Angesichts der Anschläge auf die Charlie-Hebdo-Redaktion und einen jüdischen Supermarkt in Paris und der Terrordrohungen mit islamistischem Hintergrund in Europa, ist das keine einfache und selbstverständliche Feststellung. Aber sie ist nötiger denn je! Denn über 400‘000 Menschen in unserem Land sind muslimischen Glaubens – viele sind säkular ausgerichtet, andere leben mehr oder weniger streng nach den Regeln ihrer Religion. Sie gehören zu uns und die meisten von ihnen hegen nicht die geringsten Sympathien für islamistischen Terror und Gewalt.
Es war beeindruckend, wie klar und unmissverständlich praktisch alle muslimischen Organisationen die Anschläge in Frankreich als niederträchtig und unislamisch verurteilt haben. Dieses klare Zeichen war notwendig und wichtig. Denn jede Religion muss sich mit ihren Schattenseiten und ihrem Gewaltpotential auseinandersetzen. Wo Menschen im Namen eines Gottes Gewalt ausüben, kann diese Gewalt völlig enthemmt und gnadenlos werden. Das spricht nicht gegen Religion, aber gegen Absolutheits- und Durchsetzungsansprüche. Glaube kann nur überzeugen, niemals zwingen, sonst wird er gewalttätig. Unter dieser Voraussetzung ist Glaube für Menschen eine Heimat und eine Lebenskraft.
Gute Satire gibt die Zerrformen und den Missbrauch einer Religion durch Zuspitzung der Lächerlichkeit preis. Macht sie ganze Religionen oder Ethnien lächerlich, darf und muss dies kritisiert werden. Aber eine Religion muss Satire aushalten. Und wenn bei den Protesten im Niger die Hälfte der christlichen Kirchen in Brand gesetzt wird und zehn Menschen ums Leben kommen, dann geht es nicht um die Grenzen von Satire, sondern um ein religiöses Gewaltproblem. Auch hier gilt unsere Solidarität und unser uneingeschränktes Mitgefühl den Opfern.
Der Islam gehört zur Schweiz – nicht nur in seinen säkularen oder liberalen Ausprägungen, sondern auch in seinen konservativen Erscheinungsformen. Die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut, und sie fordert unsere Akzeptanz auch für Lebensformen und Traditionen, die uns fremd und fragwürdig erscheinen, solange sie andere in ihren Rechten und Freiheiten nicht einschränken. Akzeptanz heisst aber nicht Zustimmung. Wir sind es uns schuldig, für unsere Werte wie die Gleichheit von Frau und Mann, das Recht auf freie Meinungsäusserung, die Vielfalt der Lebensformen, das Recht auf Abkehr von einer Religion einzutreten – und zwar mit Argumenten und mit Zivilcourage. Wir können es nicht gutheissen, wenn Menschen in Gläubige und Ungläubige eingeteilt werden und den vermeintlich Ungläubigen die gleiche Würde und die gleichen Rechte abgesprochen werden.
Der Islam gehört zur Schweiz. Gewaltbereiter Islamismus aber gehört nicht zur Schweiz und religiöse Hassprediger ebenso wenig. Hier findet die geforderte Toleranz ihre Grenze und es ist notwendig, alle rechtsstaatlichen Mittel auszuschöpfen. Hier darf der Rechtsstaat nicht gleichgültig oder machtlos sein. Damit junge Muslime sich aber nicht von Hasspredigern, die ja auch im Internet zu finden sind, verführen lassen und sich radikalisieren, braucht es zuerst die Botschaft, dass der Islam zur Schweiz gehört und dass Muslime bei uns partizipieren, Lebenschancen erhalten und ihren Glauben leben können. Es darf keinen Generalverdacht gegen Muslime geben. Deshalb haben die christlichen Kirchen in Deutschland sich klar und deutlich gegen Pegida ausgesprochen und wir sollten auch dem geplanten Schweizer Ableger eine klare Haltung entgegensetzen. Die Ängste der Menschen müssen wir ernst nehmen. Zugleich müssen wir klar aufzeigen, wes Geistes Kind die Initianten von Pegida sind.
Bern Berger ist Pfarrer in der reformierten Kirchgemeinde Thun-Strättligen im Kanton Bern. Sein Beitrag ist in der Rubrik "Wort zum Sonntag" des Thuner Tagblatts vom 24. Januar 2015 erschienen.