Vier Jahre lang hatten sich Obama und seine Aussenministerin bemüht, im Nahostkonflikt ein kleines Stück weiterzukommen. Nichts, aber auch gar nichts wurde erreicht. Washington ist desillusioniert. Der Eifer, mit dem Obama zu Beginn seiner ersten Amtszeit das Nahost-Problem anging, ist erlahmt.
Früher bezeichnete man den Nahen Osten als Schlüssel für den Weltfrieden. Das ist vorbei. Man scheint sich damit abgefunden zu haben, dass eine baldige Lösung nicht in Sicht ist.
Obama reagiert nicht
Vor den amerikanischen Wahlen hatte Premierminister Netanjahu die USA besucht. Mit flammenden, fast drohenden Worten versuchte er, Obama auf eine harte Linie gegen Iran und sein Atomprogramm zu verpflichten. Um die Israel-freundlichen Stimmen zu ergattern, haben amerikanische Präsidentschaftskandidaten früher stets Rücksicht auf Israels Wünsche genommen. Diesmal geschah nichts. Obama reagierte nicht einmal – und wurde trotzdem gewählt. Das sollte Israel zu denken geben. Auch deshalb, weil viele amerikanische Israel-Freunde für Obama gestimmt haben. Ist also die amerikanische Israel-Lobby nicht mehr so einflussreich?
Nicht nur im Israel/Palästina-Konflikt sind die USA leise geworden, auch im Syrien-Krieg hält sich Washington zurück.
Ein amerikanischer Regierungsbeamter soll im Mai dieses Jahres gesagt haben: „Der Nahe Osten ist so deprimierend, und Asien ist so aufregend“. Natürlich kann es sich die Weltmacht USA nicht leisten, das „deprimierende“ Nahost-Problem ganz zu vernachlässigen. Israel wird weiterhin auf die Unterstützung der USA zählen können. Wer auch immer neue amerikanische Aussenministerin oder neuer Aussenminister wird - er oder sie werden neue Friedensinitiativen vorlegen. Da wird es wieder viel Rhetorik geben. Doch die Hoffnungen auf eine baldige Lösung sind klein. Washington wird es offen nicht zugeben, doch es ist klar: Priorität hat nicht mehr der Nahe, sondern der Ferne Osten.
Dort, in den Staaten rund um China, versuchen die Amerikaner an Einfluss zu gewinnen. Damit wollen sie ein Gegengewicht zur neuen Weltmacht China aufbauen. Vor diesem Hintergrund ist Obamas Reise nach Thailand, Kambodscha und Burma zu sehen.
China wendet sich dem Nahen Osten zu
Während sich die USA vermehrt Asien zuwenden, wendet sich ausgerechnet China vermehrt dem Nahen Osten zu. Als ob Peking bei der Friedenssuche die Amerikaner ablösen und in die Bresche springen möchte. Im Syrien-Konflikt spannte Peking bisher stets mit Moskau zusammen. Jetzt, zum ersten Mal, hat China einen eigenen Friedensplan für Syrien vorgelegt.
Nicht genug: China möchte dem Nahost-Quartett beitreten. Dieses besteht aus den USA, der UNO, der EU und Russland und befasst sich mit der Israel/Palästina-Frage. China möchte aus dem Quartett ein Quintett machen – mit China.
Die Botschaft ist klar: Das aufstrebende China will mehr und mehr als globaler Player auftreten. Ob es Peking gelingt, im Nahen Osten mehr zu erreichen als den USA, ist mehr als fraglich. Ebenso darf man bezweifeln, ob das autoritär geführte China den arabischen Demokratie-Bestrebungen nützlich sein wird. Doch für China ist das alles gar nicht so wichtig. Wichtig ist, der Welt zu zeigen: Wir, die Chinesen, sind jetzt da, nehmt uns ernst, auch im Nahen Osten.
Trotz der Faszination Asien: Den USA wäre zu wünschen, dass sie den Nahen Osten nicht allzu sehr vernachlässigten.