‘IS’, oder arabisch Daesch, der sogenannte Islamische Staat profitiert von den zwei failed states: Syrien und Irak. Sein Ziel ist, ‘Sunnistan’, einen Quasi-Staat auf sunnitischen Stammesgebieten zu errichten. Dieser umfasst im Moment die Hälfte des syrischen und einen guten Drittel des irakischen Staatsgebiets.
Lange nicht alle syrischen und irakischen Sunnis wollen unter strengster islamischer Fuchtel leben; indes bleibt ihnen im Moment nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: IS oder das alawitisch/schiitische Terrorregime von Asad, respektive die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad, welche den sunnitischen Mitbürgern die Flucht vor dem IS innerhalb ihres eigenen Staates verunmöglicht.
Fremdenlegion aus islamischen Kämpfern
Die Kontrolle eines Staatsgebietes, viel zugänglicher als abgelegene Bergprovinzen in Afghanistan, hilft dem IS, eine rund 10 Mal grössere Fremdenlegion aus islamistischen Kämpfern aus aller Welt für den heiligen Kampf zu rekrutieren, als dies Al-Kaida je gelungen ist.
Der Hauptharst dieser im Moment 25-30’000 Kämpfer umfassenden Legion rekrutiert sich aus anderen arabischen Ländern. Dort wo der arabische Frühling durch weiterbestehende Herrschaftsstrukturen wieder unterdrückt worden ist, oder schon gar nicht erst zum Ausbruch gekommen war. Immer mehr Kämpfer kommen aber aus anderen Gegenden der Welt, wo der salafistische Islam dank Sozialmedien aber auch finanzieller und ideologischer Hilfe, vor allem aus den reichen Golfländern, seit Jahren verbreitet wird.
Verstärkung aus Asien
In Asien stehen dabei Malaysia und Indonesien im Vordergrund. Nach Schätzungen führender Politik-Institute in Südost-Asien umfasst die Katibah Nunsantara Lid Daulah Islamiyah, „die Einheit der malayischen Inseln für den islamischen Staat in Irak und Syrien’ bereits rund 1000 Kämpfer. Zu dieser „Einheit“ gehören Indonesien, Malaysia und Singapur. Geführt wird das Kontingent, welches in eigener Regie bereits einige kurdische Enklaven in Irak erobert hat, von einem Indonesier mit dem Decknamen Abu Ibrahim al-Indunisi.
Anfang des Jahrhunderts machte die salafistische Terrorgruppe Jemaah Islamiyah mit Anschlägen vor allem in Indonesien auf sich aufmerksam. Anlässlich der Bali-Bomben auf Touristenziele wurden primär Ausländer, darunter namentlich Australier, aber auch zwei Schweizer ermordet. Jeemah Islamiyah bestand vornehmlich aus einheimischen Afghanistan-Rückkehrern; eine geplante Anschlagserie in Singapur im Jahre 2002 konnte damals erst im letzten Augenblick dank geheimdienstlicher Mitarbeit der USA verhindert werden.
Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft
Nun steht zu befürchten, dass sich die Geschichte wiederholen könnte – in grösserem Massstab. Natürlich wird die "Katibah" diese grundsätzlich demokratischen und solide verankerten Staaten Südost-Asiens nicht aus den Angeln heben können. Die Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft ist aber real. Zudem muss sich insbesondere Malaysia die Frage gefallen lassen, ob nicht die durchaus auch vom Regime geförderte Islamisierungstendenz im täglichen Leben - von Intoleranz gegenüber Minderheiten bis hin zur immer weitergehenden Einführung von islamischem Recht - den Salafisten ideologische Rechtfertigung verschaffen.
Das grösste IS-Problem im Grossraum Asien-Pazifik hat aber China. Dies einmal, weil natürlich auch junge Chinesen muslimischen Glaubens zum islamischen Kreuzzug im mittleren Osten aufbrechen. Angesichts von Bevölkerungszahlen müssen dies schon rein statistisch Hunderte sein. Bekanntlich werden insbesondere die muslimischen Minderheiten im Westen Chinas von der Zentralregierung unbarmherzig unterdrückt. Rückkehrer aus dem mittelöstlichen Kriegsgebiet sind eine ebenso akute Terrorgefahr für Beijing wie für alle anderen Industrieländer, ob nun im Westen oder Osten gelegen.
Heute Freunde, morgen Feinde
Noch ungleich schwerer ins Gewicht fällt aber die Tatsache, dass China - zusammen mit den USA und der EU - verletzlich geworden ist. Tausende von Chinesen mussten über die letzten Jahre und Monate aus arabischen Krisengebieten notfallmässig evakuiert werden, von Syrien über den Irak zu Libyen und Jemen. Chinesisch finanzierte und vor allem auch gebaute Projekte können von einem Tag auf den anderen in Frage gestellt, ja zerstört werden.
Die bisherige strikte Politik Beijing, sich in keiner Weise in innenpolitische Prozesse einzubringen, speziell in jenen Ländern, wo grosse Investitionen erfolgt sind, wird je länger je weniger möglich. Das Regime von heute kann die Opposition, ja Terrorgruppe von morgen sein. Entsprechend muss sich auch die chinesische Aussenpolitik nach allen Seiten hin absichern und notwendigerweise auch Stellung nehmen.
Ob das bedeutet, dass China sich in Zukunft aktiver an internationalen Bemühungen beteiligt, nicht nur militärisch in von Terrorgruppen beherrschte Regionen zu intervenieren, sondern auch mitzuhelfen, dort die Ursachen dieses Terrors anzugehen, wird entscheidend sein. Entscheidend dafür, ob sich das Reich der Mitte als ein Teil jener Weltgemeinschaft versteht, welche die Aufrechterhaltung eines funktionierenden internationalen Staatensystems im Notfall über die absolute nationale Souveränität stellt.