In Spike Jonzes Film „Her“ verliebt sich Theodore Twombly in ein Sprachprogramm, das weitaus raffinierter ist als die heute verfügbaren, etwa Siri von Apple oder Cortana von Microsoft. „Samantha“ – so nennt sich die Software. Sie ist intelligent, zeigt Emotionen, ist anschmiegsam, lustig, reagiert sensibel auf kleine zwischenpersönliche Spässchen.
Theodore lebt getrennt von seiner Frau Catherine und arbeitet für das Online-Unternehmen BeautifulHandwrittenLetters.com als Ghostwriter. Sein Job besteht darin, herzenswarme „handgeschriebene“ Briefe für eine Klientel zu schreiben, die sich nicht als fähig oder willens betrachtet, solches selber zu tun. Bei allem Expertentum im „romantischen“ Briefschreiben bleibt Theodore freilich ungesellig, emotional abgestumpft – ein Nerd eben. Beziehungen zu Frauen, die sich nicht nach einem vorgegebenen Skript abspielen, irritieren ihn, und er bricht sie ab. Samantha ist da ganz anders: perfekt abgestimmt auf seine Bedürfnisse, seine Gefühlslagen und Absichten.
Was er primär will, sind Bequemlichkeit und Wohlgefühl. Dazu braucht er eine Partnerin, die seine „Liebessprache“ spricht und nichts sonst, eine Quasi-Person, die das Skript nicht stört, das in seinem Schädel implementiert ist. Man kann in Theodore durchaus den Typus des (neurotischen?) Mannes sehen, der eigentlich nur mit einem Phantasma der Frau leben kann. Ein altbekannter Topos. Der Schriftsteller Ira Levin („Rosemary’s Baby“) hat ihn in neuerer Zeit berühmt gemacht mit seinem Roman „Die Frauen von Stepford“ (1972), der zweimal verfilmt wurde (1975 und 2004). Er beschreibt die suburbane Idylle von Stepford, die sich als der reinste Horror entpuppt: die wohlbestallten Männer lassen nach ihren Idealvorstellungen Roboter-Doubles von ihren Gattinnen bauen; diese Doubles bringen dann die „Originale“ um und beginnen, an ihrer Stelle den ehelichen Service – „reibungslos“ - abzuleisten.
Weit hergeholt? Lassen wir hier psychoanalytisches Tieftauchen und den intensiv bewirtschafteten Acker der Männerphantasien beiseite. Man kennt „intime“ Beziehungen zu Dialogprogrammen seit ELIZA von Joseph Weizenbaum. Der Mensch ist offenbar ein Wesen, das von Maschinen getäuscht werden will. Theodore ist ein Cyrano de Bergerac des Computerzeitalters. Die Ironie liegt auf der Hand: Er simuliert Gefühle für seine Kundschaft und verliebt sich ausgerechnet in eine Simulation. Dass ihn ein Laptop etwas sozialfähiger macht, wirft ein Licht zurück auf eine Homo-Robo-Gesellschaft, in der das Simulieren immer mehr zur Normalität wird. Seien wir uns dabei im Klaren: die Romanze – das Dating - ist immer kulturell überformt; ein Ritual, das oft strengen, festgelegten Regeln folgt und insofern einen gewissen „programmierten“ Charakterzug aufweist. Man denke nur an all die Ratgeber, wie man erfolgreich „die“ Frau oder „den“ Mann angelt. Ich zweifle nicht daran, dass es Leute gibt, welche die Romanze als ein – im Prinzip - technisch „lösbares“ Problem betrachten, das an den Computer delegiert werden kann. Die neuen technischen Hilfsmittel versprechen blühende Marktnischen: Apps für das Dating; Plattformen für den erotischen Chat; Roboter für Sex.
So gesehen bietet „Her“ die Aussicht auf eine Gesellschaft voller sozialer, technisch armierter Monaden, in der man auch Liebeswerben und Flirten - also letztlich ein elementares Stück Humanität - automatisiert und outsourct. Dass Theodore sich in einen Computer verknallt, wird von ihm nicht als defizitär empfunden. Kaum verwunderlich, denn von Entfremdung oder gar Pathologie zu reden erübrigt sich, wo sie gesellschaftsfähig geworden ist.