Carl von Clausewitz wusste schon im postum 1832 veröffentlichten Werk «Vom Kriege», wovon er schrieb: «Der Krieg ist das Gebiet der Ungewißheit; drei Vierteile derjenigen Dinge, worauf das Handeln im Kriege gebaut wird, liegen im Nebel einer mehr oder weniger großen Ungewißheit. Hier ist es also zuerst, wo ein feiner, durchdringender Verstand in Anspruch genommen wird, um mit dem Takte seines Urteils die Wahrheit herauszufühlen.»
Propagandagedöns
So wie sich im vorletzten Jahrhundert nach den ersten Kanonenschüssen Pulvernebel übers Schlachtfeld legte, in dem die Heeresführer von ihrem Hügel herunter rumstochern mussten, so existiert das gleiche Problem bis heute. Sogar verschärft, da dank «embedded journalists», Live-Übertragungen von Kriegshandlungen und auf sozialen Plattformen veröffentlichten Amateurvideos die interessierte Öffentlichkeit in der Illusion gewiegt wird, sie könne sich ein eigenes Bild machen.
Dabei ist das Zünden von Nebelpetarden zu einer perfektionierten Methode der Beeinflussung und Verwirrung geworden. Das gilt im Irak genauso wie in der Ukraine oder im aargauischen Baden. Die Welt ist durch den vermeintlich unbegrenzten Zugang zu allen Informationen via Internet nicht übersichtlicher, sondern nebulöser geworden, zu einem weissen Rauschen. Denn auch der interessierte Zeitgenosse tappt orientierungslos im Nebel und ist so anfällig wie nie zuvor, auf vermeintlich einordnenden Sirenengesängen der veröffentlichten Meinung zu vertrauen. Dabei gibt es keine Leuchttürme der objektiven und analytischen Berichterstattung mehr. Wenn es sie denn jemals gab.
Weisse Elefanten
Russland, ansonsten nicht sehr gelenkig auf diesem Gebiet, landete einen hübschen Propagandacoup. Er bestand darin, eine Kolonne von weissen Lastwagen mit Hilfsgütern in Richtung Ukraine auf den Weg zu bringen. Das zwang zunächst die ukrainischen Machthaber, sich ihrerseits und zum ersten Mal um die von ihr beschossene und bombardierte Zivilbevölkerung im Osten zu kümmern. Und sie nicht länger als bedauerliche, aber unvermeidbare Kollateralschäden in einer «antiterroristischen Aktion» zu behandeln.
Das Zünden einer weiteren Nebelpetarde, sozusagen im Schatten der weissen Lastwagen sei ein russischer Militärkonvoi in die Ukraine eingedrungen und teilweise vernichtet worden, funktionierte nicht wirklich, obwohl das vom verantwortungslosen NATO-Generalsekretär Rasmussen sofort bestätigt wurde. Und nach längerem Gezerre an der Grenze fuhren dann auch die weissen Lastwagen nach Luhansk, wurden dort entladen und sind nach Angaben der OSZE wieder nach Russland zurückgekehrt.
«Die Invasion hat begonnen», tönte es aus Kiew, eine klare Aufforderung zum militärischen Eingreifen des Westens. War dann aber nichts, und auch die sicherlich gehegte Hoffnung Moskaus, dass ein Angriff auf die 227 Lastwagen den willkommenen Anlass für eine direkte militärische Intervention bieten könnte, erfüllte sich nicht. Also ausser Spesen nichts gewesen, immerhin bekam die leidende Zivilbevölkerung dringend benötigte Hilfe.
Abgestellte Nebelwerfer
In diesem Propagandanebel ging die Meldung fast unter, dass der Kiewer Innenminister diese Woche die weitere Ausstrahlung von 14 russischen TV-Sendern in der Ukraine untersagte. Sie widmeten sich «Kriegspropaganda und Gewalt», lautete die Begründung. Es wird nun niemand behaupten wollen, dass sich diese Medien der möglichst objektiven und ausgewogenen Berichterstattung verschrieben haben. Genauso wenig wie die ukrainischen Sender unter Staatskontrolle oder westliche Presseorgane.
Beängstigend ist aber die sich in dieser Aktion zeigende Mentalität, erschreckend ist die Dummheit, annehmen zu können, dass es heutzutage so einfach wäre, der eigenen Bevölkerung den Zugang zu ausländischen Medien zu verbauen. Wenn man das zum Anlass nimmt, mit dem «Takte seines Urteils» zu ein paar Schlussfolgerungen zu gelangen, ist das Ergebnis ernüchternd.
Kein Plan, kein Ziel
Weder die USA, noch das Machtgebilde EU, weder die ukrainischen Machthaber noch die Separatisten, weder die «Weltgemeinschaft» noch Russland haben einen erkennbaren Plan, wie die Situation in der Ukraine gelöst werden könnte. Auch das ist neu. Während es im 19. Jahrhundert in den Nebeln des Krieges doch wenigstens darum ging, mit möglichst planvollem Stochern im Pulverdampf die feindlichen Truppen niederzumachen, sind wir auch hier heutzutage in der völligen Unübersichtlichkeit angelangt.
Wer tut was mit welchem Ziel, wer sind die Guten, wer sind die Bösen, was ist der richtige Plan, um das Gute zu befördern und die Pläne des Bösen zu durchkreuzen? Nützen Sanktionen und Gegensanktionen dabei etwas? War die weisse Lastwagenkolonne gut oder böse? Tut «Paria» Putin Böses oder Gutes, wie steht es beim Friedensnobelpreisträger Obama, beim Friedensnobelpreisträger EU? Könnte es etwas nutzen, auch Putin den Friedensnobelpreis zu verleihen?
Oder wäre es nicht am besten, ein ganz einfaches Mittel zu verwenden, um die schreckliche allgemeine Verwirrung zu heilen, die Nebel des Krieges mit der Zündung einer Atombombe aufzulösen? Wenn schon nicht in der Ukraine, dann in den Wüstengebieten des Irak?