Elegant sieht er aus, der Gottesmann, Vollmondgesicht, kurz geschnittenes Schnäuzchen, weisser Anzug mit fetten schwarzen Streifen, gelbes Hemd, violette Krawatte und ebensolches Pochettchen, das wohl 5 Zentimeter aus der Brusttasche reicht.
Und gut riecht er. Wohl einen Deziliter kopierten Giorgo-Armani-Duftes hat er sich sicher über Haut und Anzug gekippt. Und Hochwürden ist nicht nur Priester, verrät er mir, sondern auch Hellseher und Wunderheiler. Und ich hätte Glück, denn gerade morgen führe er seine Kunst vor auf dem Platz vor der Hauptpost, die 1982 ihren Dienst eingestellt hat.
Ja, auch Krankenheilung gebe zu sehen, natürlich. Und dann möchte er auch wissen, wer ihn denn da sofort als Priester erkannt hat. Als ich mich vorstelle, lächelt er wieder huldvoll, ergreift mit seiner Rechten meine rechte Hand, mit der Linken meinen Unterarm, schaut zum Himmel und erklärt, dass er jetzt und hier ein Gebet für mich spreche. Für mich, der ich so viel Gutes tue für sein Land. Und dann hebt er wirklich an und bittet Gott, seine schützende Hand über den Monsieur Hans zu halten, auf dass er fürderhin Gutes tue. Und beim Abschied lädt er mich nochmals ganz herzlich ein morgen seinem Gottesdienst beizuwohnen.
Ich sinne dem Mann noch eine Weile nach. Vielleicht ist er nur ein Rattenfänger, der denen, die nichts haben Illusionen verkauft, auf dass sie noch den letzten Batzen hergeben. In einem Land, in dem auch meine Journalisten-Kollegen an Hexerei und Zauberei glauben und jeden Sonntag in die Kirche rennen, bekommt ein solches Erlebnis aber ein anderes Gewicht. Was wäre, wenn der Mann wirklich Kräfte hätte, von denen ich nichts weiss und die ich zu Hause als Hokuspokus abtäte?
Im Stakkato den Herrn preisen
Anderntags stelle ich mich mit einem Kollegen in die hinterste Reihe vor der Post. Der Wundermann hat sich heute ebenso gepflegt aufgemacht wie gestern. Er sitzt, besser hängt in einem riesigen Fauteuil auf der Bühne, lächelt in die eher lichte Menge, während zwei Einpeitscher seinen Auftritt vorbereiten und im Stakkato den Herrn preisen, nicht den im Himmel, sondern den Herrn Priester, der an der Universität Techniker studiert hat. Dort ist er dem Herrn im Himmel begegnet und legt jetzt davon Zeugnis ab.
Dann beginnen auf der Bühne zwei seiner Mannschaft zu tuscheln und auf uns zu zeigen. Sie kommen auf uns zu und bitten uns auf die Bühne. Der Meister habe uns gesehen und würde sich freuen, wenn wir zu ihm kämen. Es wird uns etwas „gschmuech“ – wir wollen uns nicht vor seinen Karren spannen lassen. Wir hätten leider keine Zeit, hätten Verpflichtungen. Und während die Einpeitscher immer noch sein Hohelied singen, verdrücken wir uns... ob an diesem Tage noch Wunder geschehen sind, haben wir nicht erfahren.
**... wenn sie nur fleissig spenden"
Religion hat im Kongo einen hohen Stellenwert. Die ersten Missionare verschienen um 1902. Etwa die Hälfte der Menschen bekennen sich zur katholischen Kirche. Daneben gibt es jeden Menge Freikirchen und Sekten, die den Armen das Heil versprechen - wenn sie nur genug beten und fleissig spenden. Mausarm sind wohl 90 Prozent aller Kongolesen. Der Kirchgang am Sonntag ist ein Muss für alle Schichten. Die Kirche hätte in diesem Land Definitionsmacht, könnte neue Ideen einbringen.
Die katholische Kirche ist aber regierungstreu oder den mächtigen Oppositions-Politikern nahe. Der Erzbischof von Bukavu erhält zu kirchlichen Feiertagen Packen Geld von Staatschef Kabila, er huldigt ihm seit Beginn. Seine zwei Vorgänger, eher regierungskritisch, hatten eine kürzere Amtszeit. Der vorletzte wurde zwangsversetzt und starb auf wundersame Weise bei einer Fortbildung in Rom. Der letzte brach bei der Bischofsweihe tot zusammen. Die Kirche ist gegen Geburtenkontrolle, Kinder werden als Gabe Gottes gesehen, 8-12 Kinder pro Familie sind üblich. Vielleicht die Hälfte kann die Schule besuchen, weil die Eltern das Schulgeld nicht aufbringen können.
Hansjörg Enz, früherer Moderator und Redaktor der Tagesschau des Schweizer Fernsehens. Arbeitete von Mai 2008 bis August 2010 in der demokratischen Republik Kongo für die deutsche Hilfsorganisation Eirene. Dort hat er junge Journalisten ausgebildet und ihnen beim Aufbau einer Radiostation geholfen. Er kehrt regelmässig in den Kongo zurück.