«Too much is too much», rief UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon bei der Eröffnung der Genfer Syrienkonferenz, «jetzt muss verhandelt werden.» Damit weckte er grosse Hoffnungen. Doch drei Wochen später wurden die Verhandlungen zwischen der syrischen Regierung und den in einer «Nationalen Koalition» zusammengeschlossenen Oppositionsparteien ohne Ergebnis auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Krieg geht mit gesteigerter Intensität weiter. Wieder einmal hat Ban Ki-Moon seine Machtlosigkeit zu spüren bekommen.
Der unmöglichste Job der Welt
Wer ist dieser Mann, der seit sieben Jahren stets lächelnd den «unmöglichsten Job der Welt» ausübt, wie einer seiner Vorgänger an der Spitze der Weltorganisation das Amt bezeichnete? Auf jeden Fall weiss der Südkoreaner, was Krieg bedeutet. Er kam 1944, während des Zweiten Weltkriegs, als Korea noch von den Japanern besetzt war, in einem Dorf zur Welt. Seine Kindheit markierte der Koreakrieg 1950-53, der über eine Million Todesopfer forderte und bis heute nicht durch einen Friedensvertrag überwunden ist. Bans Familie überlebte, weil sie in die Berge flüchtete.
Ban Ki-Moon ist also gewiss kein kalter Karrierist. Seine Kandidatur für den Posten des UNO-Generalsekretärs begründete er im Mai 2006 mit den Sätzen: «Unser Land ist im wahrsten Sinne des Wortes aus der Asche des Krieges auferstanden. Durch harte Arbeit, Überzeugung und Hilfe von Freunden und der Vereinten Nationen haben wir es geschafft. Jetzt sind wir bereit, unsere Schuld zurückzuzahlen.»
Den Vorbild JFK nachgeeifert
Seine Herkunft prädestinierte ihn nicht, einmal die Geschicke der Weltpolitik in die Hand zu nehmen. Bans Vater machte mit einem Gemischtwarenladen bankrott und verlor seinen Mittelklassestatus. Der junge Ki-Moon machte sein soziales Handicap durch fleissiges Lernen wett und gewann 1962 einen Studienaufenthalt in San Francisco. Dort erlebte er John F. Kennedy, der für ihn zum Vorbild wurde. Der Legende zufolge soll er damals auf die Frage nach seinem Berufswunsch geantwortet haben: «Ich möchte Diplomat werden!»
Ban erlernte das Diplomatenhandwerk, arbeitete zunächst in der Handels- und Wirtschaftsabteilung und wurde 2004 Aussenminister der Republik Korea. Obwohl er als farblos galt, schaffte er es zwei Jahre später mit Unterstützung Chinas an die Spitze der UNO. Wahrscheinlich war es gerade diese äusserliche Farblosigkeit, die ihn nach dem unbequemen Kofi Annan zum Wunschkandidaten der Grossmächte machte.
Trotz Sanftheit ein dunkler Fleck
In der Öffentlichkeit genoss Ban vor allem den Nimbus des sanften Sonnenscheinpolitikers, denn er war als Aussenminister seines Landes das Aushängeschild der «Sonnenschein-Politik» gegenüber Nordkorea. Dieses Konzept ging zwar nicht auf, doch Bans Fähigkeiten zum Interessenausgleich in Krisen fanden Anerkennung. Seine erste Amtszeit als UNO-Generalsekretär verlief für viele enttäuschend banal. Da er sich aber mit keinem massgeblichen Staat angelegt hatte, wurde er 2011 für eine zweite fünfjährige Amtszeit wiedergewählt.
Ein dunkler Fleck auf der Weste ist Bans Umgang mit dem Bürgerkrieg in Sri Lanka. Die Regierungstruppen hatten dort im Mai 2009 die tamilischen Sezessionisten besiegt und in ihrer Schlussoffensive schätzungsweise 40’000 Menschen getötet. 300’000 Tamilen wurden in Lager gesteckt. Der UN-Vertreter in Sri Lanka schrieb einen Bericht über die Kriegsverbrechen. Er wurde aber auf persönliche Anordnung Bans unter dem Deckel gehalten. Menschenrechtsaktivisten vermuten, dass sich der Generalsekretär dem Druck der mit dem Regime in Sri Lanka verbündeten chinesischen Regierung beugte.
Mehr Mut in der zweiten Amtszeit
In seiner zweiten Amtszeit hat sich Ban etwas aus der Umklammerung der Grossmächte gelöst. So bezog er gegen die Diskriminierung der Homosexuellen in Russland Stellung. Die USA verärgerte er, indem er gegen ihren Widerstand Iran zur Genfer Syrienkonferenz einlud. Allerdings widerrief die diese Einladung einige Tage später unter einem Vorwand. Weit auf die Äste hinaus wagte er sich auch, als er jüngst die Anwendung von mit Metallsplittern gefüllten «Fassbomben» durch die syrischen Regierungstruppen als einen Bruch des Verbots von Anti-Personen-Waffen, die unterschiedslos töten, brandmarkte.
Den Pressevertretern tritt Ban Ki-Moon stets freundlich gegenüber. Wenn Plätze in seinem Flugzeug frei sind, nimmt er Journalisten auf seine Reisen mit. Das hat natürlich zur Folge, dass sich Kollegen bei der Auswahl übergangen fühlen. Der jüngste «Skandal» dieser Art ereignete sich vergangene Woche in New York, als Ban 15 Journalisten zu einem exklusiven Essen einlud.
Hinter Bans Tagewerk stehen die «Korea Boys» – eine Gruppe Vertrauter, die ihm aus Seoul nach New York folgten. Das schuf böses Blut unter altgedienten UNO-Beamten und führte zu Rücktritten. Kritisiert wird auch die nicht immer zwingende Reisetätigkeit des Generalsekretärs: zuletzt zur Münchner Sicherheitskonferenz, zum privaten Weltwirtschaftsforum in Davos, zur Eröffnung der olympischen Winterspiele in Sotschi. Er rühmt sich, jedes Jahr mehrmals die Distanz von der Erde zum Mond zurückzulegen. Auf allen Gruppenfotos der Prominenz lächelt Ban in die Linse, meistens am Rand der ersten Reihe, selten im Zentrum. Mit Personenkult habe das nichts zu tun, sagt er. Es gehe ihm darum, die Vereinten Nationen «sichtbarer» zu machen.