben viele Teilnehmer vor, die Probleme dieser Welt lösen zu wollen. Doch dazu müssten sie sich selbst abschaffen. Denn die Probleme, die sie angeblich lösen wollen, sind sie selbst. Sie und ihre Politik.